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Politicks Juli 2017

| 29. Juni 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 134, Politicks

Was haben Kurz und Macron gemeinsam?
Was machen Emmanuel Macron und Sebastian Kurz so völlig anders als ihre Vorgänger? Ein steirischer Polit-Pressesprecher hat es mit den Worten »Beide reiten nicht länger auf einer toten Kuh« auf den Punkt gebracht. Damit hat er gemeint, dass sowohl für Macron als auch für Kurz der klassische Politapparat zur Belastung geworden ist, die sie am Erfolg hindert. Als Wahlkampfvehikel ist eine Partei, die sämtliche von ihr vertretenen Partikularinteressen in den internen Strukturen abbilden muss, alles andere als gut geeignet. Volksparteien können wegen ihrer vielen Mitglieder bei der Mobilisierung hilfreich sein. Wie man gerade bei Christian Kern beobachten kann, der einen unglaublichen SPÖ-internen Eiertanz aufführen muss, um endlich von der ÖVP zur FPÖ als Koalitionspartner wechseln zu können, sind sie nicht gerade hilfreich, wenn es darum geht, erforderliche strategische Neuausrichtungen vorzunehmen.

Bei der ÖVP kommt dazu ihr komplizierter parteiinterner Interessenausgleich zwischen den ständisch organisierten Bünden und den Bundesländern, der zu einer Killermaschine für Parteiobmänner wurde. Dass Sebastian Kurz dennoch nicht auf die ÖVP verzichten kann, um Bundeskanzler zu werden, hat andere Gründe. Zum einen will er im Dreikampf mit Christian Kern und Heinz-Christian Strache so viele verbliebene ÖVP-Anhänger wie möglich mitnehmen. Zum anderen weiß Kurz, dass die ÖVP in den Bundesländern nach wie vor hervorragend mobilisieren kann. Außerdem kann er im Wahlkampf nicht auf das Geld der ÖVP verzichten, mit dem er einen teuren Wahlkampf finanzieren muss.

Kurz, Kern, Strache – der Dreikampf hat begonnen
Anders als der klassisch linksliberale Christian Kern wird Kurz als konservativ und wirtschaftsliberal wahrgenommen. Die SPÖ tut zwar alles, um Kurz vom konservativen in das rechtspopulistische Eck zu stellen, bisher gelingt ihr das jedoch nicht. Denn wie an einer Teflonpfanne bleibt an Kurz derzeit nichts kleben – weder die Idee, die Mittelmehrflüchtlinge zurück nach Afrika zu senden, noch seine Forderung, den islamischen Kindergärten in Österreich durch höhere Qualitätsstandards die Förderungen zu entziehen.
Daher hoffen sowohl SPÖ als auch FPÖ darauf, dass sich selbst das widerstandsfähigste Teflon bei extremer Hitzeeinwirkung irgendwann ablöst. Doch Kurz hat ein simples Rezept. Er bleibt sich selbst treu und sagt auch im Wahlkampf nur das, was er schon immer gesagt hat: Er will die Migration in das Sozialsystem stoppen und Asyl und Zuwanderung auseinanderhalten. Damit vertritt er zwar die gleiche Position wie SPÖ-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil oder der Bundeskanzler. Gegenüber ihrem linken Flügel konterkariert sich die SPÖ-Spitze jedoch ständig selbst, indem sie eine Zuwanderung in das Sozialsystem generell bestreitet und entsprechende Vorhaltungen in ein politisch inkorrektes Licht schiebt. Damit schwächt sie natürlich auch die Glaubwürdigkeit des Bundeskanzlers und des Verteidigungsministers. Mit seiner klaren Forderung nach einer Schließung der EU-Außengrenzen und einer Begrenzung der Migration wildert Kurz aber auch bei der FPÖ. Denn selbst wenn sich die Positionen von HC Strache und Sebastian Kurz immer öfter ähneln und die FPÖ zu Recht die Urheberschaft für sich beansprucht, dürften viele Wähler, bei ähnlichen Positionen, lieber die ÖVP oder die SPÖ wählen als die FPÖ. Denn bei Kurz und Kern dürfen sie drauf vertrauen, dass die Argumentation weder rassistisch noch diskriminierend motiviert ist.

Steiermark – zwei Jahre »Zukunftspartnerschaft«
Nach der »Reformpartnerschaft« zwischen 2010 und 2015, die in der Gemeindestrukturreform und einer Reform der Landesverwaltung ihren Höhepunkt hatte, fanden SPÖ und ÖVP nach der Landtagswahl 2015 unter Landeshauptmann Herman Schützenhöfer als »Zukunftspartnerschaft« abermals zusammen. Die SPÖ-ÖVP-Koalition ist nun seit zwei Jahren im Amt und legte aus diesem Anlass unter dem Motto »Gemeinsam die Steiermark voranbringen« in einer Pressekonferenz eine Zwischenbilanz vor. Schützenhöfer appellierte an alle Beteiligten, darauf zu achten, dass die Reformfreudigkeit nicht verloren geht. Landeshauptmannstellvertreter Michael Schickhofer bekräftigte diesen Appell mit dem Bekenntnis, seine Energie auch in Zukunft nicht für irgendwelche Spielchen aufzubrauchen, sondern gemeinsam die Steiermark voranzubringen.

Während SPÖ und ÖVP die Erfolge der Koalition hervorheben, sieht das die Opposition naturgemäß völlig anders. Lambert Schönleitner von den Grünen kritisiert den Stillstand bei der Raumordnung. Auch das Regionalpolitikgesetz, mit dem etwa die sieben Großregionen des Landes finanziell dotiert werden sollen, sei noch nicht auf dem Weg. Die FPÖ sieht hingegen das Scheitern der Koalition in ihrem »Budget,- Asyl- und Mindestsicherungschaos« versinnbildlicht. Für FPÖ-Klubobmann Mario Kunasek bildet nur der Machterhalt die Basis für diese Koalition. Claudia Klimt-Weithaler von der KPÖ hält der Regierung hingegen die »explodierenden Pflegekosten am gewinnorientierten, privaten Sektor« sowie die aus ihrer Sicht durch die Spitalsreform gefährdete Versorgungssicherheit im Gesundheitsbereich vor.

Spitalsreform: Die neue Struktur der Spitalslandschaft steht
Als größtes Reformvorhaben steht die Gesundheitsreform an, bei der beinahe 800 Spitalsbetten wegfallen sollen, ohne dass es zu qualitativen Einbußen bei der Gesundheitsversorgung kommt. Erreichen will das Gesundheitslandesrat Christopher Drexler durch eine Bündelung der Kräfte in den einzelnen Standorten und durch die Verlegung von Abteilungen. Die befürchteten weiteren Spitalsschließungen sind jedenfalls kein Thema mehr. Nur im Bezirk Liezen steht eine Konzentration der drei Spitäler in Rottenmann, Bad Aussee und Schladming an einem Standort »zwischen Liezen und Trautenfels« auf dem Plan. Um den Wegfall der vielen Betten abzufedern, soll der niedergelassene Bereich gestärkt und durch sogenannte Primärversorgungszentren, in denen mehrere Ärzte, ergänzt um medizinisches Fachpersonal, zur Verfügung stehen, aufgewertet werden. Dabei ist allerdings noch nicht klar, ob es tatsächlich auch mehr Kassenverträge für niedergelassene Allgemeinmediziner und Fachärzte geben wird. Mit den bisherigen Kassenstellen könnten die Primärversorgungszentren nämlich nur zu Lasten der Einzelordinationen mit Vertragsärzten besetzt werden. Drexler kann sich mit seinen Plänen natürlich nur die im Rahmen der engen bundesgesetzlichen Bedingungen bewegen. Bis jetzt sind jedenfalls sämtliche Verantwortungsträger von der Politik, über die Sozialpartner, die Krankenkassen und die Ärztekammer an Bord geblieben. Und da der wesentlichste Eckpfeiler der Gesundheitsreform, der »regionale Strukturplan 2025«, schon demnächst im Landtag beschlossen werden soll, ist auch nicht mehr mit einem Absprung einer der beteiligten Institutionen zu rechnen.

Macron setzt auf Reformen und europäische Solidarität
Der neue französische Staatspräsident Emmanuel Macron ist von den französischen Wählern mit einer absoluten Parlamentsmehrheit ausgestattet worden. Dadurch ist seine Partei »La République en Marche« nun politisch tatsächlich in der Lage, jene Reformen durchzusetzen, die er vor der Wahl versprochen hat.

Das nimmt jener »Allianz des Vertrauens mit Deutschland«, für die sich Macron ausgesprochen hat, aber nichts von ihrem Schrecken, denn der Präsident räumt zwar auch nach dem Erfolg seiner Partei bei den Parlamentswahlen immer noch ein, dass Frankreich grundlegende Reformen benötigt. Er ergänzte seine Ankündigung jedoch um ein weiteres Statement: »Die Stärke der einen darf sich nicht aus den Schwächen der anderen speisen. Deutschland stellt heute fest, dass diese Situation nicht haltbar ist.« Damit bleibt Macrons Forderung nach mehr Solidarität in der Eurozone aufrecht. Dass damit nur die Haftung von weniger hoch verschuldeten Staaten für die höher verschuldeten Länder gemeint sein kann, liegt auf der Hand. So gibt es auch in Zukunft keine ausreichenden Anreize für den europäischen Süden, die Staatshaushalte aus eigener Kraft in Ordnung zu bringen.

Die mächtige französische Einzelgewerkschaft CGT hat übrigens bereits ihren erbitterten Widerstand angekündigt. Sollte Macron irgendwelche Versuche unternehmen, das als wachstumsfeindlich und weltfremd eingeschätzte französische Arbeitsrecht, das mit seinem umfassenden Kündigungsschutz das Entstehen neuer Jobs seit Jahren nachhaltig verhindert, zu lockern oder auszuhebeln, werde kein Weg an einem unbefristeten Generalstreik vorbeiführen.

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Politicks, Fazit 134 (Juli 2017)

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