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Maroni mit Tradition

| 28. November 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 148, Fazitbegegnung

Foto: Heimo Binder

Der Maronistand neben der Fußgängerampel am Grazer Joanneumring, der das Eiserne Tor und den Jakominiplatz voneinander trennt, umfasst gerade einmal vier Quadratmeter. 40 Jahre lang wurde er von ihren Eltern jeweils halbjährlich – von Mitte September bis Mitte März – geführt, 35 Jahre lang von Sabina Palomino, geborene Bulian, selbst.

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Heuer ist es erst Mitte November kalt geworden – schlecht fürs Geschäft? »Nein, gar nicht«, sagt die Maronifrau mit dem für sie charakteristischen Stirnband, »heute werden Maroni auch gegessen, wenn es 15, 18 oder 20 Grad hat.« Die ersten, die Maroni nach Österreich gebracht haben, waren vor ziemlich genau 100 Jahren die Italiener. Ganz vorne mit dabei war ein gewisser Alfonso Bulliano, Konditormeister aus Breda di Piave bei Treviso im italienischen Veneto, der unter anderem auf der Radetzkybrücke seine Ware feilbot. Aus Bulliano wurde Bulian, der Sohn hieß Anton, dessen Frau Anna; sie waren die Eltern von Sabina und führten ab Mitte der 1960er Jahre den legendären Eissalon Bulian in der Lazarettgasse 37.

Eisfans bekommen heute noch feuchte Augen, wenn sie an das gespachtelte Eis ohne Emulgatoren und sonstige tricky Zusatzstoffe denken, Architektur- und Designfans kämpfen mit Depressionsschüben, wenn sie sich die wunderbare 60er-Jahre-Einrichtung vor Augen führen, die heute wahrscheinlich unter Denkmalschutz stehen würde. Auch Sabina Palomino erinnert sich wehmütig zurück, als ihre Mutter die »Eiskönigin von Graz« war, und Vater und Bruder mit dem Pferdewagen das Speiseeis ausgeführt haben. »Zur Kühlung sind noch Eisblöcke aus dem Schlachthof verwendet worden, die zerstossen werden mussten und schichtweise abwechselnd mit Salz die Behälter mit dem Speiseeis umschlossen haben, bevor so um 1970 die elektrische Kühlung gekommen ist.« Die großen Siedlungen sind mit dem Eiswagen abgefahren worden, erinnert sich ihr Bruder Stefan Mario Bulian. In der Triester Siedlung, am Grünanger, bis hinunter zum Schwarzlsee haben sich nicht nur die Kinder gefreut, wenn es hieß: Der Eismann kommt. Noch dazu mit dem Pferd. Tempi passati, vorbei die Zeiten mit dem Eis. Schon seit spätestens 2007 ist der Eissalon Geschichte. »Irgendwas hört immer irgendwo auf« singt Ernst Molden (»Hammerschmidgossn«), aber irgendwie bleibt auch immer irgendwas: Bei meinem letzten Telefonat mit Stefan Mario Bulian war er gerade in Dresden, um Pferde einzukaufen. Wieso Pferde? Neben fünf fixen Maroniständen in Graz, Weiz, Gleisdorf und Villach betreibt er in Wien auch eine Fiakerei mit 14 Pferden und sechs Kutschen. Womit auch die Frage beantwortet wäre, was heutzutage ein Maronibrater eigentlich im Sommer macht, wenn er nicht mehr im Eisgeschäft ist.

Sabina Palomino setzt auf Qualität, denn das sei das, was Kunden am meisten schätzen: »Und wenn einmal ein oder zwei Maroni dabei sind, die nicht in Ordnung sind, dann bekommt der Kunde sie ohne Probleme ersetzt.« Bei einem Naturprodukt kann das immer vorkommen. Angeschnitten wird die Edelkastanie auf der bauchigen Seite mit einem langen Schnitt, damit sie auch aufspringt: »Mit einem Maronimesser oder eine Stanleymesser und nur mit dem Spitz!« Während in Wien die Maroni gezählt verkauft werden – 7 Stück zu 2 Euro – bekommt man in Graz einen gemessenen Viertelliter, das sind 12 bis 13 Stück. Seit vier Jahren ist der Preis nicht mehr einheitlich, deshalb kann am Joanneumring das »Vierterl« um 2,50 Euro angeboten werden, während es beim Mitbewerb 3 Euro kostet. Bulian kann im Einkauf den Mengenvorteil nützen, sein zweiter Grazer Stand ist übrigens seit 25 Jahren in der Herrengasse. Sabina sieht sich zwar »aus gesundheitlichen Gründen gezwungen, zurückzulegen«, doch es bleibt in der Famiglia. Ihre Schwägerin und deren Bruder machen nun die sechs Monate pro Jahr ohne Wochenende und Urlaub weiter.

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Sabina Palomino (1960) und Stefan Mario (1955) sind die Kinder von Anton und Anna Bulian, die in Graz einen legendären Eissalon besessen haben. Davon zeugen noch eine Landauer-Kutsche, zwei Eiswagen und ein Handwagen im Freilichtmuseum Stübing. Heute bilden sie eine Maronidynastie.

Fazitbegegnung, Fazit 148 (Dezember 2018) – Foto: Heimo Binder

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