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Tandl macht Schluss (Fazit 146)

| 3. Oktober 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 146, Schlusspunkt

Fachkräftemangel trotz Digitalisierung Im Fazitthema geht es diesmal um die Folgen der Digitalisierung. Denn immer mehr Experten warnen davor, dass das Wachstum der kommenden beiden Jahrzehnte nicht ausreichen wird, um wegrationalisierte Arbeitsplätze durch neue zu ersetzen. Gleichzeitig warnen dieselben Experten jedoch vor den Folgen des Facharbeitermangels, des Ärztemangels oder vor einem Pflegenotstand. Die Digitalisierung als Jobkiller bei gleichzeitigem Arbeitskräftemangel? Passt das zusammen? Leider besser, als man vermuten würde.

Schon längst weisen Industrienationen mit einer hohen Automatisierungsrate auch das höchste Wirtschaftswachstum auf. Wer aber keine Arbeitskräfte zur Verfügung hat, kann auch nicht wachsen. Und so schrauben viele Unternehmen ihre Investitionen zurück, weil sie niemanden finden, der bei ihnen arbeiten will oder kann. In den letzten Monaten hat sich etwa Magna in Kroatien, Slowenien und Ungarn umsehen müssen, um 4.000 bestbezahlte neue Industriejobs im Grazer Puchwerk besetzen zu können. Auf dem steirischen Arbeitsmarkt waren trotz der 40.000 Arbeitslosen nur 1.500 Menschen verfügbar, die den Anforderungen der Personalmanager entsprachen.

Schulabbrecher und Pflichtschulabsolventen haben kaum mehr Chancen auf einen guten Job. Durch die Digitalisierung werden die zu erfüllenden Ansprüche weiter steigen. Wir brauchen daher jede Arbeitskraft, die in Bezug auf ihre Qualifikationen und Lern- sowie Veränderungsbereitschaft mithalten kann.

Leider hat das Migrationsthema seit 2015 einen extrem negativen Spin bekommen. Viele Menschen sehen in den Zuwanderern vor allem »Sozialschmarotzer«, die es auf die Mindestsicherung und die österreichischen Sozialleistungen abgesehen haben. Natürlich gibt es Problemgruppen unter den überwiegend moslemischen Zuwanderern, die 2015 zu uns gekommen sind. Denn viele von ihnen weisen ein so geringes Qualifikationsniveau auf, dass sie für den Arbeitsmarkt einfach (noch) nicht geeignet sind. Trotzdem sind in immer mehr Restaurantküchen, aber auch in den Industriebetrieben viele nach nur drei Jahren bestens integrierte Asylberechtigte anzutreffen, die extrem stolz drauf sind, weil sie ihren Lebensunterhalt aus den Erträgen der eigenen Arbeit bestreiten können.

Wenn sogar Ausflugslokale an Sonntagen geschlossen sind, weil die verzweifelten Wirte niemanden finden können, der am Wochenende arbeiten will, sollten auch die Freiheitlichen endlich auf ihr »Ausländer raus!«-Getue verzichten, mit dem sie versuchen, politisches Kleingeld einzusammeln. Die Politik sollte den Österreichern klarmachen, dass jeder nicht besetzte Arbeitsplatz mindestens so bedrohlich für den Sozialstaat ist, wie die Einwanderung in das Sozialsystem.

Trotz der Akzeptanzprobleme muss Österreich Zuwanderer gezielt ins Land holen. Die Wirtschaft braucht ganz einfach deren Engagement und Arbeitsleistung. Leider ist die Rotweißrot-Card dafür kein geeignetes Instrument. Das lässt sich aufgrund der geringen Zahl der bisher auf diesem Weg ins Land gekommenen Fach- und Spitzenkräfte klar dokumentieren. Mit der Regionalisierung der Mangelberufsliste hat die Regierung eine wichtige Reform der legalen Migration in die Wege geleitet.

Sie darf dabei nicht auf halbem Wege stehenbleiben. Denn viel Erfolg versprechender als über die Rotweißrot-Card wäre es, qualifizierte Jobkandidaten – vorerst befristet – ins Land zu lassen, damit sie sich hier einen Arbeitsplatz suchen. Schaffen sie es, in sagen wir sechs Monaten auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, können sie bleiben, schaffen sie es nicht, müssen sie wieder ausreisen. Dass so eine Regelung nur für Drittstaatenangehörige möglich sein kann, deren Regierungen alle Staatsangehörigen, die keinen legalen Aufenthaltsstatus bei uns haben, problemlos zurücknimmt, versteht sich von selbst.

Beschränken wir die Zuwanderung daher nicht auf Flüchtlinge, sondern lassen wir Menschen bei uns ihr Glück versuchen, die den Willen und die Fähigkeit haben, hier zu arbeiten. Davon würden der Sozialstaat und alle, die auf ihn angewiesen sind, profitieren.

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Tandl macht Schluss! Fazit 146 (Oktober 2018)

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