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Politicks Oktober 2012

| 26. September 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 86, Politicks

Nagl will die Absolute
Warum der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl eine absolute Stimmenmehrheit als – unrealistisches – Wahlziel ausgegeben hat, ist nicht bekannt. Schließlich liegt die Grazer ÖVP mit abgefragten 35 Prozent der Stimmen praktisch uneinholbar vor Martina Schröck und der SPÖ mit 18 Prozent. Durch diese Zieldefinition wird jedes Ergebnis unter 40 Prozent zur deutlichen Niederlage für den Bürgermeister. Zu dieser Vorgabe mag auch das Mobilisierungsdefizit bei Grazer Gemeinderatswahlen geführt haben. Denn eine alte Wahlhelferweisheit besagt, dass nur gewinnen kann, wer auch einen Gegner hat. Und da bei dermaßen eindeutigen Umfragewerten von einem „Head-to-Head-Duell“ keine Rede sein kann, ruft das Nagl-Team eben zum Kampf „Wir gegen alle anderen“ auf.
In der von der Kleinen Zeitung in Auftrag gegebenen Umfrage verlieren ÖVP und Grüne gegenüber der Gemeinderatswahl 2008 jeweils 2 Prozent, die Freiheitlichen legen von 10 Prozent auf 15 Prozent zu, die Kommunisten gewinnen 2 Prozent von 11 Prozent auf 13 Prozent und das BZÖ fällt von 5 Prozent auf 3 Prozent zurück. Keine besondere Wahlunterstützung darf sich Martina Schröck übrigens von Franz Voves erwarten. Voves kündigte bereits an, sich bei der Graz-Wahl nicht einbringen zu wollen. Er traue Martina Schröck auch so zu, das Potenzial, das die Sozialdemokratie bei den letzten Landtagswahlen erreicht hat, auch bei der Gemeinderatswahl abzuschöpfen. Das wären für Schröck aus heutiger Sicht völlig unerreichbare 32 Prozent!

Voves zuckte wieder einmal aus …
Zu einem bemerkenswerten Rundumschlag, der fast an die legendären „Auszucker“ seiner ersten Periode erinnerte, ließ sich Landeshauptmann Franz Voves kürzlich im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz mit LH-Vize Hermann Schützenhöfer hinreißen. Adressat war jedoch nicht die ÖVP, sondern all jene, die daran mitarbeiteten, das Bild der österreichischen Demokratie zu zerstören. Voves bezog sich dabei auf Politiker, die Österreich aus egoistischen Motiven der Gefahr aussetzen, ebenso im Schuldenschlamassel unterzugehen. Er kritisierte die alten Muster des Klientel-Denkens und des Umgangs untereinander: „Das ist dann super, wenn der eine am Wahlabend mit 24 Prozent Zustimmung Erster wird, weil der Nächste nur auf 21 Prozent gekommen ist“, so der Landeshauptmann.
Aber auch die Medien bekamen ihr Fett weg. Zur Gesprächsführung des von Twitterern und Bloggern zum Superstar ausgerufenen ZIB2-Moderators Armin Wolf sagte er etwa: „Wenn mit mir einer so redet, steh ich nach zwei Minuten auf. Ich bin ja kein Kaugummi.“ Stattdessen würden wesentliche Zukunftsthemen in der öffentlichen Diskussion völlig außer Acht gelassen. Dieser fahrlässige Umgang mit Politikern werde dazu führen, dass sich bald niemand mehr dazu bereit erklären werde, politische Verantwortung zu übernehmen. Schützenhöfer hörte dem Rundumschlag mit gleichem Amüsement wie die anwesenden Journalisten zu und ergänzte ihn mit der Aussage: „Dabei zeigt das steirische Beispiel, dass SPÖ und ÖVP durchaus Zukunft haben.“

PR-Desaster für Bundeskanzler Faymann
Durch die seltsamen Versuche der SPÖ, den Auftritt von Bundeskanzler Werner Faymann vor dem Korruptionsuntersuchungsausschuss zu verhindern, erreichen die roten Strategen zweierlei. Erstens: Selbst diejenigen, denen ohnehin klar ist, wie Werbeaufträge bei Bundesbetrieben vergeben werden, sind inzwischen davon überzeugt, dass da noch mehr sein muss, als die Bewerbung der Person Faymann auf Kosten von ÖBB und Asfinag. Zweitens: Für die breite politisch desinteressierte Masse, die den U-Ausschuss bisher kaum verfolgt hat steht Faymann nun in der Wahrnehmung in einer Reihe mit Scheuch, Maischberger, Hochegger oder Strasser.

Folgt die ÖVP der „Democrazia Cristiana“?
Eigentlich kämpft nicht nur ÖVP-Chef Michael Spindelegger um sein politisches Überleben. Noch nie wurde es so offenkundig, dass das Konzept der ÖVP als soziale Integrationspartei in der bisherigen Form nicht zu halten ist. Die ÖVP-Bünde sind längst nicht mehr in der Lage, gesellschaftliche Realitäten abzubilden, und daher zu Lobbys von Bauern, Beamten und einer Minderheit unter den Wirtschaftstreibenden verkommen. Gemeinsam mit übermächtigen Landesorganisationen, denen das eigene Bundesland traditionell wichtiger ist als der Staat, hat das dazu geführt, dass entweder nur Leute aus der zweiten Ebene für Spitzenpositionen infrage kommen oder Personen, die drohen, den Landesfürsten zu mächtig zu werden. Dass Spindelegger in seiner früheren Parteifunktion als niederösterreichischer ÖAAB-Obmann für Erwin Pröll keine Bedrohung darstellte, ist klar. Er wurde vor allem deshalb nach Wien ins Außenministerium abgeschoben, um die Loyalitäten innerhalb des Bundeslandes nicht durcheinanderzubringen, das Netzwerk nach Wien zu verstärken und als Außenminister die (vornehmlich niederösterreichischen) Interessen gegenüber Brüssel zu wahren. Ähnlich motivierte Minister- und Staatssekretärsernennungen kennen wir ja auch aus der oberösterreichischen oder der steirischen ÖVP und mitunter gibt es sie auch in der SPÖ. Glaubt man etwa einigen vorlauten Wiener Genossen, verdankt Bundeskanzler Werner Faymann sein Amt vor allem der Tatsache, dass der mächtige Wiener Bürgermeister Michael Häupl nicht viel mit ihm im Wiener Rathaus anzufangen wusste.
Doch zurück zur Volkspartei. Traditionell mobilisieren die VP-Landesorganisationen bei Nationalratswahlen nur mit halber Kraft. Einzig Wolfgang Schüssel konnte unter diesen Voraussetzungen im Jahr 2002 eine Wahl gewinnen, doch dieser Erfolg beruhte nicht etwa auf der Renaissance der Volkspartei, sondern auf den von der Bevölkerung mehrheitlich abgelehnten EU-Sanktionen. Dennoch gelingt es der ÖVP nun seit 25 Jahren, sich in der Regierung zu halten. Nun scheint das Ende der Fahnenstange erreicht. Schon bei den nächsten Wahlen wird wohl der Fall eintreten, dass sich für die Volkspartei keine Zweiparteienkoalition mehr ausgehen wird. Dann kann es für eine echte Erneuerung und das Verhindern des Abstiegs in die Bedeutungslosigkeit bereits zu spät sein. Das Beispiel der „Democrazia Cristiana“, der ehemals mächtigen christdemokratischen Partei Italiens, zeigt, wie rasch sich ein solcher Untergang vollziehen kann.

Reformpartner – „Geht net, gibt’s net!“
Die ÖVP tourt derzeit durch die Bezirke und diskutiert mit ihren Funktionären über die weiteren Pläne der Reformpartner. Im Mittelpunkt stehen, wie zu erwarten, die Gemeindestrukturreform und das Doppelbudget 2013/2014. Der Konsolidierungsbedarf für die beiden Jahre beträgt rund 240 Millionen Euro. Um die hundertprozentige Entschlossenheit, dieses Ziel zu erreichen, zu untermauern, hat Hermann Schützenhöfer intern die Parole „Geht net, gibt’s net!“ als Verhandlungsmotto ausgegeben. Entscheidend werden die nächsten Wochen sein, wobei die Vorverlegung der Grazer Gemeinderatswahl den Reformpartnern etwas mehr Zeit für die detaillierte Erarbeitung der Sparziele gibt. Denn vor dem 26. November werden die Sparziele ganz sicher unter Verschluss gehalten. Schließlich wollen weder die Landes-SPÖ noch die Landes-ÖVP als Sündenböcke herhalten müssen, wenn bei der Wahl etwas danebengeht.
Auch die nächste Runde der Gemeindestrukturreform bezüglich der Integration der Grazer Umlandgemeinden in die Landeshauptstadt wird ausgesetzt. Dabei kommt überall im Land Bewegung in die Diskussion und bislang verhärtete Fronten scheinen aufzubrechen. Die Reformpartner sehen sich bei ihren Gesprächen zwar nach wie vor mit Widerständen gegen die Fusionspläne des Landes konfrontiert, bei vielen Funktionären findet aber gerade ein Umdenken statt, weil immer klarer wird, dass die kommunale Verwaltung professioneller werden muss. Ich freue mich,“ so VP-Klubobmann Christopher Drexler, „dass  der Großteil der Reformen bei der Parteibasis angekommen ist und voll mitgetragen wird.“

Stronach: Nicht in Graz
Mit seinem Verzicht, bei der Grazer Gemeinderatswahl zu kandidieren, vergibt Neo-Parteichef Frank Stronach die gute Gelegenheit, in das Stadtparlament von Österreichs zweitgrößter Stadt einzuziehen. Schließlich ist Graz klassisches „MAGNA-Land“. Keine andere österreichische Region hat so von Frank Stronachs Ansiedlungspolitik profitiert wie die steirische Landeshauptstadt und viele der Tausenden Grazer MAGNA-Mitarbeiter und -Pensionisten haben dem austrokanadischen Milliardär so viel zu verdanken, dass sie es ihm möglicherweise mit einem Kreuzerl auf dem Wahlzettel vergolten hätten. Auch aus Sicht der Politbeobachter wäre ein solches Antreten interessant geworden. Schließlich rätseln immer noch viele, ob Stronach eher der FPÖ oder der ÖVP mehr Stimmen wegnehmen wird. Und durchaus plausibel erscheint auch das Argument, dass EU-kritische Pensionisten von der SPÖ enttäuscht sein könnten und in Stronach eine Alternative sehen. Freuen wird diese Nichtkandidatur jedenfalls den Grazer FPÖ-Chef Mario Eustacchio, dem übrigens Ambitionen nachgesagt werden, den farblosen FPÖ-Landeschef Gerhard Kurzmann als Parteichef zu beerben. OGM sieht für die FPÖ jedenfalls einen satten Zugewinn von 50 Prozent im Vergleich zur Gemeinderatswahl 2008. Der FPÖ steht als rechtspopulistischer Opposition jetzt nur das durch die Stronach-Abwerbungen auf Bundesebene ziemlich zerflederte BZÖ im Wege. Die Grazer BZÖ-Liste wird von Gerald Grosz und Georg Schröck anführt. Unter dem Motto „Genug gezahlt“ will das BZÖ jedoch nicht das Migrationsthema, sondern die Abgabenbelastung sowie die Grazer Verschuldung von 1,3 Mrd. Euro thematisieren.

Politicks, Fazit 86 (Oktober 2012)

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