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Linke und rechte Demokraten müssen wieder respektvoll diskutieren

| 29. Juni 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Editorial, Fazit 134

Mit Helmut Kohl ist ein großer Europäer, einer der wirkungsmächtigsten europäischen Politiker gestorben. Die Ungerechtigkeit der Geschichte, die den Kanzler der deutschen Einheit nie mit dem Friedensnobelpreis auszeichnen ließ, hat sich durch die notwendige Neubewertung dieses Preises, der mittlerweile an US-Präsidenten in den ersten Wochen ihrer Wirkungsperiode oder auch an supranationale Institutionen vergeben wurde, bereits relativiert.

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Die innerdeutsche von Hass und Häme geprägte Kritik an Helmut Kohl gibt es über seinen Tod hinaus. Niemand muss diesen Mann verehren, niemand muss ihm zugetan sein oder ihn so schätzen, wie ich es etwa tue. Eine Selbstverständlichkeit in einer freien Welt, ich erwähne es trotzdem. Weil ich eines zumindest schon – ebenfalls in einer freien Welt – erwartet hätte, nämlich wenigstens Respekt um die Stunde seines Todes. Weit gefehlt. Die Berliner Tageszeitung (Taz) hat mit einer in ihrer Geschmacklosigkeit nicht zu überbietenden Titelseite auf das Ableben des Altkanzlers reagiert. Natürlich gab es am darauffolgenden Tag eine lauwarme Entschuldigung seitens des Chefredakteurs  Georg Löwitsch und im Grunde soll man das auch auf sich beruhen lassen, ich spreche es aber heute an, weil es für mich ein weiteres Beispiel darstellt, wie wir das Klima in unserer Gesellschaft immer schlimmer werden lassen. Wie – verzeihen Sie mir den Pathos – wir die Gräben zwischen den politischen Lagern immer tiefer werden lassen. Wohin soll das führen? Und wie können demokratisch gesinnte Bürger – wie Sie und ich – agieren (oder wenigstens reagieren), damit hier eine Umkehr hin zur Vernunft stattfindet?

Ich merke das natürlich auch in meinem virtuellen – auf Facebook oder Twitter – »Freundeskreis«. Der Ton wird rauher, »Blocken« – das bewusste Verhindern der Kommunikation via sozialer Netzwerke durch einen von zwei Beteiligten – wird immer mehr zum alltäglichen Ereignis. Auch besorgniserregend empfinde ich die immer mehr werdenden, zensurnahen Situationen auf Twitter und Facebook durch Druck der mit immensen (vor allem bundesdeutschen) Steuermitteln ausgestatteten »Gegen-Rechts-und-gegen-Hatespeech-Organisationen«. Diese beeinflussen übrigens sprachraumweit, zudem rüstet die Bundesregierung in Wien auf diesem Feld gerade nach. Und naturgemäß betrifft diese Zensur (getragen vom »Kampf gegen rechts«) beinahe ausschließlich rechte Positionen bzw. solche, die als »rechts« ist gleich »rechtsextrem« diffamiert werden.

Natürlich kann man sich auf den Standpunkt zurückziehen, Organisationen wie Twitter und Facebook verfügen über eine Art »Hausrecht« und dürfen autonom entscheiden, wen sie warum von der Teilhabe ausschließen. Nur läßt diese Sicht außer Acht, dass die monopolgleiche Marktposition von Facebook (in Europa und Nordamerika) dann »unliebsame Meinungen« einfach verschwinden lassen kann.

Das sollten wir Demokraten so nicht zulassen und vor allem nicht einfach dabei zusehen. Ich denke wirklich, dass es notwendig ist, dass wir Proponenten unterschiedlicher politischer Lager, wieder stärker untereinander ins Gespräch kommen müssen. Dazu möchte ich noch ein Beispiel aus den letzten Tagen anführen, da hat es nämlich in der Presse einen Leitartikel von Gerhard Hofer mit dem Titel »Für Eigenverantwortung ist kein Platz im rot-weiß-roten Sozialstaat« gegeben, der auch sozialstaatskritische Aspekte beleuchtete. Ich hatte den Text noch gar nicht gelesen, wurde mir dieser schon zigmal als »unterste Schublade«, »asozialer Wahnsinn« oder »die Presse wieder einmal gegen die Ärmsten« sozusagen antibeworben.

Dieser Kommentar, ich habe ihn mittlerweile nachgelesen, mag viel sein, aber »asozialer Wahnsinn« oder »unterste Schublade« ist er ganz sicher nicht. Wenn ein solcher Text nicht mehr als Basis einer Diskussion – da kann man dann ja herzhaft dafür oder eben auch dagegen sein – herhalten kann oder sogar darf, dann wird es mit dem sinnvollen Meinungsaustausch als Basis für einen daraus resultierenden  Meinungswettstreit (der in Wahlen münden kann) bald vorbei sein. Übrigens geht diese Diskussionsverweigerung selbstverständlich nicht nur von linker Seite aus, aber die »Alternativlosigkeit« einer Position als Dogma einzumauern, das erscheint mir vor allem von dort zu kommen. Und brandgefährlich zu sein.

Editorial, Fazit 134 (Juli 2017)

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