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Tandl macht Schluss!

| 5. April 2011 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 71, Schlusspunkt

Fast unkommentiert, jedenfalls ohne großes mediales Sperrfeuer, hat die EU einen entscheidenden Schritt in Richtung „Europäische Transferunion“ gemacht. Anstatt Griechenland und Irland endlich in den wohlverdienten Staatsbankrott zu entlassen und danach (!) die europäische Wirtschaftspolitik weitgehend zu „vergemeinschaften“, hat die EU-Kommission einmal mehr einer halbherzigen „Reform“ den Vorzug gegeben: Der provisorische Euro-Rettungsschirm von 440 Milliarden Euro wird in einen dauerhaften von insgesamt 700 Milliarden umgewandelt. Die Finanzminister haben bereits zugestimmt und auch vom EU-Parlament ist kein Widerstand zu erwarten. Doch wie schon der gescheiterte EURO-Stabilitätspakt weist auch der neue, ESM genannte Stabilitätsmechanismus massive Konstruktionsfehler auf.
Denn die traditionellen Hartwährungsländer Deutschland, die Niederlande oder Österreich nutzten die Wachstumsmöglichkeiten, die ihnen der Euro und Europa boten, um Budgetsanierungen durchzusetzen und um bei stabilen Preisen mit niedrigen Lohnabschlüssen ihre Standorte und damit Wachstumschancen zu verbessern. Gleichzeitig konnte niemand – und schon gar nicht der Stabilitätspakt – die traditionellen Weichwährungsländer im Süden der Euro-Zone davon abhalten, die EU-Mittel als Transfers zu verkonsumieren; mit der Folge, dass die Brüsseler Geldschwemme die Preise und Löhne wesentlich höher als in den traditionellen Hartwährungsländern steigen ließ. Vor der Euroeinführung wäre eine Lösung einfach gewesen. Die Weichwährungen verloren über Jahrzehnte gegenüber der harten D-Mark zwischen drei und fünf Prozent jährlich an Wert und alle blieben im Geschäft. Aufgrund des wirtschaftlichen Ungleichgewichtes in Europa ist die Sanierung über eine Abwertung heute jedoch nicht mehr möglich.
Ein Beispiel dafür, in welchem Umfang die Konkurrenzfähigkeit des Südens leidet, liefert der Tourismus, denn wir alle haben mitgekriegt, wie sich Griechenland in kurzer Zeit, ohne das qualitativ rechtfertigen zu können, zur touristischen Hochpreisdestination entwickelte. Logisch, dass Marktanteile an die Türkei oder Ägypten verloren wurden. In Deutschland blieben die Preise und die Löhne annähernd gleich, in Griechenland sind sie gestiegen. Der Euro hat also dazu geführt, dass die Standortchancen zwischen den ehemaligen Hartwährungsländern und den Abwertungsländern schneller als je zuvor auseinandertriften. Und diese Entwicklung wird durch den neuen Stabilitätspakt nicht gebremst. Der ESM hat das Potenzial, die wirtschaftlich starken Euro-Länder spätestens dann mit in den Schuldenschlamassel zu ziehen, wenn die Haftungen schlagend werden. Und da inzwischen völlig klar ist, dass Griechenland das Ende der Fahnenstange längst erreicht hat und Staaten wie Irland, Portugal oder Italien auf dem besten Weg dorthin sind, ist das dicke Ende unausweichlich. Denn der Zeitpunkt, bis zu dem diese Länder ihre Haushalte ohne großzügige Entschuldung sanieren hätten können, wurde längst versäumt. Weil es aber keine gangbare Alternative zum Euro gibt, die an einer Hyperinflation und am Massenelend vorbeiführt, sind die armen und reichen Euro-Länder längst wie siamesische Zwillinge zusammengewachsen.
Anstelle des neuen Stabilitätsmechanismus hätte man daher endlich die Konstruktionsfehler des Euro beseitigen müssen. Dazu gehört nicht nur eine Wirtschaftsregierung mit einheitlichen europäischen Rahmenbedingungen für Steuern, Pensionen, aber auch Löhnen und Preisen, sondern auch die Entschuldung der Wackelkandidaten.
Ein weiterer Systemfehler, der dafür verantwortlich sein könnte, dass sich die Finanzkrise jederzeit wiederholen könnte, ist das Ausbleiben einer nachhaltigen Finanzmarktreform. Es hat überhaupt keinen Sinn, brave Geschäftsbanken, die ihr Geld mit der Zinsmarge zwischen Einlagen und Ausleihungen verdienen, mit höheren Abgaben oder Liquiditätsvorschriften zu quälen. Längst ist klar, dass diejenigen, die mit fremdem Geld überhöhte Risiken eingehen, nur dann aufgehalten werden könnten, wenn sie nicht nur an den Gewinnen partizipieren, sondern endlich auch für die durch sie verursachten Schäden mit haften. Scheinbar ist jedoch das Lobbying der Finanzindustrie zu mächtig – wie so was im „Real Life“ funktioniert, ist ja nicht erst seit dem Fall Strasser bekannt. Das Geschäftsmodell kurzfristigen Hasardierens mit all seinen Chancen und Risiken wird demnach weiterhin von der EU unterstützt.

Tandl macht Schluss, Fazit 71 (April 2011)

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