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Tandl macht Schluss (Fazit 135)

| 28. Juli 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 135, Schlusspunkt

Wenn Manager vor dem grünen Zeitgeist einfach einknicken Erinnern Sie sich noch, als sich Daimler-Chef Dieter Zetzsche vor zwei Jahren wegen der vielen Menschen, die nach Europa kamen, auf ein neues Wirtschaftswunder freute? Mit den Worten »Genau solche Menschen suchen wir bei Mercedes« machte er sich nicht nur bei Angela Merkel und den Bahnhofsklatschern beliebt. Er verhielt sich politisch korrekt. Genau so, wie sich ein guter weltverbessernder Konzernboss im Angesicht des deutschen Mainstreams eben zu verhalten hat. Schade nur, dass es ein Jahr später nicht viele von diesen zwei Millionen fleißigen arabischen und afrikanischen Händen in die Werkshallen von Mercedes geschafft haben. »Die Zeit« hat recherchiert, dass gerade einmal neun Flüchtlinge bei Daimler eine Arbeit gefunden hatten.
Nun ist auch Mercedes-Benz vom Abgasskandal erfasst worden. Und das ist wegen des Beschwichtigungsopportunisten Zetzsche an der Konzernspitze gut so. Aus einem Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Stuttgart geht hervor, dass die Ermittler Daimler verdächtigen, fast ein Jahrzehnt lang bei den Abgaswerten seiner Dieselfahrzeuge getrickst zu haben. Bei Volkswagen und Audi ist es bereits bewiesen, und bei Daimler erhärtet sich der Verdacht: Man schummelt, lügt und betrügt offenbar lieber, als sich dem grünen Zeitgeist zu widersetzen. Anstatt endlich zu sagen, dass die technischen Vorgaben in Bezug auf die Abgaswerte wirtschaftlich unerfüllbar sind, wird nicht nur bei VW herummanipuliert.

Dieter Zetzsche steht seit Jänner 2006 an der Konzernspitze von Daimler. Gemeinsam mit seinen Managerkollegen beim Mitbewerb hat er eine Gesetzeslage hingenommen, die – wenn man sie einhalten würde – Hunderttausende Jobs in der deutschen Automobilindustrie und über die vernetzten Wertschöpfungsketten auch bei den österreichischen Zulieferunternehmen gefährden würde. Die Manager haben uns stattdessen suggeriert, dass sie die technischen Standards zur Erfüllung der strengen Abgaswerte problemlos im Griff haben.

Problemlos war es für die Manager bisher jedoch nur, die Gesetze zu ignorieren und den Kunden die versprochene Umweltfreundlichkeit der Motoren vorzugaukeln. Und zwar aus reiner Feigheit und großer Angst vor einem deutlich grünen Zeitgeist. In den Vorstandsetagen drückt man sich etwas gewählter aus, und sagt halt »Compliance« oder »Corporate Social Behavior« dazu.

Im Zuge der Elektrifizierung des Individualverkehrs steht die deutsche Großindustrie wieder vor der Wahl. Sie kann der Bevölkerung endlich reinen Wein einschenken und ihr sagen, dass die Ökobilanzen von Elektroautos selbst bei Betrieb mit kohlendioxidfreiem Strom aus Wasserkraft furchtbar sind oder sie kann die Elektromobilität in opportunistischer Tradition grünwaschen. Das schwedische Umweltforschungsinstitut IVL hat erst kürzlich in einer Studie bestätigt, dass allein die Batterieherstellung für einen »Tesla S« so viel Kohlendioxid versursacht wie ein Verbrennungsfahrzeug mitsamt dem Treibstoff, den es in acht Jahren verbrennt. Anstatt der Politik angesichts des Elektroautounsinns einen Vogel zu zeigen, haben die Autokonzerne jedoch eine Prämie zum Kauf von Elektrofahrzeugen durchgesetzt. Wieder einmal geben Zetzsche und Co klein bei und versichern wider besseren Wissens allen, die es hören wollen, dass sie die Zeichen der Zeit erkannt hätten und sie die E-Mobilität voranbringen wollen.

Ein kleines, aber nicht unwesentliches Detail sollte bei der politischen Entscheidung über den künftigen Antrieb übrigens auch eine Rolle spielen. Statt sieben Mitarbeitern, die zur Herstellung eines klassischen Verbrennungsmotors etwa zur Verbrennung von kohlendioxidneutralen synthetischen Kraftstoffen oder von Wasserstoff benötigt werden, kann ein Elektromotor von einer Person produziert werden. Vielleicht sollten Wirtschaft und Politik endlich versuchen, den Bürgern in Bezug auf »Ökologie« und »Nachhaltigkeit« die Augen zu öffnen. Etwa indem sie ihnen mitteilen, dass fast jedes einzelne Kreuzfahrtschiff gleich hohe Schadstoffemissionen verursacht wie der gesamte österreichische Straßenverkehr.

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Tandl macht Schluss! Fazit 135 (August 2017)

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