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Tandl macht Schluss (Fazit 141)

| 28. März 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 141, Schlusspunkt

Eine grüne Idee, die allen nützt Die steirischen Grünen fordern schon lange ein stark subventioniertes Jahresticket um 365 Euro für das gesamte steirische Öffi-Netz. Natürlich drängt sich die Frage auf, ob das volkswirtschaftlich und ökologisch Sinn ergibt oder ob die Idee bloß dem inhaltlichen Angebot einer Partei entspricht, die zuletzt kaum Berührungsängste zu ziemlich linken Ideen hatte? Allein nach Graz pendeln täglich 85.000 Arbeitnehmer ein und 32.000 aus. Während der Großteil der Einpendler aus der Großregion Graz mit ihren 470.000 Einwohnern stammt, nehmen Tausende Grazer Arbeitnehmer täglich einen Anfahrtsweg in Kauf, der bis Slowenien oder Ungarn reichen kann.

Bedenkt man, dass in der steirischen Landeshauptstadt täglich 790.000 Pkw-Fahrten stattfinden, von denen 380.000 die Stadtgrenzen überschreiten, und denkt sich dann das pendlerbedingte Verkehrsaufkommen in  allen anderen steirischen Zentralorten zwischen Bad Radkersburg und Bad Aussee und zwischen Murau und Hartberg dazu, dann kann man sich ausmalen, was ein Jahresticket um 365 Euro, in Bezug auf den Klimaschutz, die Feinstaubbelastung und vor allem auf die finanzielle Belastung der arbeitenden Steirerinnen und Steirer bewirken würde. Derzeit kostet das Jahresticket je nach Tarifzone zwischen 422 und 2.160 Euro. Der Jahrestarif von 247 Euro innerhalb von Graz gilt nur für die Bewohner der Stadt und ergibt sich, weil diese  175 Euro auf die 422 Euro zuschießt. Dadurch hat sich die Zahl der in Graz verkauften Jahrestickets trotz der »Gratis-Altstadtbim« seit 2015 übrigens von 12.000 auf über 40.000 mehr als verdreifacht.

Beim steirischen Verkehrsverbund schätzen die Experten den Mehraufwand für das Landesbudget auf 10 bis 13 Millionen Euro jährlich. Dieser Betrag  ergibt sich aus den Verbilligungen für die bestehenden Öffi-Nutzer und müsste zusätzlich aus dem Landeshaushalt zugeschossen werden. Das ist viel Geld für ein Bundesland, das keines hat. Was die Experten beim Verkehrsverbund nicht abschätzen können, ist, wie viele zusätzliche Jahreskarten sie an jene Pendler verkaufen könnten, die derzeit keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen, weil diese als zu langsam,  zu unbequem oder zu teuer erachtet werden.

Der grüne Landeschef Lambert Schönleitner führt bei seinem Feldzug für das billige Jahresticket die Wiener Situation ins Treffen. Dort wurde das 365-Euro-Ticket im Mai 2012 eingeführt. Im Jahr 2011 gab es rund 360.000 Jahreskartenbesitzer und fünf Jahre später sind es mit 733.000 mehr als doppelt so viele. Sollten in der gesamten Steiermark 100.000 Jahreskarten an Neukunden verkauft werden, würde das 36,5 Millionen Euro in die Kassen des Verkehrsverbundes sowie der Bahn- und Busunternehmen spülen. Das wäre Geld, mit dem die benötigten Verkehrsmittel betrieben, die bestehenden Linien verdichtet und zusätzliche Linien eröffnet werden könnten. Dass die Zahl von 100.000 zusätzlich verkauften Jahrestickets realistisch sein kann – solange das Angebot stimmt – ergibt sich aus den über 200.000 steirischen Lohn- und Einkommenssteuerzahlern, die bei ihrer Steuerveranlagung die Pendlerpauschale des Bundes beantragen und beziehen.
 
Das 365-Euro-Ticket und die dafür erforderlichen 13 Millionen Euro könnten also wie ein ökologischer und ökonomischer Multiplikator wirken. Mit »nur« einem Viertelprozent des Landeshaushalts von etwa fünf Milliarden Euro würde diese grüne Idee auch echte Verbesserungen für die Menschen in den steirischen Randregionen mit sich bringen.  Die steirische Regierung hat sich ohnedies  die Aufwertung der Lebenschancen in den Regionen zum Hauptanliegen gemacht.

In Vorarlberg wurde das 365-Euro-Ticket übrigens 2014 eingeführt. Auch dort hat sich die Zahl der Jahreskartenbesitzer in nur zwei Jahren um 30 Prozent auf 65.000 erhöht. Schönleitner und seine Grünen hoffen, dass das, was in Wien und Vorarlberg möglich war, auch in der Steiermark möglich sein wird. Und wenn schon die Verbesserung der Luftqualität für ÖVP und SPÖ nicht ausreicht, um über ihren Schatten zu springen, einer grünen Idee zuzustimmen,  sind es ja womöglich die finanzielle Entlastung für die arbeitende Bevölkerung und der Impuls für die Aufwertung des öffentlichen Verkehrs in den peripheren Zentralorten.

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Tandl macht Schluss! Fazit 141 (April 2018)

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