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Politicks März 2017

| 22. Februar 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 130, Politicks

Steirische ÖVP: Schützenhöfer tritt noch einmal an
Mit seiner Ankündigung, beim ÖVP-Parteitag noch einmal als Parteichef zu kandidieren, schafft Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer Fakten – auch was seine Nachfolge anlangt. Denn nun ist davon auszugehen, dass Schützenhöfer auch bei der Landtagswahl 2020 als Spitzenkandidat antreten wird, um erst nach weiteren zwei Jahren Platz für seinen Nachfolger zu machen. Im Jahr 2022 schaut ein Generationenwechsel jedoch anders aus als heute. Denn Siegfried Nagl wäre dann 59 Jahre alt, Reinhold Lopatka 62 und Gesundheitslandesrat Christopher Drexler wäre 51.

Bis dahin sind wahrscheinlich auch die Schmerzen der Gesundheitsreform vergessen.  Die würden nämlich wie auch der nachhaltige Erfolg eines reformierten Gesundheitswesens Christopher Drexler  zugeschrieben werden.

Schützenhöfers neuerliche Kandidatur am ÖVP-Parteitag ist daher auch als sein indirektes Bekenntnis zu Christopher Drexler als Wunschnachfolger zu werten.   

Graz-Wahl: Nagl räumt ab
Der Sieg der Grazer ÖVP trägt eindeutig die Handschrift von Bürgermeister Siegfried Nagl. Während die Halbwertszeit in der Politik kürzer und kürzer wird und sich die Kommentatoren eigentlich darin einig waren, dass mit Erwin Pröll und Michael Häupl die letzten Langzeitpolitiker gerade dabei sind, das Feld zu räumen, beweist Nagl, dass ein Politiker die persönliche Abnützungsphase überwinden kann, wenn es ihm nur gelingt, den Wählern Aufrichtigkeit, Kompetenz und Sympathie zu vermitteln. Denn nachdem er bei der Gemeinderatswahl im Jahr 2012 mehrere Prozentpunkte eingebüßt hatte, schien auch für Nagl die Phase der persönlichen Götterdämmerung eingeläutet.

Dass er nun beinahe an sein Rekordergebnis von 2012 anschließen konnte, ist auch das Ergebnis einer inhaltlichen Weiterentwicklung. Nagl schaffte es, sein Profil vom biederen bürgerlichen Herrengassenkaufmann, der offenbar Probleme damit hatte, schwulen und lesbischen Paaren seinen Segen zu geben, sowohl nach links als auch nach rechts zu erweitern. Inzwischen gilt Nagl als weltoffener Großstädter, der sich den Herausforderungen eines wachsenden Ballungsraumes, zu denen auch die Zuwanderung aus kaum kompatiblen Kulturkreisen gehört, erfolgreich stellt. Nagl hat von überall her dazugewonnen.

Mit seinem Bekenntnis zur Integration fordert und fördert er die Zuwanderer gleichermaßen. Als Katalysator seines Wahlerfolgs hat sich übrigens die tragische Amokfahrt von vor zwei Jahren erwiesen. Nagl ging einer traumatisierten Grazer Bevölkerung mit viel Mitgefühl voran. Anstelle Hass zu säen – schließlich handelte es sich beim Amokfahrer um einen moslemischen bosnischen Migranten – gelang es ihm, die Wunden, die in der Gesellschaft aufgerissen wurden, zum Heilen zu bringen.

Vor diesem Hintergrund haben die Grazerinnen und Grazer richtig gewählt. Sie haben ihr Vertrauen jemanden gegeben, der gezeigt hat, dass er das Miteinander lebt und wohl tatsächlich die Menschen mag.

Graz-Wahl: Die guten Karten des Mario Eustacchio
So sehr der Wahlsieg der geschundenen Volkspartei gut getan hat, so wenig dürfte sich dadurch die Position der Grazer ÖVP optimiert haben. Nagls eigentliches Wahlziel war es nämlich, seine Optionen für Zweierkoalitionen deutlich zu verbessern. Am liebsten hätte er sich seinen Regierungspartner aus SPÖ, FPÖ und Grünen ausgesucht. Die Kommunisten hatte er ja von vornherein als Koalitionspartner ausgeschlossen. Doch ausgerechnet die KPÖ hat der ÖVP einen Strich durch die Rechnung gemacht. Anstatt die potenziellen Partner in den Koalitionsverhandlungen gegeneinander ausspielen zu können und bei ihren Forderungen nach unten zu lizitieren, ist Nagl nun nur die ungeliebte FPÖ als Partner für eine Zweierkoalition übrig geblieben.

Daher könnte Mario Eustacchio, obwohl er mit der Grazer FPÖ meilenweit von den Ergebnissen der Blauen bei Nationalrats- oder Landtagswahlen entfernt ist, als eigentlicher Gewinner aus der Gemeinderatswahl hervorgehen. Die FPÖ wird von Nagl eine massive Änderung bei der Integrationspolitik fordern – etwa was die Vergabe von Gemeindewohnungen an Migranten betrifft. Was hingegen die Bekämpfung der Ausländerkriminalität – etwa bei Bandendelikten oder dem Drogenhandel – anlangt, wird sich die FPÖ rasch mit der ÖVP einig werden. Und bezüglich der Ressortaufteilung wird die Volkspartei wohl bereit sein, Eustacchio zum Vizebürgermeister zu machen. Der FPÖ-Chef hat übrigens schon seinen Wunsch auf das Wohnungsressort angemeldet.

Bürgermeister Nagl versucht zwar, neben Schwarzblau auch Schwarzgrünrot als Option auszuloten, aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass die inhaltliche Schnittmenge zwischen ÖVP und Grünen wohl nicht ausreichen dürfte. Außerdem hat Michael Schickhofer dem Grazer SPÖ-Chef Michael Ehmann bereits ausgerichtet, dass er sich dessen Gang in die Opposition erwartet.

Graz-Wahl: SPÖ-Niederlagezementiert Landeskoalition
Ging man bis zum Grazer Wahltag noch davon aus, dass eine schwere SPÖ-Niederlage bei der Grazer Gemeinderatswahl auch den Bestand der Landeskoalition zwischen ÖVP und SPÖ gefährden könnte, so schaut das nach der Wahl auf einmal ganz anders aus. Denn wenn sich LH-Vize Michael Schickhofer derzeit etwas gar nicht leisten kann, dann sind das vorgezogene Landtagswahlen. Theoretisch bestünde für die SPÖ zwar die Möglichkeit zu einem fliegenden Koalitionswechsel von der ÖVP zur FPÖ, doch nicht nur die SPÖ-internen Widerstände wären immens und auch für die FPÖ gäbe es in dieser Konstellation nur wenig zu gewinnen. Schließlich kann sich die FPÖ in ihrer komfortablen Oppositionsposition wesentlich besser auf die nächste Landtagswahl vorbereiten als in Regierungsverantwortung. Sollte die steirische Regierungskoalition tatsächlich scheitern, hat sich die Ausgangslage für die Volkspartei durch die Grazer Wahl jedenfalls verbessert. Denn neben Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und Gesundheitslandesrat Christopher Drexler stünde mit Siegfried Nagl auf einmal ein weiterer potenzieller ÖVP-Spitzenkandidat zur Verfügung – noch dazu einer, der kurzfristig auch das Momentum auf seiner Seite hätte.

Graz-Wahl: SPÖ und Grüne zerbrechen an starker KPÖ
Dass die Grazer SPÖ mit Michael Ehmann als Spitzenkandidat nicht einmal den Sprung in den Stadtsenat schafft, ist dramatisch. Für Bundeskanzler Christian Kern bestätigt die Graz-Wahl, dass auch die SPÖ ins Bodenlose fallen kann. Kern sieht in Siegfried Nagl aber ebenso ein Symbol dafür, dass es in Zeiten des volatilen Wählerwillens sehr viel zu gewinnen gibt und dass die Karten vor jeder Wahl völlig neu gemischt werden. Dennoch ist die SPÖ in anderen Städten und Regionen bei weitem nicht so absturzgefährdet wie in Graz. Das liegt weniger an ihrer Performance, sondern an den Kommunisten. Der Grazer KPÖ ist nun bereits zum wiederholten Male gelungen, bis weit in jene Bobo-Schichten vorzudringen, denen die Millionen Mordopfer, welche die Kommunisten zu verantworten haben, entweder egal sind oder denen schlicht und einfach der historische Hintergrund fehlt.

Eine mögliche Ursache für die Grazer KPÖ-Erfolge könnte neben der hohen Glaubwürdigkeit der Spitzenkandidatin Elke Kahr darin liegen, dass es sowohl bei der SPÖ als auch bei den Grünen längst zum guten Ton gehört, den linken Terror und linke Diktaturen zu verharmlosen und stattdessen ausschließlich die Gefahr, die von Rechten ausgeht, zu polemisieren. Die KPÖ war jahrzehntelang treuer Vasall der stalinistischen KPdSU-Mörder. Sie als ganz normale demokratische Partei zu behandeln, ist so, als ob es völlig in Ordnung wäre, dass eine Nazi-Partei bei einer Kommunalwahl auf den zweiten Platz kommt, nur weil dem Spitzenkandidat persönlich keine Morde nachzuweisen sind oder er eine gute Wohnpolitik macht.

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Politicks, Fazit 130 (März 2017)

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