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Nach der WM ist vor der EM

| 29. Juni 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Da Wanko, Fazit 144

Foto: Selfie

Also, es ist doch beruhigend, eine englische Nationalmannschaft spielen zu sehen, die nichts zusammenbringt. Das geht schon Jahrzehnte so. Bis vor einigen Jahren war der englische Fußball schlicht und ergreifend zu altmodisch, »Kick and Rush« konnte keiner mehr ansehen.

::: Text von Martin G. Wanko [Hier im Printlayout lesen.]

Internationale Trainer bringen den Briten einen modernen Fußball bei und können dank lukrativer Fernsehverträge Top-Spieler aus dem Ausland einkaufen, als wäre das Geld abgeschafft. Da ist für »Einheimische« oft nicht viel Platz. Ich will da jetzt nicht kindisch herumheulen, denn den englischen Fans ist das auch nicht so wichtig, wer in ihren Reihen kickt, Hauptsache der Verein gewinnt, und wenn Außerirdische die Tore schießen würden. Einzig und alleine das Nationalteam des Mutterlandes des Fußballs bringt nichts mehr zusammen, das ist ein bisserl peinlich, aber so ist nun einmal der Lauf der Dinge.

Aber was schimpfe ich gegen England? Deutschland ist bereits nach dem ersten Spiel gegen Mexiko angezählt. Wenn Sie diese Zeilen lesen, wäre es natürlich toll, wenn Mexiko noch dabei wäre. Die Außenseiter sind immer so erfrischend und bei den Deutschen musste man schon glauben, dass sie ihre Gesundheit nicht wirklich riskieren wollen. Da waren viele schon vor vier Jahren Weltmeister, den Titel konnte noch kein Team verteidigen, und die Meisterschaften in ihren Vereinen sind den Spielern wichtiger, dort ist auch das Geld zu Hause. Ja, wenn das liebe Geld nicht wäre, ja was wäre dann eigentlich? Da würde vieles nicht passieren, auch viel Gutes nicht. Nennen Sie mir einen Forscher, der etwas weiterbringt und nicht gut verdient? Ist auch total in Ordnung.

Blöd wird es nur, wenn Personen, die gut verdienen, nicht ihre Leistung erbringen, zumindest nicht so, wie wir es gerne hätten. Wie jetzt gerade zum Beispiel vor dem TV: Der Engländer Marcus Rashford verstolpert seine Chance in der 88. Minute gegen die »Weltmannschaft« aus Tunesien. Geht ja nicht! Und dann im Konter fast noch ein zweites Tor von Tunesien. Jetzt noch einen letzten Corner für England, und doch noch das 2:1. Harry Kane machte sein zweites Tor, eh super, kostet mit 150 Millionen so viel wie die gesamte Mannschaft aus Tunesien. Aber dennoch gefällt mir der stoische Gesichtsausdruck des Trainers der Tunesier, der hat so etwas wunderbar Abgebrühtes, der passt in jeden Scorsese-Film. Trotz dieses Sieges werden es die Engländer nicht weit schaffen. Aber sie sind wenigstens dabei.

Wer ist nicht dabei? Genau! Wir! Bei Weltmeisterschaften sind wir selten dabei. Ganz selten, ich bin mir nicht einmal sicher, ob wir in der Polster-Herzog-Ära dabei waren, doch, halt, da war doch etwas! Das Penalty-Türl gegen Polen von Ivica Vastic, wo danach die Krone sinngemäß schrieb: »Ivo, jetzt bist du einer von uns!« Dass hierfür bezahlte Steuern und ein Pass nicht reichen, sondern man ein Tor bei der EM oder WM schießen muss, um »einer von uns« zu sein, ist halt auch total krank. Will man dann noch einer von uns sein? Oder waren dann alle Kicker, die auch noch mitspielten und kein Tor schossen, dann plötzlich »keine mehr von uns«? Nach der Logik der Krone müsste es so sein. Wahrscheinlich wurden ihnen die Pässe abgenommen, nachdem wir in der Vorrunde rausflogen, und erst nach Monaten wieder zurückgegeben.

Wo wir nun wieder bei einem Lieblingsthema von mir wären, das österreichische Nationalteam. Mir tut es ja fast leid! Da strengen sich wirklich viele an und gehen an ihre Grenzen, aber es reicht halt sehr oft nur fast. So gesehen sind wir sehr oft Fast-Sieger, macht sich für ein Tourismus-Land gut, ist niemand böse auf uns. Sieger sind wir eher dann, wenn es um nichts geht. Wie zum Beispiel beim Freundschaftsspiel gegen Deutschland, das wir großartigerweise 2:1 gewannen, aber leider ist es um nichts gegangen. Dafür gab es vor kurzem einen Cordoba-ORF-Abend. Geht’s noch peinlicher?

Und dann ist es doch einmal gegangen: Vor genau zwei Jahren glaubte keiner, dass so etwas sein kann, Österreich qualifizierte sich für die EM in Frankreich. Es war so unösterreichisch frech! Einfach so, weil es die Jungs wollten und es drauf hatten! Immerhin konnten wir uns qualifizieren. Mehr wurde es nicht, der Druck war zu groß, die Erfahrung zu gering, die Pleite war schmerzvoll. Aber jetzt kommt’s! Am 2. Dezember sind wir wieder live dabei, bei der Auslosung zur nächsten EM Qualifikation, und 2019 heißt es für unsere Gegner: Anständig anhalten! Dann kommen wir, aber jetzt in echt und mit Vollgas! Die Quali schaffen wir locker und dann, und dann, und dann! Dann nehme sich einmal ganz Europa vor uns in Acht, mindestens! Ihr enthusiastischer G Punkt.

Martin G. Wanko (48) ist Schriftsteller und Journalist. m-wanko.at

Da Wanko, Fazit 144 (Juli 2018), Foto: Martin G. Wanko

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