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Mein allererster Herzinfarkt

| 3. Oktober 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Da Wanko, Fazit 146

Foto: Martin G. Wanko

Und plötzlich liegst du auf der Matte, um dich herum kümmern sich einige Menschen um deine Gesundheit und das ziemlich ernsthaft und ohne Kompromisse. Du wirfst einen Blick aus der Oberlichte, die Sonne ist gnädig. Mögen die letzten Sonnentage in diesem Sommer vielleicht schon zu lange angehalten haben, Graz ist eine Stadt der warmen Temperaturen. Die Stadt genügt sich dann selbst.

::: Text von Martin G. Wanko [Hier im Printlayout lesen.]

Aber an das alles denkst du natürlich nicht, wenn du hier auf dem Tisch liegst. In dem Moment bist du einfach überrascht, dass du an nichts und wieder nichts Dramatisches denkst. immerhin liegst du jetzt unter dem Messer und die Damen und Herren um dich herum bringen deine Pumpe wieder in Form, denn du hast einen Herzinfarkt. Das ist also eine dieser Krankheiten, die du als junger Mensch für dich ausschließt und an die du nicht mehr denken willst, wenn du älter wirst.

Leck fuck, die Ärzte hackeln bei dir rein, dass es eine Freude ist. Du beobachtest sie und wartest, dass sich etwas einstellt. Irrtum, von oben kommt nix. Gott ist also noch immer tot. Keine spirituelle Einsicht, immerhin könntest du jetzt abkratzen, wenn das hier blöd läuft. Vielleicht bist du auch nur deshalb so locker, weil du dich in sicheren Händen fühlst, weil du nicht glaubst, dass dir beim großartigen Team der LKH-Kardiologie in Graz etwas passieren kann. Hauptsache der Druck auf die Lunge hat sein Ende. Denn dieser Druck ist unangenehm, jetzt nicht dass es einen umwirft, aber nicht weggeht. Momentan weißt du, dass du in einer Sackgasse bist, aus der du ohne fremde Hilfe nicht mehr rauskommst.

Dann geht alles super schnell, vom Anruf der Tochter bei der Rettung bis zur OP. Wie im Film! Perfektes Timing. Vielen Dank, Rotes Kreuz, vielen Dank, LKH Klinikum Graz. Alles richtig gemacht! Und trotzdem wundert es dich, dass du so gottverdammt ruhig bleibst. Die stecken Schläuche in deinen Körper und dein Herz schaut im Ultraschall aus, als ob aus ihm ein dünner Ast wächst, aber du bist sehr cool, verdammt! Kein Schock. Du machst dir keine Sorgen um deine Frau und deine Tochter, die stehen auf stabilen Beinen. Dein Verein ist so und so unsterblich und beruflich denkst du, da und dort könnte noch etwas kommen, aber du musst ja niemandem etwas beweisen. Und überhaupt, welchen Scheißdreck du manchmal geschöpft hast, der Klomann am Jakominiplatz hat schon öfter ins Klo gegriffen.

Der einzige Gedanke, der dir in echt kommt, ist, dass du jetzt gerade erwachsen wirst. Während der Herr Oberarzt dir drei Stents setzt, dem Geräusch nach könnte er auch Schweineohren plombieren, spürst du mit 48 Jahren das endgültige, elendigliche Gefühl, dass du erwachsen wirst. Halt die Goschen, das hat ziemlich lange gedauert! Jetzt bist du endlich erwachsen. Vom Berufsjugendlichen zum Erwachsenen in 90 Minuten, was für ein Sprung! Jetzt musst du plötzlich sieben Medikamente aufgeteilt auf den Tag nehmen, in diesem blassblauen Behälter, mit dem instabilen Deckel, wie bei deinen Großeltern, als sie in die Zielgerade des Lebens einfuhren. Ja, Oida! Gibt’s ja net! Irre!

Dabei hast du ja noch ein Glück, zumindest meinen das die Ärzte. Mit 48 Jahren ist man knapp über der Mitte. Da kann man noch gut korrigieren, es zahlt sich aus, man ist ja noch nicht wirklich, wirklich alt aber halt auch nicht mehr scheiß jung. Ein bisserl weniger schöpfen und ärgern und das Ding läuft schon mal gut an. Dazu eher helles Fleisch als dunkles, eher Rotwein als Bier, eher Hartkäse als weichen und Sport betreibst du so und so. Eigentlich eh eine sehr noble Krankheit, mit viel Lebensgefühl.

Operation beendet, Patient lebt. Du kommst vom OP zur Beobachtung auf die Intensivstation und dort wirst du von der Schwester damit begrüßt, dass du ja noch jung bist, unter den Herzinfarktlern ein junger Hüpfer. Das gefällt dir: Vom Berufsjugendlichen zum Jung-Infarkt-Hawie. Schon am nächsten Morgen ist das Herz wieder sehr herzig drauf. Dir geht es großartig! Nach der Reha wirst du ein Running-Team gründen, alles nur Herzinfarktler: »Martin G. and the Heartbreakers«. Und übrigens, kennen Sie den? Lieber einen Stent, als gar niemand steht auf einen. So schaut’s aus im Schneckenhaus und das Leben ist wundervoll! Ihr weiter pumpender G Punkt.

Martin G. Wanko (48) ist Schriftsteller und Journalist. m-wanko.at

Da Wanko, Fazit 146 (Oktober 2018), Foto: Martin G. Wanko

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