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Politicks Oktober 2017

| 4. Oktober 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 136, Politicks

Alle gegen Sebastian Kurz
Mit immer härteren Bandagen gegen den Führenden in den Meinungsumfragen, VP-Chef Sebastian Kurz, versuchen SPÖ und FPÖ das Momentum des Wahlkampfs in ihre Richtung zu ziehen. So bezeichnete SPÖ-Chef Christian Kern die ÖVP-Wirtschaftspläne erst kürzlich als völlig realitätsfremd. Die Kurz-Idee, der drohenden Altersarmut mit Eigentumsbildung am Eigenheim zu begegnen, verglich er sogar mit Marie Antoinettes entrücktem Sager »Sollen sie doch Kuchen essen«, den sie von sich gegeben haben soll, als ihr mitgeteilt wurde, dass das Volk hungere, weil es kein Brot gibt. Dass der Kanzler schlagfertig bis untergriffig sein kann, hat er in den bisherigen TV-Konfrontationen bewiesen. Aber die Pläne und Äußerungen der Mitbewerber als unsinnig hinzustellen, gehört zum Geschäft des Politikers. Mit dem von der ÖVP beklagten »Dirty Campaigning« hat das nichts zu tun. Anders verhält es sich da schon mit den Anti-Kurz-Videos, die die SPÖ bei ihrem mittlerweile geschassten Dirty-Campaigning-Experten Tal Silberstein beauftragt hatte.

Auch die Plakatwelle der FPÖ, in der sie Kurz unterstellt, er unterstütze die Islamisierung Österreichs, ist grenzwertig. Kurz hatte bei einer Integrationsdebatte mit angehenden islamischen Religionslehrern gesagt »Der Islam gehört selbstverständlich zu Österreich.« Davon, dass er das im Zusammenhang mit der Forderung nach Eigenverantwortung der Muslime getan hat, sich nicht immer in eine Opferrolle zu begeben, sondern gegen jede Art von Radikalisierung vorzugehen, will die FPÖ in ihrer Polemik nichts wissen. Kurz legte den jungen Muslimen jedenfalls nahe, gegen den Terror auf die Straße zu gehen, denn wenn die Mobilisierung von 20.000 Muslimen beim Erdogan-Besuch in Wien funktioniere, müsse auch eine Großdemonstration gegen den Terror machbar sein.

Bis jetzt scheinen Kurz die Angriffe von links und rechts jedenfalls nicht zu schaden. Sämtliche Meinungsumfragen sehen die ÖVP nach wie vor an der Spitze und die einzige Unbekannte könnten die noch unentschlossenen Wähler sein, deren Wahlverhalten in die Umfrageergebnisse projiziert wird.

Grabenkämpfe in der SPÖ
Nach dem holprigen Wahlkampfstart scheint es bei der SPÖ drunter und drüber zu gehen. Dabei schaffte es Bundeskanzler Christian Kern auf den beiden Großveranstaltungen in Graz und Linz durchaus, das rote Funktionärsvolk in seinen Bann zu ziehen. Für viele Beobachter war jedoch viel interessanter, wer alles nicht bei der großen Christian-Kern-Show dabei war. Erstmals scheint es innerhalb der SPÖ gleich mehrere Fraktionen zu geben, von denen zwei eine Wahlniederlage herbeizusehnen scheinen. Christian Kern muss nicht nur gegen die politische Konkurrenz, sondern auch gegen die Flügel der eigenen Partei wahlkämpfen.

Politinsider machen in der SPÖ derzeit drei Fraktionen aus: Da ist die burgenländische SPÖ um Landeshauptmann Hans Niessl und Verteidigungsminister Hans-Peter Doskozil, die eine enge Allianz mit einer Gruppe rund um Ex-SPÖ-Kanzler Werner Faymann eingegangen sein soll. Diese Gruppe habe das Ziel, Doskozil als Bundeskanzler einer rotblauen Regierung zu installieren und ihn, falls die SPÖ den zweiten Platz verfehlen sollte, zum Vizekanzler einer schwarzroten Regierung zu machen. Ob Doskozil, nachdem er Kern mehrfach konterkariert hat, etwa als er über die APA mitteilen ließ, dass die SPÖ den Gang in die Opposition unbedingt verhindern müsse, und als er sich mit VP-Chef Kurz fotografieren ließ, tatsächlich jene Integrationsfigur sein kann, die die Partei braucht, sollte der 15. Oktober so enden, wie es die Umfragen signalisieren, sei dahingestellt.

Die zweite und immer noch wichtigste Gruppe in der SPÖ unterstützt Kern, so wie es früher die gesamte Partei getan hat. Dazu gehören Teile der Wiener SPÖ und die Landesparteiorganisationen mit Ausnahme der burgenländischen. Auch Teile der Gewerkschaft stehen an der Seite von Kern, um die Partei trotz der negativen Vorzeichen an der Spitze zu halten. Und selbst wenn das nicht gelingt, soll Kern – als Oppositionsführer – Parteichef bleiben.

Daneben scheint in den letzten Tagen eine Gruppe stärker zu werden, die weder mit Kern und schon gar nicht mit Doskozil etwas anfangen kann und daher einen bisher »neutralen« Parteichef installieren will.
Zu verdanken hat die SPÖ diese Flügelkämpfe übrigens dem mittlerweile 68-jährigen Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der mit seiner Rücktrittsankündigung, ohne einen Nachfolger zu benennen, die Spaltung der mächtigen Wiener SPÖ riskiert. Ohne Häupls selbstverschuldeten Autoritätsverlust hätte wohl niemand in der SPÖ riskiert, sich mitten im Wahlkampf gegen die Partei aufzulehnen.

Schickhofer und der Modus Operandi
Im Versuch, verlorenes Terrain bis zum Wahltag wieder gutzumachen, greift die SPÖ mittlerweile nach jedem Strohhalm. So schießen sich die Landeschefs der SPÖ inzwischen auf den in Umfragen deutlich voranliegenden Sebastian Kurz ein. Daher ließ auch der steirische SP-Chef Michael Schickhofer kürzlich in einer Aussendung wissen, Christian Kern und Reinhold Mitterlehner hätten eine Zukunftspartnerschaft nach steirischem Vorbild gewollt. Doch da sei der Zug schon abgefahren gewesen, weil das Trio infernale – Lopatka, Sobotka und Kurz – die Demontage des VP-Chefs generalstabsmäßig geplant und durchgezogen hätte.

Schickhofer bezieht sich dabei auf ein vermeintliches Strategie-Papier, das von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Ende August präsentiert wurde und seitdem immer wieder aufgegriffen wird. VP-Chef Kurz dementiert, das Papier zu kennen oder irgendetwas damit zu tun zu haben. Er gehe entweder von einem übereifrigen Anhänger oder von einer Fälschung aus, so der VP-Chef. Schickhofer will das nicht glauben: »Was wir jetzt schriftlich haben, ist nur mehr eine Bestätigung dessen, was wir seit Monaten beobachten können.« In seiner Kurz-Kritik hält er sich jedoch an den stillschweigend vereinbarten Modus Operandi der steirischen Regierungskoalition, der Spitzen gegen die Bundespartei des Regierungspartners ausdrücklich zu erlauben scheint, und sagt daher: »Abgesehen davon ist das inhaltliche Programm – Zugangsbeschränkungen, Studiengebühren und drastische Einsparungen in allen Bereichen – weit entfernt von neuen Überlegungen oder innovativen Lösungen.« Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer und die steirische ÖVP nimmt der Landeshauptmannstellvertreter hingegen explizit von seiner Kritik aus. In der Steiermark würde man gemeinsam mit der Bevölkerung die Zukunftsthemen aktiv anpacken, gemeinsam Lösungen erarbeiten und diese umsetzen, so Schickhofer.

Landesparteitag der steirischen ÖVP
Acht Tage vor der Nationalratswahl, am 7. Oktober, hält die steirische ÖVP ihren Landesparteitag ab. Dass Hermann Schützenhöfer wieder als Landesparteiobmann kandidieren wird, ist klar. Änderungen gibt es beim Wahlvorschlag des Landesparteivorstandes bei den Landesparteiobmannstellvertretern. Die ehemalige VP-Ministerin Beatrix Karl wird nicht mehr kandidieren, dafür treten der mittlerweile zum VP-Klubobmann aufgestiegene Gemeindefusions-Motor Karl Lackner und die Grazer VP-Clubchefin Daniela Gmeinbauer ebenso noch einmal an wie Landesschulratspräsidentin Elisabeth Meixner und Noch-Nationalratsklubobmann Reinhold Lopatka. Für Lopatka, der sein Nationalratsmandat über den Regionalwahlkreis Oststeiermark, ohne ausreichende Absicherung auf Landes- oder Bundesliste, erringen muss und um Vorzugstimmen kämpft, ist das ein besonderer Vertrauensbeweis des Landesparteivorstandes.

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Politicks, Fazit 136 (Oktober 2017)

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