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Stille führt

| 28. November 2018 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 148, Serie »Erfolg braucht Führung«

Stille und Resonanzfähigkeit als wesentliche Führungselemente. Ein Interview von Carola Payer mit Markus Platzer, Gründer und Geschäftsführer von Poet-Audio.

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Die aktuelle Wirtschaftswelt erfordert keine Superhelden als Führungskräfte. Netzwerkqualitäten, Kooperation auf Augenhöhe und Ko-Kreativität sind gefragt. Dafür braucht es Fähigkeiten zur ruhigen Aufmerksamkeit, Resonanzfähigkeit und Einfühlungsvermögen. Lauter Gegenpole zur aktiven Fähigkeit des Gestaltens von Managern.

In der Stille liegt die Kraft
Wann wurde für Markus Platzer, den ich vor 23 Jahren als sehr präsent, extrem aktiv und unternehmerisch umtriebig kennen lernte, Stille ein wesentlicher Bestandteil in seinem Leben? »Intellektuell wurde mir der Begriff der Stille vertraut durch die Lektüre der Schriften der Zen-Buddhisten, der christlichen Mystiker und die Bücher von Carlos Castaneda. Kurzum sind sich alle Meister einig: In der Stille liegt die Kraft. Ohne Stille bist Du verloren. Bewusst und lebendig habe ich mich mit dem unendlichen Wert der Stille aber erst auseinandergesetzt, als der berufliche Stress, so Anfang 20, mich zu verschlucken drohte. Da begann ich ein wenig zu meditieren und viel durch die Natur zu schweifen. Das bewusste Hören in einer relativ stillen Umgebung beendet den ewigen Denkstrom, der uns immer in denselben Schleifen gefangen hält!« Die Fähigkeit, in die Stille zu gehen, muss jedoch in einer lauten Welt erst erlernt werden.

Resonanz bringt uns in Kontakt
Die sich immer mehr verrückende Wirtschaft braucht Menschen, die Menschen in Verbindung bringen, die gemeinsam mit hoher Motivation Herausforderungen meistern. Diese positive Energie zu erzeugen, braucht nicht nur Worte, sondern die richtigen »Schwingungen«, die Führungskräfte in ihren Organisationseinheiten erzeugen. Organisationen und ihre Mitarbeitenden müssen in unterschiedlichen Situationen und Umfeldern schneller anschlussfähig und wirksam werden. Hierarchieübergreifendes Arbeiten, temporäre Teams, interkulturelle Zusammenarbeit erfordern adaptive Fähigkeiten und Fertigkeiten. Was versteht Markus Platzer unter Resonanz? »Aus technischer und physikalischer Sicht ist es das Mitschwingen eines Körpers mit einem anderen. Passiert das in der Nähe der sogenannten Resonanzfrequenz, so entsteht maximale Wirkung bei geringstem Aufwand. Umgangssprachlich sagt man ja auch: Wir schwingen gemeinsam. Das passt schon ganz gut. Nach vielen hunderten Interviews mit Bewerbern als Unternehmer lautet meine Analyse: Das Bauchgefühl hatte meistens recht. Sänger nutzen Resonanzeffekte in den Lufträumen des Körpers, um mit geringem Aufwand eine starke Stimme zu erzeugen. Hingegen soll ein Lautsprecher für eine saubere Musikwiedergabe keinesfalls starke Resonanzenzeffekte aufweisen. Das würde sonst zu Verzerrungen führen. Als Geschäftsführer und daher auch Entwicklungsleiter von POET lege ich großen Wert auf physikalische Korrektheit, sofern es um Technologie geht. Was Psychologie und Soziologie betrifft, also den Umgang mit Kunden und Mitarbeitern, vertraue ich mittlerweile mehr und mehr meinen Instinkten. Jedenfalls hatte ich in meiner Laufbahn noch nie ein besseres Betriebsklima erlebt, als bei POET. Da kannst Du auch alle unsere Mitarbeiter fragen.«

Stille finden
Markus Platzer erzählt, wie qualitative Musik zur Förderung von Resonanzfähigkeit und zum Finden von Stille unterstützen kann: »Hochwertige Musik, wobei für mich Klassik die Königsdisziplin ist, kann den Geist erweitern. Ich spreche jetzt natürlich von einem bewussten Hören, nicht davon, den Radio im Hintergrund den ganzen Tag laufen zu lassen. Wenn man zum ersten Mal bewusst eine Sinfonie mit ihren üblicherweise 4 Sätzen hört, dann kann das beim ersten Mal sogar mühsam sein, weil man nicht durchblickt. Entweder klingt es recht einheitlich, möglicherweise langweilig, oder es klingt, wie bei manchen Russen, schräg und chaotisch. Doch irgendwann, vielleicht erst beim fünften Mal, öffnet sich ein großes Fenster und es strömt, metaphorisch gesprochen, eine starke frische Brise und strahlendes Licht herein. Mir ging das bei Rachmaninows Klavierkonzert 2 und 3 so. Das ist anfangs fast nicht auszuhalten. Am Ende aber weint man dabei vor Glück.

Stille und Resonanz als Voraussetzung für Resilienz
Resilienz, die Widerstandsfähigkeit, mit Herausforderungen, Krisen, Veränderungen, Unsicherheiten und Drucksituationen umgehen zu können, erfordert Gelassenheit. Auch Markus Platzer beschreibt, dass die Fähigkeit, in die Stille und Resonanz zu gehen, sich auf die Kooperation mit Mitarbeitern, Stakeholdern und den Erfolg des Unternehmens auswirkt: »Ohne sie wäre ich schon ein Burn-out Kandidat. Stille, Ruhe, Nicht-Denken sind mein Must-have. Und nicht irgendwelche Konsumgüter.«

Nachhaltigkeit als Gesellschafts- und Wirtschaftsfaktor
Was sieht Markus Platzer sonst noch als Qualitäten in der derzeitigen dynamischen Wirtschaftswelt? »Neben dem oben gesagten, also der Kraft, aus der Stille zu schöpfen, ist es sicher die Auseinandersetzung mit tiefergehenden Themen als nur Ökonomie oder Managementtechniken. Der Glaube, eine kaufmännische, betriebswirtschaftliche oder volkswirtschaftliche Ausbildung ist das wichtigste Fundament, um in der Wirtschaft zu bestehen, ist naiv und auch gefährlich. Zweitens ist die Orientierung an Privatbesitz und Wachstum, basierend auf einer Zinspolitik, gegen die Natur, und auch gegen jede Vernunft. Nichts kann ewig wachsen, außer Krebs, und der führt zum Tod seines »Wirts« und schließlich auch von sich selbst! Ich würde mir vom Bildungssystem wünschen, dass in jeglicher Fachrichtung eine intensive Beschäftigung mit Ökologie, verstanden als die »Lehre vom Haushalt der Systeme«, und eine Auseinandersetzung mit Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie integriert wird. Die ökologische Ausbildung schafft einen Bezug zur Natur. Nur wer diesen Bezug hat, wird es vermeiden, die Basis für Ruhe und Rückzug zu zerstören.«

Unternehmerischer Beat, Rhythmus und Melodie
Musiker finden zusammen, um miteinander zu performen. Sie spielen alle verschiedene Instrumente, sind ganz unterschiedliche Charaktere, mit ganz unterschiedlichen Kompetenzen aus verschiedenen Ecken der musikalischen Welt. Einer gibt den Beat vor, ein anderer legt die Grundharmonie an, ein dritter spielt vielleicht die Melodie. Zusammen bilden sie einen Rhythmus, der andere mitnimmt. Miteinander Schwingen, vielleicht noch ein schräges Bild für hierarchische Organisationen, aber ein Zukunftsbild für Unternehmen, die wieder lustvoll statt frustvoll miteinander motiviert in die Zukunft gehen wollen. Vorbild sein, anregend wirken, Inspiration schaffen und individuelles intuitives Eingehen auf Mitarbeiter sind Fähigkeiten einer resonanten Führungskraft.

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Markus Platzer, Geschäftsführer von »POET Audio«. Das Unternehmen baut eine neue Generation von Soundsystemen. Edel in der Optik, gestaltet von »Austrian Design Award«-Gewinner Thomas Feichtner, aus hochwertigen Materialen, mit einfachster Bedienung und dennoch mit dem Anspruch realistischer Musikwiedergabe. Kein Spielzeug, sondern High-End in smarter Größe, entwickelt von Musikern und Toningenieuren. Das Unternehmen wurde 2013 von Markus Platzer und einem Team aus Toningenieuren und Unternehmern gegründet. 2018 werden über 400 Sound-Systeme gebaut und vorwiegend in Österreich, Deutschland und der Schweiz ausgeliefert. poetsoundsystems.com

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Foto: Marija KanizajDr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

Fazit 148 (Dezember 2018), Fazitserie »Erfolg braucht Führung« (Teil 19)

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