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Schiach und schön

| 20. Februar 2013 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 90, Fazitgespräch

pizzera

Es ist Faschingsdienstag, in den meisten Cafés beginnt das närrische Treiben. Wir treffen den Kabarettisten Paul Pizzera, einen der lustigsten Menschen des Landes,  zum Interview. Ohne Kostüm, ohne Luftschlangen und ohne Krapfen im Café Kaiser Joseph. Dafür steht ein Strauß Kunststoffblumen auf dem Tisch. Ein Lokal, in dem die Zeit ein bisschen stillsteht, und ein Nachwuchstalent, das vor lauter Auftritten kaum stillsteht. Außer beim Ausräumen der Geschirrspülmaschine.

::: Hier können Sie das Interview im Printlayout lesen: LINK

Herr Pizzera, heute ist der vermeintlich lustigste Tag des Jahres. Sind Sie auch froh, wenn er vorbei ist?
Ja, sehr. Faschingsdienstag ist wieder so ein wunderschöner Tag, an dem man aufs Bettelverbot zu sprechen kommen kann. Da haben einige gesagt, die Bettler verschandeln das Stadtbild, aber wenn zu Faschingsdienstag alles vollgespieben wird, ist das natürlich okay.

Ich wusste gar nicht, dass Sie inzwischen so politisches Kabarett machen.
Überhaupt nicht, aber das ist meine persönliche Einstellung. Ich finde das so lächerlich, dass ein sitzender Mann oder eine sitzende Frau mit einem Hut davor das Stadtbild verschandelt, aber ein angesoffener 14-Jähriger, der sich gerade bemüht seine Freundin nicht vollzuspeiben, soll zuträglich sein? Deshalb bin ich sehr froh, wenn Faschingsdienstag vorbei ist. Obwohl ich mich gern verkleide.

Sie spielen mit einigen Kollegen bei der Langen Nacht des Kabaretts ein Stück mit dem Titel »Niemals bei den Villachern«, in dem es darum geht, niemals beim Villacher Fasching aufzutreten. Wie erklären Sie jemandem, der sich nun nicht so genau mit dieser Kulturform beschäftigt, was der Unterschied zwischen Villacher Fasching und dem Humor beim Kabarett ist?
Ich habe großen Respekt vor jedem, der beim Fasching auftritt, das ist eine Kunstform, die absolut ihre Berechtigung hat. Ich will nur selbst kein Kasperl sein, der anderen auf der Bühne total überzeichnete Sachen zeigt. Schmäh erzählen ist für mich handwerklich nicht so anspruchsvoll. Ich will Sachen erzählen, wie sie sind, und auch Themen ansprechen, die bissig sind, die etwas wehtun.

In Villach einmal mitzumachen, um daran etwas zu ändern, ist keine Option?
Du kannst das nicht ändern. Du kannst nur dich selbst ändern, nicht andere. Das System des Villacher Faschings wird immer gleich bleiben und dort gibt es eine breite Masse, die es witzig findet, wenn eine Krankenschwester fragt: »Soll ich den Nächsten reinlassen?«

Lei Lei?
Genau.

Das klingt sehr abgeklärt für einen 24-Jährigen.
Das nicht, aber ich hab gelernt zuzuschauen. Wenn man über etwas redet, muss man auch wissen, worüber man sich echauffiert. Diesen seichten Fäkalhumor muss man halt mögen. Wenn das intelligent verpackt ist, ist das etwas anderes. Mein größtes Vorbild George Carlin hat gesagt, man soll über Vergewaltigung und Kinderkrebs Witze machen. Das geht, aber man muss es richtig machen. Man sollte auf der Bühne per se alles dürfen. Es gibt natürlich immer Punkte, die das unmöglich machen. Wenn bei dir jemand im Publikum sitzt, dessen Kind vergewaltigt wurde, dann kannst du auf der Bühne zusammenbasteln, was du willst, das findet so jemand niemals lustig. Logisch. Aber man darf nicht allen gefallen wollen, man kann es auch nicht.

Jetzt sind wir mitten in einer aktuellen Diskussion. Wie politisch korrekt muss man sein, wenn man in der Öffentlichkeit steht, in Ihrem Fall auf der Bühne? Gibt es Leute, die sich nach der Vorstellung beschweren?
Schon der Begriff »politisch korrekt« ist ein äußerst schräges Oxymoron. »Politisch« und »korrekt« – das kann sich irgendwie nicht ausgehen. Aber klar, es gibt schon mal Leute, die sich beschweren. Ich hab eine Nummer über den Kameradschaftsbund im Programm, das wird vor allem in den ländlichen Gefilden mit äußerster Skepsis betrachtet. Ich kenne es halt von meinen Großeltern, dass im Gasthaus am Land mal Judenwitze erzählt werden oder ein Hitlergruß durchs Lokal geht. Ich kenn das. Viele sehen solche Vereine aber als Gemeinschaft und unter den Leuten, die dort dabei sind, gibt es viele, die eine ganz unverdächtige Einstellung haben. Für die ist das wie der Gartenbauverein oder die Imkerinnung. Trotzdem gibt auch solche, die nicht aussterben, und das gehört einfach angesprochen. Und wenn man drüber lachen kann, dann kann es nicht schlecht sein.

Haben Sie beim Schreiben schon diese Hemmschwelle, dass Sie sagen: »Den kann ich nicht bringen.«?
Oft.

Wie viel wird vom Zensor im eigenen Kopf gestrichen?
Also wenn ich beim Schreiben selber lachen muss, dann müssen meist auch Leute im Publikum lachen. Es gibt dann trotzdem Punkte, wo ich sage, das kannst nicht machen, weil das viele verschrecken würde. Das ist vor allem beim zweiten Programm, an dem ich gerade schreibe, so und das ist viel schlimmer als beim ersten Mal. Damals hab ich mir überhaupt nichts gedacht, da war mir das alles wurscht. Jetzt fängt aber das Denken an. Du kennst ein paar Kritiker, du kennst da ein paar  Leute und da, aber man sollte das nicht zu sehr einfließen lassen. Die Leute mögen mich ja, weil ich es so gemacht hab, wie ich es gemacht hab, und nicht weil ich berechnend bin. Aber die Erfahrung auf der Bühne verändert dich einfach. Deshalb geht man automatisch ein bisschen in die Richtung, von der man merkt, dass sie funktioniert. Ich versuch das zu verhindern, aber so ganz geht es nicht.

Wenn Sie schon manche Dinge nicht mehr sagen können, wie geht es dann erst Leuten, die nicht diesen Schutz des Humors haben? Wenn Sie auf der Bühne sind, ist allen klar: Der meint es lustig.
Das finde ich nicht.

Gut, aber es steht immer unter dem schützenden Nimbus der Ironie. Sie können immer relativieren, was ein Politiker niemals könnte.
Das ist ein großes Privileg. Der Alf Poier, den ich sehr lustig finde, hat mal gesagt, er macht »Anarcho-Kabarett«. Das ist doch kompletter Unsinn. Was gibt es denn für ein totalitäreres Regime als eine Bühne? Einer redet und unten sitzen die Leut‘ und halten die Goschen. Von Anarchie kann da nicht die Rede sein.

Weil keiner die Bühne stürmt.
Genau, das ist total verpönt. Es ist eine eindeutige Hierarchie: Ihr hört zu und zeigt mir, dass ich gut bin. Und natürlich bin ich froh, dass die Leute mich sehen wollen. Wenn ich nach Deutschlandsberg gehe und da kommen 200 Leute, ist das super. Wenn ich dann in Wien auftrete und da kommen auch noch 200 Leute, von denen ich aber keinen mehr kenne – super. Die kommen, weil sie zuhören wollen. Das ehrt einen, aber so ganz leicht ist es nicht, damit umzugehen. Das ist schon ein bissl einschüchternd.

Warum?
Weil du Einfluss hast. Wenn da nachher wer kommt und will, dass du ein Plakat unterschreibst, ist das schon schräg.

Aber das ist doch noch ein ziemlich angenehmer Einfluss. Sie haben schon Witze über den Kameradschaftsbund angesprochen. Gibt es auch so etwas wie einen politischen Einfluss? Auch wenn das jetzt nach einem großen Wort klingt.
Wenn das, was ich mache, Leute überrascht, die nicht damit gerechnet haben, dass ich eine politische Haltung hab, kann das schon was bewegen. Ein Furz in der Landschaft natürlich, aber wenn sich einer überlegt, dass vielleicht nicht alles nur immer richtig ist, dann ist das schon super.

Neben dem Villacher Fasching gibt es noch eine zweite große Bühne fürs Kabarett, das ist der ORF. Warum hat man Sie da noch nicht gesehen? Weder bei der »Großen Chance« noch bei Stermann und Grissemann?
Na zwischen den beiden müssen wir schon unterscheiden. Der ORF an sich hat ein Monopol, das ist irre. Dieser Sender macht dich berühmt oder nicht. Und das ist mir per se schon mal wahnsinnig unsympathisch. Für die »Große Comedy Chance« wurde dreimal bei der Agentur angefragt und wir haben immer abgesagt. Wenn man sich nur die »Große Chance« anschaut: Die Gewinnerin des letzten Jahres, Christiane Hödl, musste zuletzt ein Konzert in Bruck an der Mur absagen, weil es für eine Halle mit 500 Plätzen nur 13 Reservierungen gab. Bei solchen Shows wird aus dem Künstler das rausgequetscht, was geht, und dann bist du vergessen. Aber einen Künstler muss man aufbauen. Wenn du vor zehn Leuten funktionierst, dann kannst du auch vor 1.000 Leuten auftreten. Aber wenn du vor den 1.000 spielst und nur die Hälfte findet‘s gut, dann lachen noch immer 500. Versuch mal vor zwei Leuten zu spielen. Das ist mordsschwierig. Und bei dieser »Großen Comedy Chance« waren einfach auch Sachen dabei, wo fremdschämen ein Hilfswort ist. Und bevor man dort Perlen vor die Säue wirft … Wenn man mitmacht, hat der ORF alle Verwertungsrechte an den dort gespielten Stücken. Und für Stermann und Grissemann bin ich einfach noch zu unbekannt. So einfach.

Aber kann eine solche Bühne nicht auch ein Sprungbrett sein?
Na klar hast du im Fernsehen hundertmal mehr Zuschauer. Und natürlich würd mir das taugen, aber wenn, dann muss es stimmen. Würden Sie zur »Großen Journalismus Chance« gehen?

Klingt grausam.
Ja, irgendwas stellt sich da im Nacken auf. So ganz gerade kann das nicht ablaufen. Man ist ein billiger Beitrag zum Hauptabendprogramm und ist ausgeliefert. Und das ist es nicht wert. Ich wollte das von Anfang an gerade, richtig, langsam und bewusst machen.

Langsam ist ein ziemlicher Euphemismus. Sie spielen inzwischen fast jeden zweiten Tag.
Das stimmt schon, ich kann im Moment auf relativ hohem Niveau jammern, aber ich hoffe, es ist klar, was ich meine. Es waren letztes Jahr knapp 160 Auftritte und so viel werden es heuer wohl auch. Aber ich versuche mich nicht zu verkaufen und mich selber nicht zu verheizen, sondern das Ganze möglichst bewusst aufzubauen.

Sie spielen im Niedermair in Wien, im Posthof in Linz und im Theatercafé in Graz. Müssen Sie so oft spielen oder wollen Sie das?
Prinzipiell läuft es so, dass die Agentur mir einen Kalender mit den Terminen schickt, die sie gebucht haben, und ich habe da aufzutreten. Prinzipiell. Natürlich kann ich hie und da sagen: Runter vom Gas, hier will ich frei haben. Der Juli ist so und so frei, weil Kabarett ein Wintersport ist, aber der Winter geht halt im September los.

Ist es finanziell nötig, so oft aufzutreten?
Es würde mit der Hälfte auch gut gehen. Aber ich muss jetzt mal ein Publikum finden, die Leute müssen mich kennenlernen, ich muss Erfahrungen sammeln.

Wenn man 160 Auftritte im Jahr hat, hängt einem der eigene Schmäh nie zum Hals raus?
Das ist eine beliebte Frage, verständlicherweise. Natürlich muss ich nicht mehr lachen, wenn ich mein Programm hundertmal gespielt hab. Aber das Schöne an den Live-Auftritten ist ja, dass jeder Abend anders ist, und ich hab meinen Spaß halt mit dem Publikum. Du kannst jeden Abend einfahren oder die Hütte zerlegen. Und deshalb bleibt auch die Nervosität, dieses unmittelbar ausgeliefert sein. Das wird auch zur Sucht. Es ist unfassbar, wenn du einen Abend hattest, nach dem du dir denkst: Heute war‘s richtig gut. Das ist wie auf Droge. Ich kann vier Stunden heimfahren und das ist kein Problem.

Und das Gegenteil?
Ist genauso extrem. Wenn du eine Woche gespielt hast und am nächsten Tag bei dir zu Hause den Geschirrspüler ausräumst, applaudiert keiner. Und wenn du duschen gehst auch nicht. Und wenn dann drei, vier Tage keiner applaudiert, dann wird das schon ein bissl komisch und ich muss erst mal wieder runterkommen und merken: Ich bin nur der Paul. Nach den ersten zwanzig Auftritten glaubst du ja, du bist der Größte.
Sie haben einen Bachelor in Germanistik, behaupten aber, dass ein Maschinenbau-Studium genauso viel für Ihr Sprachgefühl gebracht hätte.
Genau, zwei Wochen vorm Studium hab ich noch nicht gewusst, was ich studieren soll. Und ich hab immer schon viel geschrieben, Schüttelreime gemacht, mir haben Wortspiele gefallen. Und ich dachte mir, es gibt für alles eine Begründung, aber nicht für den viertausendundersten Jus-Studenten.

Aber für den dreitausendsten Germanisten?
So brutal hab ich mich selber noch nie ins Abseits geschossen. Ich hab in acht Semestern, was eh lang ist für einen Bachelor, nie einen Text schreiben müssen, der etwas mit mir zu tun hatte. Es war immer: Zitierskriptum abschreiben, formulieren, fertig. Stil war egal, wissenschaftliches Schreiben war alles. Das war es und fertig.

Vor drei Jahren gab es die ersten Erfolge, im April 2011 erhielten Sie den Kabarettpreis Kleinkunstvogel und wussten relativ schnell, dass Sie das zum Beruf machen wollen.
Dort hat mich auch die Agentur gesehen, und im November hab ich die Premiere vom Soloprogramm gehabt. Da gab es natürlich noch ein paar andere, die mir erklären wollten, wie man das große Geschäft machen kann, aber ich hab da immer auf mein Bauchgefühl gehört und bilde mir zumindest ein, dass meine Menschenkenntnis ganz gut funktioniert. Und dass es dann so abgeht, hätte sich niemand gedacht. Das war Glück, der richtige Zeitpunkt, und jetzt heißt es dabeibleiben.

Roland Düringer wird 50, Josef Hader wird 51 und Alfred Dorfer ist schon 52. Wenn Sie sich die drei Koryphäen des österreichischen Kabaretts anschauen, können Sie sich vorstellen, es so lang zu machen?
Ich würde es mir wünschen. Die Herren sind jetzt nicht mehr so blutjung und momentan findet ein Generationenwechsel statt. Bei Düringer hat man das am deutlichsten gesehen. Der hat alles hingeschmissen. Zwischen »Benzinbrüdern«, »Hinterholz 8« und heute, wo er als Wutbürger auf Moralapostel macht und so tut, als könnte er die Welt verändern, ist ein riesiger Unterschied.

Aber es ist doch zulässig, sich immer mal zu verändern.
Er verhaut sich da unheimlich viel, glaube ich. Der klassische Düringer-Zuschauer – bitte nicht falsch verstehen – kommt aus Floridsdorf, ist braungebrannt, geht mit einem Ed-Hardy-Kapperl hin und sagt: »Geh ma Düringer schauen.« Und das passt ja auch. Aber dann bei Barbara Stöckl auf Ö3 zu sagen, dass er sich aus der Öffentlichkeit zurückziehen will … Dann soll er‘s halt tun. Jetzt hat er ein Buch geschrieben, wie er aus dem System aussteigen will, das kann man bei Amazon bestellen. Also ein Systemkritiker vor dem Herrn. Ich finde es absolut nachvollziehbar, dass einer aussteigen will, aber so verstehe ich das nicht.

Die drei »Staatskünstler« Scheuba, Palfrader, Maurer und die drei anderen Herren arbeiten sich alle an der Politik ab. Ihr eigenes Programm bleibt meist im familiären Kreis.
Dieses tagespolitische Kabarett reizt mich nicht und ich glaube auch, das kann ich nicht so gut. Wenn ich da versuche etwas zu basteln, wird das nichts. Das hängt vielleicht mit dem Alter zusammen. Am Anfang schreibt man immer: »Mein Leben, meine Welt«. Das kann ich abschätzen, da kenn ich mich aus.

Ist das schon die viel zitierte Politikverdrossenheit der Jugend? Sie gehören zu der Generation, der das immer unterstellt wird.
Man kann nicht unpolitisch sein. Irgendeine Haltung wird man wohl haben. Bei der Wehrpflichtdiskussion war ich zum Beispiel schwer fürs Berufsheer, aber ich will das nicht in meine Kunst einfließen lassen. – »Kunst« ist so ein starkes Wort für das, was ich halt auf der Bühne mache.

Das darf man schon als Kunst bezeichnen.
Ich hab nur so viele Leute kennengelernt, die gesagt haben »Ich bin Künstler« und »Guten Tag, ich komme vom Theater«. Diese Abgehobenheit will ich nie haben. Aber man sollte schon irgendeine Aussage haben. Dazu ist man verpflichtet, wenn man auf so einer Bühne steht.

Lässt sich Ihre Message auf einen Satz verkürzen?
Vor allem beim jetzigen Programm ist es die Nachricht, dass man viel, viel mehr Spaß am Leben hat, wenn man sich selber nicht so ernst nimmt. Das Ego ist halt ein Arschloch.

Sagt ein junger Mann mit großen Ego.
Naa, gar nicht. Auf der Bühne geht es, aber jeder, der auf der Bühne steht, hat einen Schaden. Jeder. Das ist ganz anders, wenn du vor einem Mädel stehst. Und ich find es so schade, wenn sich Leute zu wichtig nehmen. Wir sind nicht wichtig, wir sind alle irgendwer. Auch der Hader ist irgendwer. Und er weiß es und das macht ihn so groß. Und deshalb kann man diesen Menschen auch so bewundern.

Wie wichtig ist Dialekt auf der Bühne? Es gibt außer Günther Paal kaum einen Kabarettisten, der sein Programm auf Hochdeutsch macht. Sie sprechen auf der Bühne zum Teil ein Weststeirisch, das Steirer nicht verstehen.
Das ist auch das Ziel dabei. Wenn solche Teile kommen, will ich doch, dass Steirer, die meinen, sie können steirisch, sich nicht mehr auskennen.

Warum?
Weil ich irrsinnige Freud daran hab, schiach zu reden. »Hässlich« ist ein schönes Wort, aber »schiach« ist treffender. Das Lustige ist ja, dass du aus dem Zusammenhang trotzdem kapierst, was gemeint ist. Ich finde es einfach lustig. Das ist natürlich dünnes Eis, weil schlecht nachgemachter Dialekt sehr, sehr peinlich ist. Bundesdeutsche, die Österreicher nachmachen. Ganz, ganz schlimm.

Das Hässliche und Schiache ist die Grundlage allen Kabarett-Stoffs?
Es muss zumindest irgendwas Tragisches sein, damit man drüber lachen kann. Über die Sachen, die nur schön sind, kann man nicht lachen.

Deshalb ist es wahrscheinlich auch überhaupt nicht lustig, dass Sie inzwischen an der »Wall of Fame« des Grazer Theatercafés hängen. Was soll denn jetzt noch kommen?
Na ich mach jetzt mal als zweites Programm ein »Best of«. Aber im Ernst: Dranbleiben, weitermachen.

Die Kochkünste Ihrer Großmutter kommen im Programm nicht sonderlich gut weg. Kommt Ihre Familie mit Ihrem Humor klar?
Absolut, sie wissen, dass ich da als Kunstfigur stehe. Natürlich ist viel wahr von dem, was ich erzähle, aber das wissen eh nur sie. Meine Mutter kennt mich sehr gut und wird mir das nie bös nehmen. Und wenn ich dann in der Zeitung bin und die Leute meine Oma anreden, dann ist sie froh. Das Wichtigste am Kabarett ist ja, dass nachher Leute sagen: »Genau so ist es.« Wenn du einen Schmäh machst über Dinge, die total surreal sind, kann das auch lustig sein, aber die Dinge, die wirklich passieren, sind meiner Meinung nach mehr wert.

Gab es irgendwann eine Phase, wo die Familie gesagt hat: »Bua, lern was Vernünftiges.«?
Nie. Meine Mutter war immer der Meinung: Wenn du als Straßenkehrer glücklich bist, ist das auch in Ordnung. Meine Eltern sind beide Ärzte, das wollte ich nie machen. Ich möchte die Leute unterhalten und ich will, dass sie am Ende rausgehen und es ihnen besser geht als vorher. Deshalb relativiere ich am Ende vom Programm auch noch einmal alles mit dem Lied vom Großvater. Ich schimpfe die ganze Zeit und am Ende versuch ich das umzudrehen, weil keiner perfekt ist und keiner alles richtig macht.

Herr Pizzera, vielen Dank für das Gespräch.

Paul Pizzera wurde 1988 mit dem bürgerlichen Namen Paul Pizzera in Deutschlandsberg geboren. 2007 machte er erste Erfahrungen bei Poetry-Slams und hatte dabei schnell Erfolg. 2009 gewann er unter anderem den Poetry-Slam bei den Grazer Minoriten und den 2. Platz bei den österreichischen Poetry-Slam-Meisterschaften. 2011 folgte der Durchbruch mit dem Gewinn des Grazer Kleinkunstvogels und des neuen Badener Kabarett-Preises »11 Minuten«. Im November 2011 hatte sein erstes Solo-Programm »Zu wahr, um schön zu sein« Premiere.

Fazitgespräch, Fazit 90 (März 2013) – Foto © J.J.Kucek

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