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Doppelstaatsbürgerschaften bedrohen den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft

| 30. März 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 131

Ich bin von der tiefen Überzeugung geprägt, kein Staat soll sich in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates einmischen. Den von Ihnen jetzt vielleicht gedachten Einwand, was ist dann bei Menschenrechtsverletzungen oder anderen Greueln, die in einem fremden Land passieren könnten, darf ich damit entkräften, dass natürlich jede gute Regel ihre Ausnahmen kennt. Dass solche Situationen aber jedesmal einer Einzelfallbeurteilung unterliegen müssen bzw. dass es für eine Einmischung – für demokratische Staaten unseren Zuschnitts – eine gemeinsame Abstimmung der Vereinten Nationen bedarf.

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Und ich meine, dass Wahlkämpfe eines Staates nicht anderswo geführt werden sollen. Dadurch habe ich schon seit Jahren kein gutes Gefühl dabei, wenn ich in unseren Innenstädten Aufmärsche erlebe, wo Migranten für oder gegen was auch immer in ihren Ländern demonstrieren. Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch, natürlich ist es Recht jedes in Österreich lebenden Menschen, noch viel mehr jedes österreichischen Staatsbürgers – und damit selbstverständlich auch solcher mit Migrationshintergrund – für was auch immer auf die Straße zu gehen. Wünschenswert finde ich es nicht. In meiner idealen Welt wäre eine Diskussion über Zustände in fremden Staaten auf Diskussionzirkel, Meinungsforen und persönliche Gespräche beschränkt.

Schon in den Neunzigerjahren des letzten Jahrhunderts war ich gegen Doppelstaatsbürgerschaften. Und mit mir unlinke Parteien, nicht weil ich oder diese Parteien böse sind, nicht weil wir unseren neuen Mitbürgern Hürden auferlegen wollten, sondern weil damals schon absehbar war, dass Doppelstaatsbürgerschaften als Massenphänomen zu diesen heute offensichtlichen Identifikationsproblemen unserer zum Teil schon in dritter Generation hier lebenden Mitbürger führen mussten.

In der Diskussionssendung »Talk im Hangar 7« hat ein sympathischer junger Mann in tiefem Wienerisch erzählt, er fühle sich zu 100 Prozent als Österreicher, aber auch zu 100 Prozent als Türke. Wer so empfindet, hat entweder ein Problem mit der Prozentrechnung oder ist sich seiner gespaltenen Persönlichkeit gar nicht bewusst. Es geht nicht darum, dass jemand seine Wurzeln vergessen muss, dass Menschen ihre Herkunft oder die Heimat ihrer Vorfahren verleugnen, es geht darum, dass diese Menschen, zuerst einmal selbstverständlich Österreicher sind. Und den Rucksack der persönlichen Familiengeschichte, den ja auch jeder schon seit Generationen hier Lebende zu tragen hat, mit Stolz als Salz in der Suppe ihrer nun eben österreichischen Identität bewahren sollen. Was aber haben wir jetzt? Kurden demonstrieren in der Grazer Herrengasse gegen die Behandlung ihrer Familien und ihres Volkes in der Türkei. Türkische Politiker schwingen in zahlreichen EU-Staaten vor Wahlen in der Türkei Reden in immer größer werdenden Hallen. Der Wahlkampf um das aktuelle Referendum, die Türkei in eine Präsidialdemokratur zu verwandeln, führte zu ungeheuren Spannungen zwischen der Türkei und der EU. Was nur zu einer noch viel größeren Zerrissenheit unserer österreichischen (illegalen übrigens) oder bundesdeutschen (legal, leider) Mitbürger türkischer Herkunft mit Doppelpass führen muss. Zudem gewinnt diese missliche Situation an gefährlicher Dynamik, seitdem Erdogan immer entrückter agiert und in ihrer Frechheit nicht zu überbietende Nazivergleiche über zahlreiche europäischen Staaten zieht. »Macht nicht drei, sondern fünf Kinder, denn ihr seid die Zukunft Europas«, rief er seinen Landsleuten bei uns aus der Stadt Eskisehir zu, um nur wenige Tage in Ankara zu verschärfen: »Wenn sie sich weiterhin so verhalten, dann wird morgen weltweit kein Europäer, kein Bürger des Westens in Sicherheit und Frieden die Straßen betreten können. Wenn sie diesen gefährlichen Weg weitergehen, werden sie großen Schaden erleiden.« Zeitgleich mit dem aktuellen Anschlag in London.

Die Situation in der Türkei ist mehr als besorgniserregend; aber es ist Sache der Türken, dies auszustehen, den Verlockungen der Diktatur eines starken Mannes am Bosporus zu widerstehen. Unsere türkischstämmigen Mitbürger sollen mitfiebern. Aber im Bewusstsein, dass es sich um die Angelegenheit eines anderen Staates handelt. Und diese Konflikte nicht hier ausleben. Wenn dieser gefährliche Weg weitergegangen wird, werden wir alle großen Schaden erleiden!

Editorial, Fazit 131 (April 2017)

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