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Politicks Oktober 2016

| 23. September 2016 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 126, Politicks

Präsidentschaftswahl
Mit der Verschiebung der Wiederholung der aufgehobenen Stichwahl setzt sich die Pannenserie um die Bundespräsidentschaftswahl fort. Während der defekte Kleber auf den Wahlkartenkuverts weltweit für Erheiterung sorgt, nehmen es die beiden Kandidaten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer zumindest nach außen gelassen hin.

Objektiv ist es ziemlich egal, ob am 2. Oktober oder am 4. Dezember gewählt wird. Was das Parlament reitet, dass es nun die Wählerevidenz ändert, und dies, um den Verfassungsgerichtshof auszuhebeln, mithilfe eines rasch zusammengeschusterten Verfassungsgesetzes tut, steht auf einem anderen Blatt. Als Erstes hat sich die im ersten Wahlgang knapp unterlegene ehemalige OGH-Richterin Irmgard Griss zu Wort gemeldet und klargestellt, dass nun aufgrund der Änderung der Wählerevidenz die gesamte Wahl, also auch der erste Wahlgang, wiederholt werden müsse. Griss wendet aber ein, dass der Trick mit dem Verfassungsgesetz wohl funktionieren wird, da der Verfassungsgerichtshof das Gesetz nicht prüfen könne, weil es sich nicht um eine Gesamtänderung der Verfassung handle. Dennoch steht neuerlicher Unbill ins Haus. FPÖ-Anwalt Dieter Böhmdorfer sät neue Zweifel und will aus dem VfGH-Erkenntnis, mit dem die ursprüngliche Wahl aufgehoben wurde, herausgelesen haben, dass nur derjenige mittels Briefwahl wählen darf, der die Wahlkarte persönlich beantragt. Damit würden die Tausenden Pflegeheimbewohner oder stationäre Spitalspatienten, für die von den Heim- bzw. Spitalsleitungen Wahlkarten beantragt werden, einen neuerlichen Anfechtungsgrund liefern. Norbert Hofer hat die inzwischen aufgehobene Wahl ja nur wegen der zahlreichen Briefwähler, bei denen die beiden Arbeiterparteien FPÖ und SPÖ traditionell schlecht abschneiden, verloren. Am liebsten wäre den Freiheitlichen daher die generelle Abschaffung der Briefwahl und deren Ersatz durch Wahlkarten, die zur Wahl in einem anderen Wahllokal ermächtigen, durch vorgezogene Wahltage, wie sie in der Steiermark seit Jahren üblich sind, bzw. durch fliegende Wahlkommissionen für bettlägerige Wähler. Vor besonderen Herausforderungen stehen übrigens die Sprengelwahlbehörden, weil viele SPÖ- und ÖVP-Funktionäre nicht als Beisitzer an der neuerlichen Präsidentschaftswahl teilnehmen wollen. Die viel schlechter organisierten Freiheitlichen und Grünen waren selbst bei der letzten Stichwahl nur sporadisch in den Wahllokalen anzutreffen. Bis jetzt gehen die Politologen davon aus, dass die Demokratie keinen Schaden wegen des Theaters um die Bundespräsidentenwahl genommen hat. Was allerdings geschehen würde, wenn Norbert Hofer gewinnt, bleibt abzuwarten. Schließlich haben die Van-der-Bellen-Anhänger die Aufhebung aus formellen Gründen nur zähneknirschend zur Kenntnis genommen.

Unmut über Alpbach in »bürgerlichen« Kreisen
Den wachsenden konservativen Unmut über die Öffnung des Diskussionsforums Alpbach für die Sozialdemokratie hat kürzlich des Publizist Michael Hörl im Onlineblog »Fisch und Fleisch« zum Ausdruck gebracht. Franz Fischler fische schon länger in sozialdemokratischen Gewässern und habe das früher bürgerliche »Forum Alpbach« zur SPÖ-Belangsendung umorganisiert, klagt Hörl. Denn kaum ein SPÖ-naher Verein – von den Kinderfreunden bis zur Armutskonferenz – dürfe dort nicht die Ungerechtigkeit des Systems beweinen. Das Forum sei inzwischen klinisch frei von kritischem oder gar bürgerlichem Intellekt.
Ein steirischer Forumsteilnehmer beklagte, dass den dort Anwesenden als wichtigste Antwort auf die Digitalisierung nur mehr Arbeitszeitverkürzung und Wertschöpfungsabgabe einfallen würden. Das sei ein klares Zeichen, dass dort die Arbeiterkammer übernommen habe, obwohl die Wirtschaft zahle.
Der Industriellenvereinigung war diese Öffnung des Forums schon früher ein Dorn im Auge. Als Präsident Fischler die AK in die Wirtschaftsgespräche eingebunden hat, haben die Industriellen das zum Anlass genommen, ihr Alpbach-Engagement auf die Technologiegespräche zu reduzieren.

Die WKO kämpft um Schutzbestimmungen in der Gewerbeordnung
Die Wirtschaftskammer versucht, die Mindestqualifikation bei den 80 reglementierten Gewerben zu erhalten. Eine Meisterprüfung sei ohnehin keine Voraussetzung für einen Gewerbeschein mehr. Es sei für Gründer schon heute möglich, über individuelle Befähigungsnachweise zu zeigen, dass sie entsprechende Tätigkeiten ausüben können, auch ohne Prüfungen ablegen oder einschlägige Schulausbildungen abschließen zu müssen. Andere Möglichkeiten zum Gewerbezugang seien Kombinationen aus Schulausbildung und Praxiszeiten oder nur Praxiszeiten, so die Wirtschaftskammer. Zur von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner initiierten Gewerbeordnungsnovelle hob Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl hervor, dass sich die WKO immer zu einer praxisnahen Regelung bekannt habe. Der nun vorliegende Entwurf mit dem Ziel der Schaffung einer einheitlichen Gewerbeberechtigung könne zu einer Verwaltungsvereinfachung bei der Gewerbeanmeldung führen. Wichtig sei aber, dass die adäquate Zuordnung zu den Kollektivverträgen und Fachorganisationen weiterhin gegeben bleibe. Erfreulich sei, dass die besondere Bedeutung der Lehrlingsausbildung mehrfach hervorgehoben und ein Schwerpunkt auf die Stärkung der Meister- und Befähigungsprüfungen gelegt werde.

Die SPÖ will die Zahl der regulierten Gewerbe halbieren. Sie sieht den Gewerbezugang überreguliert. Vieles in der Gewerbeordnung sei nicht nachvollziehbar. So dürfe etwa jemand, der zwar in der Schule das Schneidern gelernt hat, eine Änderungsschneiderei betreiben, dort aber keine selbst entworfenen Stücke verkaufen, oder ein Nageldesigner dürfe keine Fußnägel lackieren. Eine moderne und zukunftsweisende Novellierung der Gewerbeordnung sei daher dringend umzusetzen.

Ein Hindernis auf dem Weg zum eigenen Unternehmen ortet auch der industrienahe Thinktank Agenda Austria. Aus Sicht der Industrie wäre Österreichs Bevölkerung auch bei deutlich weniger als den über 80 geschützten Gewerben nicht an Leib und Leben gefährdet. Die Forderung nach einer Liberalisierung des Gewerbezugangs wird auch durch Zahlen der OECD untermauert. Demnach kosten die österreichischen Einschränkungen etwa 0,4 Prozent an Wirtschaftswachstum und einige tausend Arbeitsplätze. Ein besonderes Wirtschaftshemmnis stellen übrigens die in Österreich besonders hohen Gründungskosten für Kapitalgesellschaften dar.

Graz: Nagl will Budget mit KPÖ und SPÖ beschließen
Seit wenigen Tagen laufen die Verhandlungen für das Budget 2017 in der steirischen Landeshauptstadt Graz. Die ÖVP will den 1,2-Milliarden-Euro-Haushalt mit der KPÖ und der SPÖ unter Dach und Fach bringen. Bürgermeister Siegfried Nagl sieht kaum Möglichkeiten, auch die Grünen und die Freiheitlichen mit an Bord zu holen. Er habe keine Signale aus dieser Richtung erhalten. Für eine Mehrheit im Gemeinderat würde schon die Zustimmung der KPÖ als zweitstärkste Partei im Grazer Gemeinderat reichen. Falls es zu keiner Einigung kommt, würde Nagl im Mai 2017 wählen lassen. Da sowohl SPÖ als auch KPÖ keine übertriebenen Forderungen angemeldet hätten, glaubt Nagl an eine rasche Einigung. Vizebürgermeisterin Elke Kahr hat anklingen lassen, dass ihre Fraktion zustimmen wird, falls es zu keinen Tariferhöhungen kommt.

Schützenhöfer kritisiert den Reformstillstand im Bund
Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer sieht den Bestand der SPÖ-ÖVP-Bundesregierung nur dann gewährleistet, wenn im Herbst die dringend notwendigen Reformen endlich auf Schiene gebracht werden. Schützenhöfer ortet dringenden Handlungsbedarf bei der Stärkung des Wirtschaftsstandorts, bei der Pflege, der Bildung, der Gesundheit, den Pensionen und auch beim Bürokratieabbau. Was die Positionen an der Spitze der Volkspartei angeht, glaubt Schützenhöfer, dass die Zeit für Sebastian Kurz noch nicht gekommen ist. Er stehe voll hinter Mitterlehner. Das Riesentalent Kurz habe in der ÖVP aber ganz sicher noch eine große Zukunft vor sich.

Mit dem neuen ÖVP-Generalsekretär Werner Amon und Klubobmann Reinhold Lopatka besetzt die Steirische Volkspartei nun zwei Spitzenfunktionen in der ÖVP-Bundespartei. Der 47-jährige Amon war Bundesobmann der Jungen Volkspartei und ist VP-Bezirksparteiobmann in Deutschlandsberg. Die Ernennung von Werner Amon wird als Signal Mitterlehners an Hermann Schützenhöfer gedeutet.

Schickhofer will faire Rahmenbedingungen für Länder und Gemeinden
Die Länder seien wichtige Reformpartner des Bundes und stünden für eine Verwaltungsvereinfachung bereit, erklärte Landeshauptmannstellvertreter Michael Schickhofer zum Auftakt der Landesfinanzreferentenkonferenz, der er turnusmäßig vorsteht. Die Länder erwarten sich vom Bund einen Ausgleich für ihre steigenden Aufwendungen in den Bereichen Pflege, Gesundheit, Soziales, Inklusion und Integration von jährlich 500 Millionen Euro, die in den Finanzausgleich eingebunden werden sollen. Kommunen und Länder brauchen, so Schickhofer, wieder faire Rahmenbedingungen. Schickhofer kann sich diesbezüglich auch eine Neuregelung der Grundsteuer vorstellen.

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Politicks, Fazit 126 (Oktober 2016)

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