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Was Cooles mit Medien und Design …

| 19. Februar 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Essay, Fazit 110

Foto: Marion LuttenbergerEin Essay von Günter Riegler. Hochschulen im Wandel. Eine Replik auf den Beitrag von Werner Kuich in Fazit 109.

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Dr. Günter Riegler, geboren 1966, ist Geschäftsführer der Fachhochschule Joanneum und war davor viele Jahre lang Lehrbeauftragter für Finanz- und Rechnungswesen. Er ist im erlernten Beruf Wirtschaftsprüfer und Steuerberater und ist Verfasser zahlreicher wissenschaftlicher Artikel auf dem Gebiet des Steuer-, des Bilanzrechtes sowie des Public Management.

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»Bildung ist ein zentraler Wachstumstreiber (…).
Daher spielt die Struktur des Bildungswesens sowie
dessen Anpassungsfähigkeit an geänderte
gesellschaftliche Bedingungen eine zentrale Rolle.«
Aus: Rat für Forschung und Technologieentwicklung, IHS, AIT (Hg.), »Vision Österreich 2050 – Vorsprung durch Bildung, Forschung und Innovation«, Seite 40. In der Folge hier zitiert als »Vision Österreich 2050«, Seitenangabe.

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Professor Werner Kuich, Emeritus der Technischen Universität Wien, hat sich in seinem Essay, abgedruckt im Fazit 109 (Jänner 2015), sehr kritisch über die seiner Ansicht nach negative qualitative Entwicklung der österreichischen Universitäten geäußert, wofür er – nimmt man alle in seinem Essay geschilderten Erfahrungen zusammen – vor allem die weit reichenden Mitbestimmungsrechte in Berufungs- und Habilitationskommissionen, die seiner Ansicht nach zu starke Orientierung an der »politischen Korrektheit« und ganz allgemein den modernen Massenbetrieb an den Universitäten samt budgetärer Unterversorgung verantwortlich macht.

Hochschulen im Wandel der Zeiten.
Vom goldenen Zeitalter ins 21. Jahrhundert

Kuichs Essay ist vor allen anderen Aspekten eine Streitschrift gegen die mit dem Universitäts-Organisationsgesetz 1975 erfolgte Abschaffung der Ordinarienuniversität, wodurch den Professoren bei Berufungen und in Habilitationskommissionen ihr bis dahin gegebenes Vetorecht (votum separatum) genommen und durch die Mitbestimmungsrechte von Lehr- und Forschungspersonal und Studierenden ersetzt wurde. An einer Stelle spricht Kuich dezidiert von der »niveausenkende(n) Mitbestimmung«. Diese geänderten Organisationsregeln, in Verbindung mit einer aus Sicht Kuichs abzulehnenden »political correctness« führten dazu, dass es – seiner Erfahrung nach – oft nicht die besten Kandidaten (selbst solche »von Weltgeltung«) in die Dreiervorschläge schafften, sondern vielmehr politisch korrekt ausgewählte Personen. Außerdem sei die finanzielle Dotierung der österreichischen Universitäten viel zu gering; als Referenzbeispiel nennt Kuich die ETH-Zürich – deren Budget sei um ein Vielfaches höher als das Budget einer Technischen Hochschule in Österreich; letztlich könne man sich an der ETH die Studierenden aussuchen, was auch hierzulande wünschenswert sei.

Professor Kuichs Essay sollte nicht unkommentiert stehen bleiben, und dessen Abdruck in Fazit 109 gibt Anlass, sich über die Zukunft von Bildung, Forschung und Entwicklung in Österreich ganz allgemein Gedanken zu machen. Einige Überlegungen dazu möchte ich nachfolgend zu Papier bringen. Grundtenor ist das obige Zitat aus einer Studie des Rats für Forschung und Technologieentwicklung, des IHS (Institut für Höhere Studien) und des »Austrian Institute of Technology« (Vision Österreich 2050), das schon alles sagt: Richtet man den Blick auf 2050 und darüber hinaus, so zeigt sich, dass die Organisationsmodelle der 70er Jahre des vorigen Jahrhunderts nicht mehr geeignet sind, um die Herausforderungen im 21. Jahrhundert zu bewältigen und dass es einer differenzierten Analyse des Zusammenspiels von Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft und Gesellschaft bedarf.

Hochschulstudium im 21. Jahrhundert.
Ein paar Zahlen, Daten und Trends

Anders als im goldenen Zeitalter, das Professor Kuich vor Augen hat, gibt es mittlerweile einen erfreulicherweise erleichterten Zugang zu sekundären und tertiären Bildungseinrichtungen, sodass breitere Teile der Bevölkerung ihre Kinder in die höheren Schulen schicken konnten und können. Ich gehöre auch zu diesen Glücklichen. Nicht alles ist gut, was in den Siebzigern erfunden wurde, aber der erleichterte Zugang zu AHS und damit zu Hochschulstudien gehört ganz entschieden zu den positiven Errungenschaften, nicht nur, weil es für das Individuum gut ist, sondern auch, weil es für den Wirtschafts-, Technologie- und Forschungsstandort Österreich förderlich ist. (Auch wenn es in jüngster Vergangenheit Stimmen gibt, die das Dogma »Bildung fördert Wohlstand« nicht als allgemein gültig anerkennen wollen, steht doch außer Streit, dass das Bildungswesen eine zentrale Rolle für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung spielt und dass ein Zusammenhang mit der Innovationsfähigkeit eines Landes besteht; siehe dazu »Vision Österreich 2050«, 168f.)

Der Bedarf an qualifizierten Hochschullehrern ist gestiegen, ebenso die Zahl an Hochschulen und die Vielfalt an Bildungsangeboten. Hatte man in den 50ern des 20. Jahrhunderts mit einem Handelsschul- oder gar mit einem AHS-Abschluss den direkten Weg zu einem raschen gesellschaftlichen Aufstieg vor sich, ist heute die Innehabung der Matura bestenfalls die erste Etappe. Der Bedarf an technischen Fachkräften in einem Land der Industrie 4.0. ist stark gestiegen, gleichzeitig kämpfen die Hochschulen mit dem Problem, einen Ausgleich zwischen dem Bedarf am Arbeitsmarkt (Stichwort: MINT-Fächer) und dem Andrang von Studierenden zu den Massenfächern zu schaffen. Die Hauptaufgaben der Universitäten liegen daher nicht mehr allein in der Forschung und der wissenschaftlichen Nachwuchspflege, die Hochschulen – insbesondere die technischen Hochschulen – haben heute ganz wesentliche Beiträge zur stabilen wirtschaftlichen Entwicklung und zur Stärkung des Wissenschafts- und Industriestandortes zu leisten.

In der Steiermark wären industrielle Leitbetriebe wie AVL, Magna Steyr, AMS, AT&S, Fresenius-Kabi, Anton Paar, Knapp oder M&R – um nur einige wenige zu nennen – ohne die große Zahl an einschlägig ausgebildeten Hochschulabsolventen insbesondere der Technischen Hochschulen schlicht nicht denkbar.

Sieht man die Hochschulen – und ich spreche bewusst von »Hochschulen« und nicht allein von Universitäten – in diesem Lichte, wird klar, wie sehr sich die Aufgabenstellungen und die Anforderungen an die Organisationsmodelle der Hochschulen geändert haben. Reichte es in der Ordinarienuniversität des Kuichschen goldenen Zeitalters, dass 20–30 einer Kohorte Studierender mit ihren Professoren allerlei Forschungen anstellten und in Privatissima erörterten, sind in den Top-10-Universitätsstudien Österreichs im Hier und Jetzt 120.000 Studierende engagiert. Die Top-Studien an den Universitäten sind Rechtswissenschaften (30.000 Studierende), Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (17.000), Humanmedizin (12.000 Studierende), Pädagogik (10.600) und Architektur (10.200). (Quelle: uni:data warehouse, zitiert nach »Austria innovativ« 1–14). An den Fachhochschulen beginnen jährlich rund 7.000 Studierende ein wirtschaftswissenschaftliches Studium, 6.400 Studierende ein Technik- und ingenieurwissenschaftliches Studium. Zwischen 1970 und 2010 hat sich die Zahl der Studierenden an österreichischen Universitäten vervierfacht, gleiches gilt auch für die Zahl der Absolventen (»Vision Österreich 2050«, 58, Abb. 45).

Dennoch geben in Befragungen rund 40 Prozent der befragten Unternehmen an, Rekrutierungsprobleme im Bereich »Technik und Produktion« zu haben. (Quelle: Industriellenvereinigung, 2012).

Die Hochschulen haben mittlerweile auch die Funktion der Bildungs- und Berufsberatung mitübernommen, Schulpartnerschaften zwischen Hochschulen und AHS/BHS sind heute Standard, an Studieninformationsmessen mitzuwirken ist für moderne Hochschulen unverzichtbar.

Ziel ist, jungen Menschen die Scheu vor der Mathematik im Besonderen und den »MINT«-Fächern (also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) im Allgemeinen zu nehmen und ihnen konkrete Anhaltspunkte für ihre Studien- und Berufswahl zu geben. »Was Cooles mit Medien und Design« studieren zu wollen, ist keine ausreichende Zielbestimmung für ein erfolgreiches und erfüllendes Berufsleben und die Hochschulen sind aufgerufen, offensiv an der Studien- und Berufsberatung mitzuwirken, um Talente in Fächern, die a priori keinen großen Zulauf haben, zu entdecken und zu fördern.

Mitbestimmung beeinträchtigt die Qualität?

Es leuchtet ein, dass ein derart breit angelegter Bildungs- und Ausbildungsauftrag nicht mit dem Organisationskonzept der Sechziger- und Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts zu bewältigen ist. Ganz entscheidend ist, dass moderne HochschullehrerInnen nicht bloß exzellente Forscher, sondern auch in der Didaktik und der Beherrschung neuer Lehr- und Lernmethoden bewandert sein müssen. Moderne Organisationskonzepte von Hochschulen berücksichtigen daher auch die Stimmen des akademischen Mittelbaues und der Studierenden, um solcherart Qualitätskontrolle durch Mitbestimmung zu fördern. Arbeiten zum Change Management an Hochschulen vertreten, dass die Mitwirkung von Mitarbeitern in Hochschulen die Veränderungsbereitschaft derselben positiv beeinflusse (Nachweise bei Alice Greiner, »Hochschulen im Wandel – Change Management im Hochschulbereich«, in »Wissenschaftsmanagement. Zeitschrift für Innovation«, 20. Jahrgang, Heft 1, Jänner/Februar 2014, Seite 48–49).

Überhaupt spricht man heute zu Recht von »unternehmerischen Hochschulen« und meint damit, dass es nicht ausreicht, Forscher auszubilden und Publikationen zu erstellen, sondern insbesondere auch Drittmittel aus Auftrags- und Förderungsprojekten einzuwerben, die Forschungsergebnisse in geeigneter Weise in die Lehrinhalte zu transferieren, für Betriebe als regionaler Innovationstreiber und Ansprechpartner zu wirken und ganz allgemein das Ohr so nah wie möglich an der Schnittstelle zum Bedarf der Betriebe und Wirtschaftsunternehmen zu haben. Hochschulprofessoren sind nicht (mehr) bloß Experten, sondern Wissens- und Bildungsmanager, die das hohe Gut des Humankapitals in ihren Instituten zu pflegen und zu entwickeln haben und gleichzeitig jederzeit ansprechbarer Partner für die Wirtschaft sein müssen. Ein Hochschulprofessor modernen Zuschnitts ist im Idealfall gleichzeitig Experte, Führungskraft, Kommunikator und Vertriebsmanager.

Es leuchtet ein, dass in einer derartigen Umwelt eine Ordinarienuniversität alten Schlages nicht oder nicht zufriedenstellend funktionieren kann. Moderne Organisationsmodelle erfordern Arbeitsteiligkeit, interdisziplinäre Zusammenarbeit über die engen Grenzen des eigenen Schreibtisches oder des eigenen Institutes hinaus; Budgets müssen mehrjährig geplante Globalbudgets sein, die von den Managern der Hochschulen flexibel umgeschichtet werden können. Privatrechtliche Verträge zwischen der Hochschule und privaten Unternehmenspartnern müssen geschlossen werden können, das Privatrecht mit all seinen Vorteilen und Bedrohungspotenzialen (Haftungen, Schadenersatz, Risikoüberwälzungen) hat längst Einzug gehalten und ist notwendige Voraussetzung für den Transfer von Forschungsergebnissen in die Produktion.

Falsch verstandene Mitbestimmung wäre es, wenn – wie Kuichs Beitrag insinuiert – durch Mitbestimmung personelle Fehlentscheidungen oder wissenschaftliche Qualitätsmängel unterstützt würden. Dafür gibt es allerdings keine Anhaltspunkte. Die Gremien moderner Universitäten – Rektorate, Senate und Universitätsräte – sind mit akademisch wie auch in der Wirtschaftspraxis versierten Fachleuten besetzt und erfüllen die heutigen Anforderungen grosso modo ganz gut (siehe dazu das Empfehlungspapier des Wissenschaftsrates aus 2013 »Governance und Partizipation – Empfehlung zur Fortentwicklung der österreichischen Universität«; Download unter www.wissenschaftsrat.ac.at). Angemerkt sei darüber hinaus, dass selbst im goldenen Zeitalter des vorigen Jahrhunderts nicht alles Gold war: Ordinariate waren oft jahrelang vakant, weil die Auswahlprozesse langwierig und mehrstufig waren, sodass gute und talentierte KandidatInnen längst einen anderen Berufungsort gefunden hatten. Ob zudem die ministerielle Entscheidungspraxis in Berufungsverfahren in der guten alten Zeit tatsächlich sachlich und qualitätsorientiert war, sei zumindest hinterfragt.

Die hochschulische Autonomie des 21. Jahrhunderts hat meiner Ansicht nach an dieser Stelle eher Vorteile gebracht, wenngleich auch im heutigen universitären Governance-System einige Entwicklungen zu hinterfragen wären, so etwa die auch vom Wissenschaftsrat kritisierte große Zahl an Hausberufungen. Zudem darf Mitwirkung und Mitbestimmung nicht dazu führen, Veränderungen zu lähmen oder gar zu verhindern; Mitbestimmung heißt nicht, dass bei allen Entscheidungen alle Gremialmitglieder einer Meinung sein müssen. Mitbestimmung heißt, gefragt zu werden, sich einzubringen, letztlich aber auch: Entscheidungen, wenn sie einmal von den zuständigen Organen getroffen worden sind, zu akzeptieren.

Ausdifferenzierung des Hochschulsektors statt
Einheitsuniversität und Durchlässigkeit

Die Spezialisierung hat zugenommen. Joseph Schumpeter – um einen der berühmtesten ehemaligen Professoren der Uni Graz anzusprechen – war Ökonom. Ökonomik studierte man aber im Jahr 1901 noch im Rahmen des Studiums der Rechtswissenschaften. Der Staat, das Recht und die Wirtschaft waren Inhalte eines gesamthaften Studiums. Sein Lehrer Eugen Böhm von Bawerk (wir kennen ihn vom alten Hundertschillingschein) war Rechts- und Staatswissenschafter.

Hundert Jahre später ist die Forschungs- und die Bildungslandschaft unendlich viel feiner granuliert. Man ist nicht mehr Experte für das gesamte Rechts- und Staatswesen, nicht einmal für die gesamte Ökonomik, Studierende müssen sich früh entscheiden, ob sie mehr an der Mikroökonomik oder an der Makroökonomik, ob sie eher eine technikorientierte Wirtschaftswissenschaft mit Inhalten über Produktionstechnik, Logistik, Supply-Chain-Management oder eine vertriebliche und am internationalen Geschäftsprozesswesen interessierte Ausbildung wollen. Curricula von Studienrichtungen werden zunehmend spezialisiert und es ist herausfordernd, diese qualitativ am Stand der Zeit und an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes auszurichten. Einmal mehr möchte ich heraus streichen: Mitbestimmung und Interdisziplinarität sind unverzichtbar geworden. In Entwicklungsteams für Hochschulstudiengänge sind externe Experten aus den Betrieben wichtiger Bestandteil und auch im Kreis der Hochschullehrer braucht es Persönlichkeiten, die gleichermaßen akademische wie berufspraktische Erfahrungen und Kenntnisse aufweisen.
Ein derart hoher Spezialisierungsgrad erfordert somit an den Hochschulen Diversifikation – man könnte auch sagen: »Portfoliodenken«. Bildung, Forschung und Hochschulwesen bedürfen einer Ausdifferenzierung. Es gibt nicht »die Universität«, die sich mit der ETH oder anderen Exzellenzuniversitäten zu messen hat, sondern es gibt Hochschulen für verschiedene Zwecke und Ansprüche. Die schon mehrfach zitierte Studie sagt: »In Österreich ist der Hochschulsektor zwar nicht homogen, die Differenzierung zwischen den Hochschulen ist bislang jedoch wenig fortgeschritten.« (»Vision Österreich 2050«, 7). Grundlagenforschung braucht andere Organisationsstrukturen als angewandte Forschung und Entwicklung und wiederum bedarf es anderer Zugänge, wenn es um »Spin-offs« und den Transfer von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen in die Wirtschaftsbetriebe geht.

Gleiches gilt für die Professoren – die akademische Laufbahn vom Studium bis zur Habilitation deckt einen Teil des Bedarfes; im personellen Portfolio einer modernen Hochschule braucht es freilich auch Lehrende, die direkt aus der betrieblichen Praxis berichten können und somit Forschungsfragen identifizieren können, die der Fortentwicklung in den Betrieben nützt und Innovationen entstehen lassen hilft. Besonders in den technischen und den Wirtschaftswissenschaften ist ein reines Herunterbeten von Lehrbuchwissen ebenso fehl am Platz, wie es hunderte Seiten lange Abhandlungen über Orchideenthemen sind. Diese sollen auch weiterhin ihren Platz haben, es darf aber nicht vergessen werden, dass Hochschulen einen Auftrag haben, die positive Entwicklung der Region durch problemorientierte Forschung zu fördern.

Ein wesentliches Erfordernis für eine solche Diversifikation wäre »Durchlässigkeit« der verschiedenen Hochschulen an deren Schnittstellen zueinander. Sie wäre wichtig, um im System der unterschiedlichen Hochschultypen dem einzelnen Studierenden eine Umorientierung – von der reinen Berufsausbildung hin zur Forschungstätigkeit – zu ermöglichen; sie ist aber (noch) schwach ausgeprägt. Noch immer gibt es Universitätsprofessoren und ganze Unis, die Vorbehalte, um nicht zu sagen: »Standesdünkel« gegen die Absolventen der Hochschulen für angewandte Wissenschaften haben und daher diese gar nicht oder nur unter erschwerten Aufnahmebedingungen in Forschungs- und Doktoratsprogramme aufnehmen wollen. Dementsprechend drängen nun die Fachhochschulen in Richtung Promotionsrecht und damit in Richtung Gleichstellung mit den Universitäten; die diesbezügliche Diskussion ist in Deutschland in den vergangenen 12 Monaten recht intensiv geführt worden und wurde auch schon in Österreich begonnen. Das Hauptargument der Fachhochschulen: nur wenn wir den »Durchstieg« zum Doktorat anbieten können, bleiben wir langfristig konkurrenzfähig.

Ich meine: Ein generelles Promotionsrecht für Fachhochschulen wäre ebenso falsch, wie es auch eine Zusammenführung des FH-Sektors mit dem Universitätssektor wäre. Genau das Gegenteil ist wichtig, nämlich, die Stärken der verschiedenen Hochschultypen auszuspielen anstatt sie zu vereinheitlichen. Das hieße: Promotionsrecht für Fachhochschulen ja, aber nicht generell, sondern nur in FH-Studiengängen, in denen ein erforderliches Qualitätsniveau und das intellektuelle Humankapital vorhanden ist. Die Fachhochschulen sollten in »Hochschulen für angewandte Wissenschaften« umbenannt werden dürfen, wenn sie bestimmte Qualitätsstandards erfüllen. Das Ergebnis wäre sogar eine weitere Ausdifferenzierung des FH-Sektors anstatt einer Zusammenlegung mit den Universitäten.

Ausblick auf 2050. Was ist sonst noch wichtig?

Ein weiterer wichtiger Aspekt wird in der an dieser Stelle schon mehrfach zitierten Studie »Vision Österreich 2050« heraus gearbeitet: »2050 werden sich die Jahrgänge gegen die Pensionierung hin bewegen, unter denen die PISA-Tests den hohen Anteil an Risikogruppen mit mangelnden Grundkompetenzen ergeben haben.« Bildungseinrichtungen – auch Hochschulen – sollten daher ihre Aufgaben auch in der Erwachsenenbildung sehen und sich am Prinzip des »Life long learning« orientieren.

Hier tut sich eine Chance für neue Aufgaben und auch für neue Einnahmequellen der Unis auf; womit wir bei den Finanzmitteln sind. Professor Kuich hat hierzu im Kern richtig angemerkt: Will man Exzellenz, braucht man mehr Geld, als man derzeit dem Hochschulsektor zugesteht. Dass eine Unterfinanzierung besteht, gesteht auch der Rat für Forschung und Technologie ein. Er weist aber auch darauf hin (Vision Österreich 2050, 62f), dass gerade Österreich laut einer Studie der »European University Association« (EUA) zu den wenigen europäischen Ländern gehört, in welchen trotz Krise in den Jahren 2008 bis 2012 das Budget für Universitäten gesteigert wurde, während es in manchen europäischen Staaten erhebliche Einschnitte gegeben hat.

Ob die Studienplatzfinanzierung – wie an den Fachhochschulen bereits umgesetzt – in der derzeitigen Form allen Hochschulen anzuraten ist, ist zu bezweifeln. Abgesehen davon, dass eine Studienplatzfinanzierung auch eine Inflationsabgeltung voraussetzen würde, was aber bei den Fachhochschulen nicht umgesetzt ist, gilt es auch zu bedenken, dass eine Studienplatzfinanzierung voraussetzen würde, die Kosten eines Studienplatzes gut abschätzen zu können. Hier ist aber zu bedenken, dass Studienrichtungen in Sachen Kostenstruktur nicht unterschiedlicher sein könnten. Eher buch- und vorlesungsbasierte Studienrichtungen wie Betriebswirtschaftslehre oder Rechtswissenschaften können aufgrund von Skaleneffekten zu weitaus günstigeren Kosten – vor allem beim Personal – durchgeführt werden, als etwa technisch-naturwissenschaftliche Studienrichtungen, die etwa wegen begrenzter Laborkapazitäten in kleineren Gruppen geführt werden müssen.

Die Gefahr besteht – und an den Fachhochschulen weiß man, dass diese Gefahr nicht unbegründet ist –, dass manche Studienplätze zu hoch gefördert werden, währende andere – vor allem technische – Studienplätze krass unterfinanziert sind. Wollte man daher als Hochschulmanager möglichst den Zuschussbedarf klein halten oder gar in die Nähe der Gewinnzone kommen, bräuchte man bloß die teuren und kleinteiligen technischen Studienrichtungen zugunsten großer Kohorten an BWL-Studierenden aufgeben. Ein kluges Normkostenmodell für die Studienplatzfinanzierung sollte daher für technisch-naturwissenschaftliche Studienplätze einen kräftigen Aufschlag vorsehen.

Letztlich sollte in einem größer gedachten Hochschulplan auch daran gedacht werden, Hochschulstandorte auch thematisch auszudifferenzieren; soll heißen: Österreich ist ein kleines Land und in einem solchen Land braucht es nicht an jedem Hochschulstandort die ganze Bandbreite an Studienrichtungen und Themen. Das Thema »Informatik« etwa überzieht die Republik Österreich vom Bodensee bis zum Neusiedlersee und auch in den benachbarten Ländern wird fleißig um Informatikstudierende geworben. Das ist zwar grundsätzlich – im Bemühen um steigende Studierendenzahlen in MINT-Fächern – positiv, ob es wirtschaftlich ist, darf eher bezweifelt werden. Die Industriellenvereinigung ist unlängst mit demselben Tenor in die Öffentlichkeit gegangen: Wer Theologie studieren wolle, solle eben nach Wien gehen.

Schlussbemerkungen

Mein Beitrag erhebt keinesfalls den Anspruch, neue und noch nie gehörte Wundermittel und Kochrezepte aufzuzählen. Vieles von dem, was ich anspreche, ist im Hochschulsektor gut bekannt und gesicherte Position zahlreicher Rats- und Beratungsgremien (siehe die Zitate in meinem Essay). Meiner Einschätzung nach ist aber das Bewusstsein in der Bevölkerung und bei politischen Entscheidungsträgern über die Wichtigkeit und Probleme des Hochschulsektors eher schwach ausgeprägt und es werden hochschulpolitische Entscheidungen mitunter stärker an regional- als an wissenschaftspolitischen Kriterien orientiert.
Wer sich weiter entwickeln will, und zu den Besten gehören will, muss auch bereit sein, ein höheres Risiko einzugehen, was bedeutet, dass dies auch ein höheres Risiko für Fehlentscheidungen umfasst. Der Forschungs-, Innovations- und Wissenschaftsstandort Österreich ist jedenfalls besser aufgestellt, als es der Essay im letzten Fazit erscheinen hat lassen. Darauf wollte ich replizieren. Nicht mehr, und nicht weniger.

Essay, Fazit 110 (März 2015) – Foto: Marion Luttenberger

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