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Wie lange werden wir den Wahnsissmus noch ertragen?

| 1. August 2016 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 125

Lann Hornscheidt wurde im Jahr 1965 als Antje Hornscheidt im bundesdeutschen Velbert geboren. Seit unbestimmter Zeit nennt sich Hornscheidt nicht mehr Antje, sondern Lann und möchte sich keinem Geschlecht zugeordnet sehen. Das ist nach meinem bescheidenen Dafürhalten jedenfalls das gute Recht von Lann Hornscheidt, wir leben ja nicht umsonst in einer freien, demokratischen Welt, in der jeder so leben soll und darf, wie er es möchte. Ich respektiere das vorbehaltslos.

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Nun habe ich ein Gespräch zwischen Lann Hornscheidt und den Journalisten Andreas Lebert und Katrin Zeug in der »Zeit« gelesen. (zeit.de). Darin sagt Hornscheidt über die Einteilung der Menschen in Mann und Frau folgendes: »Es [das Geschlecht] ist eine Erfindung von Sexismus. Bei Rasse würden alle sagen: Die Rasseneinteilung gibt es nur, weil es Rassismus gibt. Keine Person sagt das bei Frauen und Männern, aber diese Unterteilung gibt es auch nur, weil es Sexismus gibt.« Den Zeitredakteuren ist diese Aussage offenbar vollkommen sinnvoll und logisch erschienen; ich persönlich hätte hier schon einiges an Potential für eine Nachfrage gesehen. Ähnlich, wenn mir jemand gegenüber behauptet, die Sonne drehe sich um die Erde. Dass die Erde keine Scheibe ist, kann jeder etwa bei einem Flug selbst überprüfen; was sich jetzt um wen dreht, kann jetzt jeder Einzelne vielleicht nicht sofort »beweisen«, aber hier gibt es doch schon recht lange eine herrschende Lehre. Wie eben auch über die Bipolarität aller bekannten Lebewesen, mit nur die Regel bestätigenden vereinzelten Sonderformen. Weiters behauptet Lann Hornscheidt, »ich glaube, es ist eine Frage der Zeit, bis wir bei Geburt kein Geschlecht mehr zugewiesen bekommen«. Dass auch hier nicht der geringste Widerspruch seitens der beiden offenbar auch recht freigeschlechtlichen Geister erfolgte, sondern ein bloßes »Warum«, sei noch angemerkt. Lann Hornscheidt besetzt an der Berliner Humboldt-Universität eine Professur und spinnt diese – ohne Verlaub – kruden Thesen also mit unser aller Geld.

Warum eigentlich gründet Lann Hornscheidt keine eigene Gemeinschaft, auf einer Insel, einem Bauernhof, wo auch immer, wo Lann Hornscheidt mit Gleichgesinnten die Art der Gesellschaft lebt, die Lann Hornscheidt und Gleichgesinnte von Lann Hornscheidt gerne leben wollen? Selbst wenn, was ich bezweifle, diese Lannschen Gesellschaftsvorstellungen, diese Lannsche Gesellschaft also, eine zivilisatorische Weiterentwicklung darstellen würde, also etwas Besseres, würde man das dann sehen, verstehen und die Gesellschaft könnte dem Beispiel folgen.

Aber das machen die Lannschen nicht. Nein, es ist eine weitere Form des Wahnsissmus, der ohne Gefangene zu machen sich ausbreitet und die Gesellschaft so umformen will, so zwingen will, zu einer Gesellschaft zu werden, wie es die Lannschen glauben zu wissen, dass es eine bessere ist.

Und jeder kleine Ortsfunktionär, jeder Landesrat aller unserer Parteien, der gebetsartig Binnen-Is und »Ennen und Enninnen«  bar jeden Gehalts in seine Reden einbaut, hat gar nicht begriffen, wie sehr er (oder sie! Völlig unnötig übrigens, dies in einem geistvollen Text unterzubringen!) zum winzigen Rädchen  des Lannschen Wahnsissmus geworden ist. Und damit Wegbereiter einer Idee ist, die von einer in ihrer quantitativen Gesamtheit vollkommen unwesentlichen Menge an Menschen stammt, einer winzigen Blase also, die aber durch ein pseudowissenschaftliches Nichts an heißer Luft so groß geworden ist, dass sie alle guten Geister langsam verdeckt.

Lann Hornscheidt soll sich fühlen, wie Lann Hornscheidt will. Lann Hornscheidt, würde ich ihm begegnen, soll mir sagen, wie Lann Hornscheidt angesprochen werden will und ich werde Lann Hornscheidt so ansprechen, wie Lann Hornscheidt angesprochen werden will. Also ein Verhalten an den Tag legen, das Menschen wohl schon lange vor der  Aufklärung  an den Tag gelegt haben: verbindlich mit dem Gegenüber umzugehen.

Mein Kind ist, was es ist. Als Mensch empfangen, als Mädchen geboren, zur Frau aufwachsend. Mein nächstes Kind wird wieder sein, was es ist. Und wenn eines meiner Kinder keine Frau ist oder kein Mann, dann ist es eine Laune der Natur. Und ich werde es nicht weniger, vielleicht sogar mehr lieben. Aber das ist eine andere Geschichte. Wie lange werden wir den Wahnsissmus noch ertragen? Wie lange wird die Fähigkeit zur Differenz noch mehrheitlich gesamtgesellschaftlich vorhanden sein? Mir graut vor den Monstern, die der Wahnsinnsmus im Menschen zu wecken droht. Wir waren schon so weit.

Editorial, Fazit 125 (August 2016)

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