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Politicks April 2012

| 21. März 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 81, Politicks

Amon der Geldwäscher?
Jeder, der schon einmal in einer Werbe- oder Marketingabteilung eines größeren Unternehmens oder einer Institution gearbeitet hat, kennt die Briefe aus den Parteizentralen, mit denen die Parteisekretäre um Inserate, Spenden, Sponsoring oder was auch immer ersuchen. Und ein Blick in die Partei-Postillen aller Couleurs zeigt, dass zahlreiche Unternehmen und Institutionen gerne darauf reagieren. Dazu gehören nicht nur Landes-EVU, die dem jeweiligen Lager zugeordneten Banken und Versicherungen, die Post und natürlich die Telekom, sondern auch ganz normale, im täglichen Wettbewerb stehende Klein- und Mittelbetriebe, die auf einmal im Verdacht stehen, sich die Unterstützung der Mächtigen erkaufen zu wollen. Dabei macht ein Marketing-Engagement bei einer politischen Partei für viele Unternehmen ökonomisch durchaus Sinn: denn Parteimitglieder sind in aller Regel gut situiert, haben regelmäßige Einkommen und zählen darüber hinaus als gesellschaftliche Stützen und „Opinion-Leader“.
Nehmen wir zum Beispiel die ÖVP-Arbeitnehmerorganisation ÖAAB. Dessen ehemaliger Generalsekretär Werner Amon hat erfolgreich bei der Telekom akquiriert und 10.000 Euro für die Zeitschrift „Die Freiheit“ erhalten. Ganz egal ob die Gegenleistung ein Inserat oder eine Beilage war oder ob es sich um einen nicht gewidmeten Druckkostenbeitrag handelte: Bei den ÖAAB-Mitgliedern handelt es sich überwiegend um unkündbare Bundes- und Landesbedienstete. Wer mit Ihnen ins Geschäft kommt, der hat schon fast gewonnen, weil ihm langfristige Geschäftsbeziehungen ins Haus stehen. Und so gibt es für Parteimitglieder zahlreiche Sondervereinbarungen von der günstigeren Versicherung bis zum besonders preiswerten Handytarif oder Urlaubsangebot, auf die sich Unternehmen gerne einlassen, um an diese begehrte Zielgruppe heranzukommen. Geschäfte zwischen großen Unternehmen und den Parteien zu inkriminieren, geht daher völlig an den Korruptions- und Amigo-Problemen vorbei, unter denen Österreich traditionell leidet. Die Justiz wirft dem parlamentarischen Kampusch-Aufdecker Werner Amon in diesem Zusammenhang übrigens ausgerechnet Geldwäsche vor. Und das erscheint gleichermaßen skurril, wie die kruden Verschwörungstheorien, die ÖVP-Klubobmann Karl-Heinz Kopf in Bezug auf die Staatsanwaltschaft von sich gegeben hat. Amons unmittelbare Nachfolgerin als ÖAAB-General war übrigens die amtierende Justizministerin Beatrix Karl. Dass sie keine andere Wahl hat, als die Staatsanwaltschaft vor politischen und medialen Angriffen zu verteidigen, liegt auf der Hand.

Voves macht auf Parteitag Stimmung für Reformkurs und EU
Dass Landeshauptmann Franz Voves mit über 93 Prozent der Delegiertenstimmen als steirischer SPÖ-Chef bestätigt wurde, zeigt, dass auf Parteitagen Disziplin vor Konfliktkultur geht. Die SPÖ-Versammlung in einem Zelt auf dem Brucker Hauptplatz war dennoch kein klassischer Jubelparteitag. Voves schenkte den 2000 Getreuen reinen Wein ein und kündigte einmal mehr an, dass die Zeiten des Verteilens vorbei seien. Und obwohl die Reformen der roten Seele weh tun, sitzt er fester denn je im Sattel.
Wie der Landeshauptmann seinem VP-Gegenüber Hermann Schützenhöfer selbst auf dem Parteitag Rosen streute, passt in das harmonische Bild, das die Reformpartner in der Öffentlichkeit abzugeben versuchen. Dass die Delegierten auf das Schützenhöfer-Lob mit spontanem Beifall reagierten, überraschte dennoch. Es ist Voves gelungen, die Partei von der Alternativenlosigkeit des Reformkurses zu überzeugen. Viele Sozialdemokraten außerhalb der Steiermark sehen in ihm sogar schon einen Heilsbringer für Bundes-SPÖ. Bemerkenswert war auch das Bekenntnis zu Europa, das der Landeshauptmann abgab: „Frieden und Wohlstand gibt es nur, wenn das gemeinsame Projekt Europa gelingt, mit einer politischen Union in Europa, sonst werden wir im Wettbewerb mit USA, Indien, China, Russland untergehen.“

Buchmann lässt „Beta-Lab“ schließen
Wirtschaftslandesrat Christian Buchmann lässt das im Herbst 2010 gegründete Impulszentrum „Beta Young Creative Lab“ endgültig zusperren. Eigentlich sollten im Beta-Lab Talente aus der Kreativwirtschaft weitergebildet werden, doch der Markt hat die angebotenen Dienstleistungen nicht angenommen. Das Land hat das Projekt mit 1,2 Millionen Euro unterstützt. Vom für 2011 geplanten Umsatz von 240.000 Euro wurde nur die Hälfte erreicht. „Der Aufsichtsrat sieht keine realistische Chance, dass die vorgegebenen strategischen und kaufmännischen Ziele in absehbarer Zeit erreicht werden“, stellte Buchmann klar. Er beauftragte die SFG damit, gemeinsam mit den Fachhochschulen, der Interessenvertretung der Kreativbranche und möglichen Investoren aus der Wirtschaft andere Modelle zu entwickeln, um die Entwicklung des Kreativstandorts Steiermark auch in Zukunft bestmöglich zu unterstützen.

Keine Baustellen im Tourismus
Für LH-Vize Hermann Schützenhöfer gibt es trotz seines 60. Geburtstages derzeit politisch nicht nur Grund zur Freude. Denn Schützenhöfer leidet mit, wenn er angesichts der tristen Budgetsituation Kürzungen und Einschnitte verantworten muss. Auch die ÖVP-internen Widerstände gegen Reformen wie jene im Gemeindebereich werden nicht wirklich weniger. So richtig heil ist die Welt jedoch im Tourismus-Ressort. Für den Sommer 2012 erwartet Schützenhöfer, die Rekordwerte der vergangenen Jahre halten zu können. Dazu beitragen sollen einige Kooperationen mit der Deutschen Bahn, mit der man ein eigenes Portal für Verbindungen von Frankfurt und Saarbrücken in die Steiermark betreibt.

Edlinger-Ploder verhandelt über Privatisierung des LKH West
Das LKH West in Graz-Eggenberg, das erst vor wenigen Jahren eröffnet wurde, steht vor der Übernahme durch die Barmherzigen Brüder. Für die steirische Gesundheitslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder spielt es keine Rolle, wer ein Krankenhaus betreibt, solange die Versorgung gewährleistet ist: „Wenn die Ordensspitäler weiterhin im öffentlichen Auftrag tätig sein wollen, dann müssen sie sich in die Gesamtversorgung einbringen.“
Wie durch die Auslagerung eines Krankenhauses Beiträge zur Budgetkonsolidierung erbracht werden können, erklärt sich möglicherweise in der Struktur des Steirischen Krankenhausbudgets, bei dem etwa 70 % der Kosten für das Personal anfallen. Im Gegensatz zur KAGes beschäftigen die Ordensspitäler ihre Mitarbeiter strikt nach den ASVG-Richtlinien – ohne besonderen Kündigungsschutz und sonstige Privilegien des Vertragsbediensteten- oder gar Beamtendienstrechtes. Zumindest für neu aufgenommene Mitarbeiter kann in Zukunft auch im LKH West das ASVG angewendet werden, was mittelfristig – bei der starken personellen Fluktuation, die es im Gesundheitswesen traditionell gibt – zu deutlichen Einsparungseffekten führen wird.

EU sagt Finanztransaktionssteuer ab
Nachdem die EU den deutsch-französischen Wünschen nach Einführung einer Finanztransaktionssteuer eine klare Absage erteilt hat, weil sich Schweden und Großbritannien Sorgen um den Finanzstandort machen, steckt Bundeskanzler Werner Faymann nun im Dilemma: Abgesehen davon, dass die Regierung im Sparpaket mit jährlichen Einnahmen von 500 Millionen Euro aus dieser Steuer rechnet, kündigte Faymann bis  vor Kurzem an, dass Österreich die Transaktionssteuer notfalls auch im Alleingang einführen wolle, falls die EU wider Erwarten nicht mitziehe.
Es wird aber wohl keine Regierungsmehrheit für einen solch irrwitzigen Plan geben, denn die ÖVP hat sich bereits festgelegt, dass eine Transaktionssteuer zumindest die gesamte Eurozone betreffen müsse. Bleibt zu hoffen, dass der Bundeskanzler sich nicht nur von Experten der Wiener Arbeiterkammer wirtschaftlich beraten lässt, sondern auch von Menschen, die ihm vorrechnen können, welche negativen Konsequenzen es für die Wiener Börse und die Kapitalisierung der österreichischen Wirtschaft hätte, wenn das Finanzkapital aus Steuergründen in „sichere Häfen“ wandert.

Fekter: EU misst mit zweierlei Maß
Offiziell als Strafe für seine unsolide Haushaltspolitik entzieht die EU Ungarn auf Beschluss der EU-Finanzminister knapp 500 Millionen Euro an Fördergeldern. Inoffiziell wird jedoch vermutet, dass diese Maßnahme vor allem den ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orban disziplinieren soll, der seit den letzten Wahlen mit einer Zweidrittelmehrheit für seine nationalliberale Partei Fidesz, das Land praktisch im Alleingang umgestalten kann.
Die Beträge sollen ab Jänner 2013 an eingefroren werden. Damit verliert Ungarn als erstes EU-Land wegen eines zu hohen Defizits Geld aus dem Kohäsionsfonds, mit dem vor allem Umwelt- und Verkehrsprojekte finanziert werden sollten. Außerdem droht die EU-Kommission mit einer Klage.
Österreichs Finanzministerin Maria Fekter hatte dieses Vorgehen als einzige kritisiert. Mit Blick auf den milderen Umgang mit Defizitsünder Spanien, dem die Euro-Finanzminister am Vorabend beim Defizitziel entgegengekommen waren, sagte Fekter, sie habe „das Gefühl, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird“.

Moschee baba: Freispruch für Kurzmann
Das Oberlandesgericht hat den Freispruch für den steirischen FPÖ-Chef Landesrat Gerhard Kurzmann wegen „Verhetzung und religiöser Herabwürdigung“ bestätigt. Kurzmann wurde wegen des Moschee-baba-Spiels angeklagt und erstinstanzlich freigesprochen. In dem Webbrowser-Spiel, das vom „Werbeguru“ der Schweizer SVP, Alexander Segert, entwickelt wurde und im Landtagswahlkampf 2010 für große Aufregung gesorgt hatte.

Politicks, Fazit 81 (April 2012)

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