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Waldrausch usw.

| 28. Juli 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 135, Kunst und Kultur

Foto: Sybille Dremel

Sommertheater ist steiermarkweit beliebte Unterhaltungsform. Wer mehr will als Krimi und Shakespeare, fährt in die steirische Toskana. Dort tragen sich seit 2011 gar überraschende Dinge zu.

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Wenn sich Mensch aufs Land zum Sommertheater begibt, wird es gerne idyllisch. Ob Naturschauplatz mit Freiluftbühne oder meist etwas gar überhitztes Kulturzentrum: Eine alte, aber unterhaltsame Krimigeschichte mit dem Dorfpostler in der ungeahnt grandios gespielten Rolle des Bösewichts oder eine mehr gut gemeinte als sehenswerte Adaptierung eines Shakespeare-Klassikers – ja, der geneigte Liveschauspielfreund weiß, wovon die Schreibe ist. Wer nun bejahend nickt, war noch nie im Hoftheater Mathans. In St. Ulrich im Greith gelegen, also dort, wo man gerne von der steirischen Toskana spricht, finden die meisten Navigationssysteme entlang der vielen Hügel einen Ort vor, an dem sich in Sachen Sommertheater gar überraschende Dinge zutragen. Ob »Waldrausch«, »Wo die Kanonen glühen«, »Rosemaries Werte«, »Heu Nun« oder »Sankt Fight« – allein die Titel der hier seit 2011 gespielten Uraufführungen wollen uns sagen: Nix Krimi, nix Shakespeare, lieber nahezu Avantgarde.

»Vitamins of Society« nennen sich die Menschen, die heuer zum sechsten Mal in Folge ein Stück auf die Freiluftbühne inmitten von Weinbergen zaubern. Wolfi Lampl ist der älteste Sohn des Hofes und führt Regie. Der Zweitgeborene, der aus Film und Fernsehen durchaus schon bekannte Harry Lampl, ist in der Hauptrolle zu sehen. Die jüngste des Hofes schneidert die Kostüme, die Mutter sorgt fürs leibliche Wohl an den Abenden und steht ebenso mit helfender Hand zur Seite wie der Herr Vater, der auch schon mit kleiner Gastrolle gesehen ward. Es ist ein Familientheater. Aber eben doch gar nicht provinziell.

Die Feder des Grazer Dramatikers Jony Schrettle zaubert nämlich Jahr für Jahr einen modern-kritischen wie gewieften Plot auf die Wiese, der sich heuer »Planet der Waffen« nennt. Der offizielle Inhalt sollte hier in voller Länge wiedergegeben werden. Also bitte: »Onkel Donalds Forderung nach Erhöhung der Rüstungsausgaben lässt auch das Herz des jungen, südweststeirischen Waffenfabrikanten Horst Schmied höher schlagen. Mit den Erfindungen seines verstorbenen Vaters und seinem treuen, aber nicht ganz legal angestellten Mitarbeiter Oleg will er die Absätze kräftig steigern und am zu erwartenden Boom ordentlich mitverdienen. Aber auch die Polizei, lokale Aktivistinnen des Staatenbundes Steiermark und eine geheimnisvolle Nachbarin, die ihrem stressigen Lobbyistinnendasein in Brüssel entflohen ist, um dem Landyoga zu frönen, zeigen Interesse an den regionalen Entwicklungen im ländlichen Raum.«

Foto: Simone Leski

Ja, das klingt ein bisschen wirr, ist aber aufgrund der Umgebung, die so viel Idylle ausstrahlt wie eine alte, dafür unterhaltsame Krimigeschichte oder eine mehr gut gemeinte als sehenswerte Shakespeare-Adaptierung, dennoch gut verdaulich. Und noch stimmungsvoller. Dank einem Musikensemble unter der Leitung des Klaviervirtuosen Roli Wesp, der so in die Tasten haut, wie es der junge Joe Cocker gemacht hätte. Also, Mensch, wenn du dich heuer aufs Land zum Sommertheater begibst, das Hoftheater Mathans könnte eine Reise wert sein.

Planet der Waffen
Uraufführung war am 27.7, 19.30. Weitere Vorstellungen am 29.7. sowie 4./5./6./7./11. und 12.8., jeweils 19.30 im Hoftheater Mathans, Kopreinigg 52 in 8544 St. Ulrich im Greith

Alles Kultur, Fazit 135 (August 2017) – Fotos: Sybille Dremel, Simone Leski

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