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Die Mode und das Museum oder Die Architektur trägt Prada

| 17. Februar 2016 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 120, Gastkommentar

Foto: Sissi FurglerGastkommentar von Otto Hochreiter Wer nach Mailand fährt, kann in einer Industriegegend hinter einem Bahnhof erfahren, was Mode heute bedeuten kann, kann erfahren, was Architektur jenseits der großen Eitelkeiten heute sein kann und vor allem: was Museum heute sein muss: eine Institution vergleichbar einer zum Stadtraum durchlässigen, empfindlichen Membran, die Schwingungen aufnimmt und selbst Frequenzen an die Gesellschaft aussendet.

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Von Lena Hoschek wissen wir, wie herrlich es sich anfühlt, wenn das Bleibende, das Getreue, aber auch das Sinnliche der Tracht mit dem Wechselnden, dem Vorrübergehenden, mit dem Frivolen der Mode sich verbindet. Dann entsteht etwas Neues, Magnetisches jenseits der gähnenden Langeweile des wohlkalkulierten, nervigen Wechsels der Ärmel- und Rocklängen, der diktatorisch »angesagten« Saisonfarben. Durch Hoscheks Form des Umgangs mit Tradition spüren wir bei Mode wieder das, was sie eigentlich auch auslösen sollte: ein bewegendes Gegenwartsgefühl.

Der künstliche Schein der Mode kann spannende Schatten werfen, hinter der untreuen Maske der Mode kann sich mehr verbergen als rasche Gewinnmaximierung. Mode kann viel mehr sein als das simple Durchsetzen eines uniformen Labels. Als Miuccia Prada gefragt wurde, wie es denn dem Luxus mitten in der Krise gehe, war ihre Antwort, dass die Suche nach Schönheit sich dadurch nicht wesentlich ändern könne. In der Arbeit von Miuccia Prada schließt diese tiefe Sehnsucht nach Schönheit, die auch den Schrecken des Unversöhnbaren unserer Gegenwart in sich trägt, die Ironie nicht aus. Uptown trifft auf Downtown, Celebrity trifft auf Street Style. Der Relativismus der Ironie ist vielleicht eine der Antworten auf die Krise, auch das Nebeneinander von Schönheit und Nichtschönheit, von Hölle und Nichthölle.

Die Bedeutung von Prada liegt darin, dass dieses Imperium des Luxus und der Moden sich nicht davor scheut, Dinge anders zu tun, auch Nicht- Kommerzielles. Da werden Nachbarschaften und Kontraste geschaffen, die atemberaubend sind und Mode wird als Mittel verstanden, den kulturellen und gesellschaftlichen Wandel spüren zu lassen. Den Wandel hin zu individuellem Stil, kreativer persönlicher Mischung, hin zu Kommunikation und »Content«. Prada definiert Mode in einem umfassenden Sinn als individuellen Ausdruck aktueller urbaner Befindlichkeit. Diese »Mode« stellt plötzlich Fragen an den »Zeitgeist« und entwickelt Institutionen, den Mainstream herauszufordern.

Die Fondazione Prada, ein Ensemble von Fragmenten in einer früheren Gin-Fabrik am Südrand von Mailand, ist eine solche Institution. Eines der unglaublichsten neuen Museen, ein neuer Typ des Kunst-Museums, das einen unverwechselbaren Spirit und Charakter hat. Rem Kohlhaas, der Architekt, versteht die Arbeit seines Büros als poetischen Ausdruck von zeitgenössischem Skeptizismus: Das Ernste, Humorlose, Korrekte und Überhöfliche, das High End-Design und das Superkomfortable waren gestern. Stadt aber ist konstante Unruhe, ist Komplexität und Vielfalt. Das Bild der »lebenswerten« Stadt mit ihren von Architektur-Heroen wie Zaha Hadid designten Masterpieces schwankt. Es geht in der Architektur von Rem Kohlhaas vielmehr um Mischungen, um herausfordernde Nachbarschaften und Kontraste zwischen Neu und Alt, Rauheit und Glätte, Geschlossen- und Offenheit. Architektur ist für ihn eine »Maschine zur Erzeugung von Fantasie«. Es geht um Vernetzung statt Wachstum, um Differenzierung anstelle von Neuheit.

Wer eines der vergoldeten Fabrikgebäude sieht, weiß, dass auch Humor und Ironie treibende Kräfte der Fondazione Prada waren. Und wer in dem unfassbar gemütlichen Cafe auf dem Areal der Fondazione Artpeople und Einheimischen zuschaut, ahnt, was es heute heißt, wirklich Stil zu haben. Jedenfalls nicht, möglichst viele Pradateile zu besitzen.

Otto Hochreiter ist seit 2005 Direktor des Graz-Museums, das 2014 »European Museum of the Year Award Nominee« war. Seit 2013 ist er Finanzvorstand des Österreichkomitees des Internationalen Museumsrats ICOM. Er lehrte u. a. an Universitäten in Karlsruhe, Innsbruck, Krems und an der Angewandten in Wien. Aktuell arbeitet er an der Ausstellung »Die Hölle der Lebenden«.

Sie erreichen den Autor unter
grazmuseum@stadt.graz.at

Gastkommentar, Fazit 120 (März 2016) – Foto: Sissi Furgler

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