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Billiges Geld und teures Wohnen

| 22. Februar 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 140, Fazitthema

Foto: Grant Lemons

Im Schnitt geben die Österreicher mittlerweile ein Drittel ihrer Einkommen für das Wohnen aus. Und trotz einer enormen Bautätigkeit wird dieser Anteil wohl weiter steigen. Text von Johannes Tandl.

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Obwohl in Graz oder Gleisdorf für ausgesuchte Neubauwohnungen Preise von 4.000 Euro und mehr pro Quadratmeter erzielt werden, steigt die Bautätigkeit weiter. Die hohen Preise schrecken die Käufer nicht ab. Es scheint eher das Gegenteil der Fall zu sein, denn zahlreiche Immobilienmakler berichten davon, dass sie ihren Kunden bereits die zweite oder dritte Wohnung verkaufen. Wohnungsgroßprojekte wie das Brauquartier in Graz-Puntigam sind ebenso binnen weniger Monate so gut wie ausverkauft wie Projekte in Leibnitz, Kalsdorf oder anderen Regionen im steirischen Zentralraum. Solange die Verkäuferteams der Bauträger über Listen von qualifizierten Interessenten verfügen, deren Nachfrage nach geeigneten Wohnungen sie nicht erfüllen können, weil das Angebot zu klein ist, wird daher weitergebaut.

Die doppelte Wirkung der Nullzinspolitik als Baumotor
Als wichtigste Ursache für die extreme Nachfrage gilt nach wie vor die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank. Die wirkt nämlich gleich doppelt auf die Bauwirtschaft. Weil die Sparbücher keine Zinsen mehr abwerfen, suchen die Sparer anderswo höhere Renditen und landen dabei auf dem Wohnimmobilienmarkt.
Außerdem macht der niedrige Leitzins Immobilienkredite so günstig wie nie zuvor. In Deutschland warnt die Bundesbank daher längst vor einer starken Überhitzung der großstädtischen Immobilienmärkte. In Österreich ist das Preisniveau nur in den inneren Wiener Bezirken mit dem deutscher Großstädte vergleichbar. Daher ist von einer Blasenbildung noch kaum die Rede.

Verhältnis von Kauf- und
Mietpreisen sollte misstrauisch machen
Immer dann, wenn von der Masse Immobilien gekauft werden, um mit den Mieteinnahmen Gewinne zu machen, sollten bei vorsichtigen Anlegern dennoch die Alarmglocken läuten. Und obwohl im Vorjahr eine Beruhigung bei den Neubezugspreisen eingetreten ist, sind die Kaufpreise den Mietpreisen jahrelang davongelaufen. In den Ballungsräumen sind die Eigentumspreise nämlich doppelt so schnell gestiegen wie die Mieten. Das lässt zwei Schlüsse zu. Die Renditen für die Investoren sinken und der Druck, Mietpreissteigerungen durchzusetzen, steigt trotz des großen Angebots. Die aufkommenden Probleme werden durch den starken Zuzug in die Städte und die als Folge der Bautätigkeit explodierenden Grundstückspreise überdeckt. Die Wohnungen werden nämlich nicht nur wegen der Nachfrage teurer, sondern auch, weil sich Bauland nur sehr beschränkt durch Umwidmungen und Verdichtungen vermehren lässt. Diesen Trend könnte derzeit wohl nur eine massive Abwanderungswelle stoppen. Da sich die meisten Mietpreise über die Baukostenindices an den Neubaupreisen orientieren, dürfen die Investoren also dennoch davon ausgehen, dass ihre Rechnung aufgehen wird. Denn selbst wenn sich der Markt zwischenzeitlich beruhigen sollte, steigen die Mieten auch für vor Jahrzehnten realisierte Projekte, wenn die Neubaupreise in naher oder ferner Zukunft wieder anziehen.

Für Geringverdiener ist Wohnen längst zum Luxus geworden
Vor allem für die Bezieher kleinerer Einkommen wird es daher immer schwieriger, sich in der Nähe eines Arbeitsplatzes im Ballungsraum eine Wohnung leisten zu können. Sie haben auch nichts davon, dass Wohnkredite effektiv bereits ab 1,4 Prozent Zinsen im Jahr angeboten werden. Denn auch Menschen mit kleinen Einkommen würden mit ihrem Geld lieber ein Eigenheim abstottern, als Miete zu bezahlen. Weil sie die erforderlichen Eigenmittel nicht aufbringen können, kommen sie für die Banken nämlich nicht als Kreditnehmer in Frage – und das obwohl sich der Kauf von gebrauchten Wohnungen sogar aus Liquiditätssicht sogar in der Rückzahlungsphase bereits lohnen würde, weil die Kreditraten meist niedriger sind als die Nettomieten, die auf dem freien Wohnungsmarkt bezahlt werden müssen. Seit der Finanzkrise zwingen die Aufsichtsbehörden die Banken nämlich dazu, von ihren Kreditnehmern einen Eigenmittelanteil von mindestens 30 Prozent der Anschaffungskosten samt Nebenkosten einzufordern. Vor 2009 gaben sie sich meist schon mit 20 Prozent zufrieden. Selbst Argumente wie ein sicherer Arbeitsplatz oder das lagebedingte Wertsteigerungspotenzial der Immobilie dürfen die Banken nicht zu Gunsten des Kreditwerbers ins Treffen führen. Und so scheitern viele Interessenten schon ganz am Anfang mit ihren Bemühungen, sich den Traum vom Eigenheim zu erfüllen. Obwohl sie sich über die Kreditlaufzeit im Vergleich zur Miete ein kleines Vermögen ersparen könnten, findet sich niemand, der ihnen ein Darlehen gibt.

Eigenheimbesitzer steigen günstiger aus als Mieter
Eine gebrauchte Eigentumswohnung kostete in Graz im Vorjahr durchschnittlich 1.641 Euro je Quadratmeter. Die Preise in den steirischen Bezirken lagen zwischen 751 Euro in Murau und 1.335 Euro in Graz-Umgebung noch deutlich darunter. Bei einer 30-jährigen Laufzeit kostet die Finanzierung (Kreditrate und Zinsen) in Graz – selbst bei einer fiktiven 100-Prozent-Finanzierung – monatlich nur etwa 5,60 Euro je Quadratmieter. Im Vergleich dazu liegt die durchschnittliche Nettomiete mit 8,10 Euro im Monat deutlich darüber. Ein Wohnungseigentümer würde daher deutlich günstiger aussteigen als ein Mieter. Erstbezugswohnungen sind übrigens überall im Land um etwa 70 bis 100 Prozent teurer als gebrauchter Wohnraum. Daher geht sich diese Liquiditätsrechnung nur bei bestehenden Wohnungen aus.

Mieten steigen schneller als die Einkommen
Weil die steigenden überhitzten Baukosten über die Wohn- und Baukostenindices auch auf viele alte Mietverträge wirken, steigen die Mieten tendenziell stärker als die Löhne und Gehälter. Beobachtet man die Immobilienmärkte in den Ballungsräumen, zeigt sich daher überall das gleiche Bild: Private Bauträger versuchen ihr Glück, indem sie Mietwohnungen bauen. Diese werden von ihnen aber nicht selbst vermietet, sondern aus Liquiditätsgründen als Anleger- oder Vorsorgewohnungen auf den Markt gebracht und von den Käufern zur Weitervermietung angeboten. Und da immer mehr Menschen an den Hürden der Eigenheimfinanzierung scheitern, scheint die Rechnung aufzugehen.

Wie funktioniert das Modell der Vorsorgewohnung?
Solange die Rahmendbedingungen so bleiben, wie sie sind, ist ein Anlegerwohnungsmodell daher ein sicheres Geschäft für Verkäufer und Käufer. Der Anleger kauft eine Wohnung und vermietet sie an jemanden, der sich kein Eigentum leisten kann und daher auf eine Mietwohnung angewiesen ist. Mit den Mieteinnahmen werden die Kreditraten für das aufgenommene Darlehen zurückbezahlt. Nach Ablauf des Kreditvertrages können die Eigentümer die Mieten als zusätzliches Einkommen einstreifen. Die Eigentümer hoffen also darauf, dass ihnen, wenn das Darlehen abbezahlt ist, die Mieteinnahmen zusätzliche Einkünfte bescheren. Unabhängige Bausachverständige warnen jedoch vor dieser Rechnung. Denn die oft im Schnellverfahren errichteten Wohnungen können außerordentliche Sanierungsaufwendungen notwendig machen. Mit etwas Pech fressen diese die erhofften Erträge mehr als nur auf. Und natürlich gibt es auch noch ein anderes Risiko. Früher oder später wird die EZB die Nullzinsphase beenden. Damit steigen die Finanzierungskosten der meist auf Pump gebauten Vorsorgeprojekte. Die Anleger profitieren jedenfalls von der Wertsteigerung der Immobilie. Gleichzeitig können sie durch die Kreditzinsen und die Abschreibungen die Bemessungsgrundlage für die persönliche Lohn- und Einkommensteuer reduzieren. Zwischen 35 und 50 Prozent dieser Kosten werden daher, je nach Progressionsstufe, durch weggefallene Steuern finanziert. Außerdem wird bei Vorsorgewohnungen die Mehrwertsteuer rückerstattet. Abhängig vom Grundstückskostenanteil – bei Grundstückskäufen gibt es keine Mehrwertsteuer – fallen durch den Vorsteuerabzug daher im Vergleich zum Eigenheimkäufer etwa 15 Prozent der Anschaffungskosten weg.

Bei Liebhaberei werden die Steuervorteile gestrichen
Der Fiskus versucht, es den Betreibern der Vorsorgewohnungsmodelle nicht zu einfach zu machen. Er verlangt eine Prognoserechnung, die nach etwa 25 Jahren einen positiven Ertrag erwarten lassen muss. Sonst geht das Finanzamt nämlich von „Liebhaberei“ aus und für Hobbys, die keinen Ertrag abwerfen, können auch keine Steuerbegünstigungen geltend gemacht werden. Positive Ertragsprognosen lassen sich am besten durch die Reduzierung des Finanzierungsaufwandes erreichen. Daher müssen auch die Käufer der Vorsorgewohnungen über Eigenmittel von meist etwa 25 Prozent verfügen. Aus der Sicht der Investoren haben Vorsorgewohnungen trotz des kaum kalkulierbaren langfristigen Sanierungsbedarfs dennoch einen großen Reiz. Die Eigentumsrechte sind im Grundbuch eingetragen. Und um das Leerstandsrisiko zu minieren, bieten die Bauträger meist die Möglichkeit, sämtliche Mieterträge in einem Pool zusammenzufassen und anteilsmäßig an die Eigentümer aufzuteilen. Wenn tatsächlich eine Wohnung leer steht, sorgt ein Profi für die rasche Neuvermietung. So ist das Risiko für die einzelnen Anleger begrenzt und gut kalkulierbar.

Was ist besser für die Mieter? Ein relativ freier Markt oder ein strenges Mietpreisregime?
Das Mietrecht ist ein Dauerbrenner im ideologischen Richtungsstreit der Parlamentsparteien. Während etwa die Volkspartei und die FPÖ der Meinung sind, dass sich angemessene Mietpreise nur durch eine Vergrößerung des Wohnraumangebots erreichen lassen, glaubt die SPÖ nicht an die Marktkräfte. Sie fordert daher strenge Mietpreisobergrenzen. Die Volkspartei geht hingegen davon aus, dass strengere Mietpreisgrenzen die Neubauleistung drastisch reduzieren würden. Zuletzt hat die SPÖ vorgeschlagen, dass nach 20 Jahren auch für frei finanzierte Wohnungen ein geregelter Mietpreis gelten solle. Damit könnte man die Mieten der Bestandsobjekte nämlich etwas von den Entwicklungen des Neuimmobilienmarktes entkoppeln. Dagegen wendet die Volkspartei jedoch ein, dass das ein Ende abruptes Ende für die Maßnahmen im Bereich der Wohnraumsanierung bedeuten würde. Außerdem würden Eigentümer ihre Wohnungen lieber vom Markt nehmen, als sie unrentabel zu vermieten. Für die Mieterschutzvereine führt dennoch kein Weg an einer Mietzinsbindung, transparenten Verträgen, weniger Befristungsmöglichkeiten sowie Sanktionen gegen Vermieter, die zu hohe Mieten bzw. Betriebskosten verrechnen, vorbei. Die Tatsache, dass die Mieten auch dort steigen, wo sehr viel gebaut wird, gibt ihnen womöglich Recht. Die Mieten orientieren sich nämlich nicht nur an der Wohnraumnachfrage, sondern auch an den Grundstückspreisen. Daher ist für die Mieter trotz unzähliger Neubauprojekte und zahlreicher leerstehender Wohnungen keine Besserung in Sicht.

Billig wohnen geht nur mehr in der Peripherie
Die österreichische Bevölkerung ist im Vorjahr um etwa 50.000 Menschen auf 8,8 Millionen gestiegen. Der Großteil des Wachstums entfällt auf die Ballungsräume. Und das wirkt sich auch auf die Wohnkosten aus. Wer richtig günstig wohnen will, sollte sich daher um ein Heim in Gmünd an der tschechischen Grenze, in Mattersburg, Güssing oder in der Mur-Mürzfurche bemühen. Dort liegt der Wohnkostenanteil immer noch bei nur 10 Prozent der Haushaltseinkommen. Wem das aber dann doch zu weit weg vom Schuss ist, der kann es etwa in der Südsteiermark versuchen. Mit 13 Prozent an den Einkommen sind die Wohnkosten auch dort durchaus erschwinglich.

Fazitthema Fazit 140 (März 2018), Foto: Grant Lemons

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