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Zur Lage (85)

| 27. Oktober 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 137, Zur Lage

Beinahe ausschließlich über den großen Verlust, den die österreichische Innenpolitik sowie die Freunde feinsinninigen Brachialhumors nun über Jahre zu verkraften haben werden. Und im Grunde nichts über den Austrofeschismus.

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Ich trauere. Ich trauere inständig, meine Lieblingspartei »Die Grünen – Die Grüne Alternative (GRÜNE)«, wie sie im vollen und viel zu selten genannten Wortlaut heißen, verlassen das Parlament. Das damit »verarmen wird«, wie es etwa der große Tiroler Georg Willi, noch bis zum 9. November Abgeordneter des österreichischen Nationalrates der »Die Grünen – Die Grüne Alternative (GRÜNE)«, so vortrefflich und demütig wie selbstbewusst zugleich (das muss man einmal zusammenbringen!) formuliert hat. Und ich möchte Willi zurufen: Nicht nur das östereichische Parlament, nicht nur! Jede intellektuelle Diskussion in diesem tumbfeschen Land, soferne eine solche überhaupt noch geführt werden wird können, wird eine andere sein, eine ärmere eben, frei von jeder großgeistigen Schwere.

Wir, die wir betroffen vor den Scherben des österreichischen und damit europäischen und wohl auch weltweiten Parlamentarismus übergelassen wurden, wir können nur hoffen, dass es Appellationsgerichte, wenn schon nicht in diesem Staat, dann wenigstens auf diesem Erdenkreis geben wird, die in ihrer Weisheit die sich mehr als aufdrängende Enscheidung fällen werden, dass es verfassungsmäßig gar nicht sein kann (und darf!), ein Parlament ohne Mandatare der »Die Grünen – Die Grüne Alternative (GRÜNE)« zu versammeln. Für mich persönlich geht es natürlich vor allem darum – ich habe diese Partei ja nie gewählt –, dass mir mit dem Unvorstellbaren eines meiner Lieblingsobjekte der monatlichen Auseinandersetzung hier abhanden gekommen ist. Als einfaches Gemüt und ausnehmend schlichter Charakter konnte ich natürlich den wahrscheinlich immer hervorragenden Ideen, Vorschlägen und Verboten der Grünen nur mit dem mir eigenen billigen Humor begegnen. Das wird mir mehr als fehlen.

Und ich habe wirklich lange damit gehadert, ob ich nicht einfach diese aktuelle Lage ausfallen lasse, stattdessen eine leere, aber schwarze Seite hier veröffentliche oder mich ganz unverfänglichen Themen wie Ikebana, Origami oder Kemono widme. Das hat mir dann aber doch keinen wirklichen Spaß bereitet und zudem gibt es ja auch einige positive Aspekte dieser Abwahl eines politischen Mitspielers. Etwa wenn sie sich als Mann (das funktioniert übrigens auch umgekehrt) die nächsten Tage und Wochen sagen wir mit 100 Frauen treffen; was ist dann? Ich sag’s ihnen, da werden dann keine vier Grünwählerinnen dabei gewesen sein. (Ja, ich bin billig, ich kann keine Pointe auslassen. Wobei ich selbst das ja weniger als Witz, denn als Weltklasse ansehe. Aber das ist eine andere Geschichte.)

Oder der Bundespräsident, genau! Der ist ja nun endlich wirklich unabhängig und kann bei noch soviel Falterinvestigationen und Leaks (achso, er ist ja kein Rechter, aber egal) von sich behaupten, »parteilos« zu sein. Das ist ein Wert an sich.

Insgesamt bin ich mir aber sehr, sehr sicher, dass die »Die Grünen – Die Grüne Alternative (GRÜNE)« bei der nächsten Wahl wohl einen Wiedereinzug schaffen werden. Wenn, ja wenn Maria Vassilakou mit dem Reden aufhört. Zumindest mit dem Reden von dem »Köpferollen«, dass – aus ihrer Sicht jetzt nicht ganz unverständlich – ihrer Bewegung nicht dienen würde. Dann wäre ich also jedenfalls guter Dinge, außerdem wird die SPÖ, soferne sie sich bis dahin nach einer Regierung zusammen mit den Unaussprechlichen nicht geteilt hat, beim nächsten Mal den Schmäh mit dem drohenden Weltuntergang bei einer Nichtkanzlerschaft durch einen Vertreter der wahren Gerechten nicht mehr durchbringen. Und damit nicht mehr so viele Stimmen von potenziellen Grünwählern absaugen können. Da mach ich mir schon eher um die Neos Sorgen. Da könnte ich mir nämlich gut vorstellen, nach weiteren fünf Jahren mit Flügelverleiher Matthias Strolz und nach den ersten fünf Jahren mit sicher überkomplexen Botschaften der Exrichterin, kann dem Wähler plötzlich aufgehen, dass der ernsthafte Bedarf an einer liberalen Partei in Österreich gar nicht sooo gegeben ist. Aber was weiß ich schon. (Uwe, ich bin eh schon still.)

***

Ein abschließender und ernster Gedanke zu der ganzen grünen Malaise sei mir hier noch gestattet: Ich habe die Grünen von ihrer Gründung an geschätzt, sie waren mir sehr lange sehr sympathisch und ich habe sie (insgesamt gilt das übrigens noch immer) durchaus als eine Bereicherung der politischen Landschaft angesehen. In den letzten Jahren (eher schon seit 2000) aber, hat sich diese Partei – meinem bescheiden Dafürhalten nach – immer mehr zu einer moralisierenden Instanz inszeniert, die viel zu oft in dem verqueren Bewusstsein verhaftet war, immer genau zu wissen, was, wie, wann und wo zu tun ist und vor allem, was gut und noch viel genauer, was schlecht oder böse ist.

Was die Partei über ihr gesamtes Bestehen auszeichnet, ist die Tatsache, dass sie durch die Bank Persönlichkeiten als Mandatare besetzt hat, die integer sind. (Das tun im Übrigen alle anderen Parteien in der Regel auch; bei den Grünen gibt es aber meines Wissens keine Ausrutscher.) Was die Partei aber auch ausmacht, ist – durch die oben beschriebene vermeintliche Unfehlbarkeit – einen großen Anteil an der (von mir im Editorial etwa ständig getrommelten) Spaltung in diesem Land zu verantworten. In ihrer Abwehr gegen alles (aus ihrer Sicht!) »Rechte« (was nach ihnen dem Bösen gleichzusetzen ist; ein fataler Fehler und Trugschluss!) haben sie ihren Lieblingsfeind, die FPÖ, auch größer gemacht. Vielleicht, nein hoffentlich, sind diese nächsten Jahre eine Chance zur Erneuerung auf Bundesebene dieser – in letzter Konsequenz auch mir – für Österreich durchaus notwendigen Partei. Möge es ihnen gelingen.

Zur Lage #85, Fazit 137 (November 2017)

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