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Grenzen der Kunst

| 4. Juli 2016 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 124, Kunst und Kultur

Illustration: Christian Polansek/Kulturinstitut Graz

Die Grenzen der Kunst sind übrigens exakt so zu bestimmen: Aus künstlerischer Perspektive darf die Kunst tatsächlich alles, ohne Einschränkung. Aus rechtlicher Perspektive darf sie genau das, was die Gesetze zulassen. Und aus moralischer Perspektive, was die Moral erlaubt … Diese drei Perspektiven können nicht auf einer Metaebene miteinander versöhnt, sondern nur gegeneinander durchgesetzt werden.

::: Text von Michael Bärnthaler
::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Jordan Castro schreibt in einem Gedicht in Young Americans: »Art can just be like, the things I make for myself or my friends or whatever.« Damit ist ein wesentlicher Aspekt von Kunst angesprochen: Kunst ist freie Produktivität, freies Produzieren, Hervorbringen von Dingen, Kunstwerken. Freiheit wiederum bedeutet nicht die Abwesenheit von Grenzen, sondern vielmehr die Möglichkeit, sie zu überschreiten (oder auch nicht). Insofern gibt es in der Kunst sowohl Grenzen als auch Freiheit.

Die Grenzen in der Kunst sind jedoch nicht Grenzen der Kunst – und zwar deshalb, weil sie keine Grenzen des Dürfens sind.

Wie gesagt: Aus künstlerischer Perspektive darf die Kunst alles, ohne Einschränkung. Es gibt keine künstlerisch-ästhetischen Grenzen der Kunst, nur – überschreitbare und regelmäßig überschrittene Grenzen – in der Kunst. Wenn von Grenzen der Kunst die Rede sein soll, so müssen dies Grenzen des Dürfens sein, mithin rechtliche oder moralisch-ethische Grenzen. Solche Grenzen existieren zweifellos, sie entspringen jedoch einer ganz anderen Perspektive, nicht der ästhetischen Perspektive. Sie werden von außen an ein Kunstwerk herangetragen und mitunter gegen ästhetische Ansprüche durchgesetzt. Das ist vollkommen legitim, ja notwendig. Man sollte sich nur im Klaren darüber sein, dass hier stets eine – rechtliche oder moralische – Sichtweise gegen eine andere – ästhetische – Sichtweise durchgesetzt wird.

Ein Kunstwerk kann also unter verschiedenen Gesichtspunkten bewertet werden: Aus ästhetischer Perspektive fungieren ästhetische Erwägungen als letzter Maßstab; ethische und andere Aspekte sind zwar nicht auszublenden, vielmehr sogar in die Betrachtung zu integrieren, sie sind jedoch letztlich nur von untergeordneter Bedeutung. Umgekehrt bilden, wenn ein Kunstwerk aus rechtlicher oder moralischer Perspektive beurteilt werden soll, gewisse rechtliche oder moralische Kriterien die letzte Instanz, welcher ästhetische Fragen systematisch unterzuordnen sind. Es gibt hier keine endgültige Versöhnung, nur hin und wieder einen wie immer gearteten Kompromiss.

Alles Kultur, Fazit 124 (Juli 2016) – Illustration: Christian Polansek/Kulturinstitut Graz

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