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Politicks Oktober 2013

| 26. September 2013 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 96, Politicks

Show statt Information im TV-Wahlkampf
In wenigen Tagen ist es geschafft und der Wahltermin setzt einem Wahlkampf ein Ende, der wohl wieder in einer rotschwarzen Koalition münden wird. Insgesamt hat sich in den letzten Wochen der schlechte Eindruck, den weite Bevölkerungskreise von der Politik haben, verfestigt. Statt ihre Kompetenz zu beweisen, haben sich die Spitzenkandidaten oft selbst geschwächt. Ein Beispiel für diese Selbstbeschädigung war etwa das TV-Duell zwischen VP-Chef Michael Spindelegger und BZÖ-Obmann Josef Bucher. Logisch wäre es gewesen, über Themen zu diskutieren, bei denen beide Politiker trotz unterschiedlicher Positionen punkten hätten können. Dafür hätte sich etwa die Eurorettung angeboten, wo beide völlig unterschiedliche Konzepte verfolgen. Stattdessen stritten sich Spindelegger und Bucher vor laufenden Kameras darüber, wer die größere Schuld am Hypo-Debakel trägt. Mit dem Ergebnis, dass die 1,3 Millionen TV-Zuseher dieser Konfrontation nur zur Überzeugung gelangt sein können, dass sowohl das BZÖ als auch die ÖVP tief in den Hypo-Sumpf verstrickt sind. Das BZÖ, weil Jörg Haider die Milliardenhaftung des Landes Kärnten zu verantworten hatte, und die ÖVP, weil sie wegen der möglicherweise übereilten Notverstaatlichung der Pleite-Bank durch ihren damaligen Parteichef Josef Pröll die finanzielle Verantwortung von den bayrischen Eigentümern und den Hypo-Gläubigern auf den Steuerzahler abgewälzt hat.
Die Stimmbürger können dennoch – trotz dieses Wahlkampfes – beruhigt sein. Unsere Politiker sind bei weitem nicht so inkompetent, wie sie in den letzten Wochen auf uns gewirkt haben. Außerdem gilt, dass vieles, was vor einer Wahl verzapft wird, mit dem Wahlabend seine Gültigkeit verliert. Und so kann man sich etwa in Wirtschaftskreisen ziemlich sicher sein, dass Werner Faymann nicht im Traum daran denken wird, jene wirtschaftsfeindlichen Programmpunkte umzusetzen, mit denen er die Wiener Gemeindebau-Sozis oder die SPÖ-Pensionisten zur Wahlurne bringen will. Es wird daher weder eine Vermögenssteuer noch ein Mietrecht geben, das dazu führt, dass die Vermieter ihre Wohnungen lieber leer stehen lassen, als sie auf den Markt zu bringen. Und wenn Michael Spindelegger im Wahlkampf mitunter wie ein Autist gewirkt haben mag, liegt das daran, dass er völlig „overcoached“ in manche TV-Diskussionen gegangen ist und nicht an seinem Geisteszustand.
Kein Mensch weiß im Nachhinein, warum sich gerade die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP auf so viele TV-Duelle einlassen konnten. Die Opposition nutzte die zahlreichen Gelegenheiten weidlich, um sich endlich einmal auf Augenhöhe mit Kanzler und Vizekanzler zu „matchen“. Mit dem Korruptionsthema hatte etwa die in dieser Frage völlig unverdächtige Eva Glawischnig genug Munition, um ihre Kontrahenten bei den TV-Diskussionen in der Ecke zu halten. Die Grünen konnten so wochenlang ihre Korruptionsvorwürfe trommeln, statt die Wähler mit inhaltlichen Alternativen zur Regierungspolitik überzeugen zu müssen.

Der Widerstand  gegen die Gemeindefusionen bröckelt
Mit völlig anderen Problemen rund um die Nationalratswahl sehen sich indessen die steirischen Reformpartner, Landeshauptmann Franz Voves und LH-Vize Hermann Schützenhöfer, konfrontiert. Die Widerständler gegen die Gemeindereform haben zum Wahlboykott von SPÖ und ÖVP aufgerufen. Hintergrund dieser politischen Verzweiflungstat ist der näher rückende 30. September, die „Deadline“, bis zu der die Gemeinden freiwillige Fusionsbeschlüsse fassen können und dafür vom Land eine Fusionsprämie erhalten. Tatsächlich beschließen inzwischen immer mehr betroffene Gemeinden, mit ihren Nachbarn zusammenzugehen, obwohl ihre Bürgermeister ursprünglich gemeinsam mit der „Gemeindeinitiative“ gegen die Fusionen eingetreten sind. Dadurch sehen sich die verbliebenen Reformgegner an die Wand gedrückt. Inzwischen ist klar, dass kaum ein Bürgermeister, dessen Gemeinde auf der Fusionsliste der Reformpartner steht, eine echte Chance hat, sich dagegen vor dem Verfassungsgericht zu widersetzen. Die Reformpartner haben sich nämlich bei ihrem Vorhaben auf infrastrukturell besonders schlecht ausgestattete Gemeinden beschränkt, die auch wirtschaftlich viel zu schwach sind, um sich ohne massive Unterstützung des Landes entsprechend zu modernisieren. Dass der Wahlboykott der frustrierten Bürgermeister greift, ist kaum anzunehmen. Schließlich haben die bisherigen Abstimmungen gezeigt, dass es den meisten Menschen ziemlich egal ist, ob sie zur Gemeinde X oder Y gehören. Sie stimmen nur für oder gegen die Eigenständigkeit ihrer Gemeinde, wenn sie von ihren Bürgermeistern dazu gebeten wurden. Ob die Loyalität der Dorfbewohner so weit reicht, dass sie deswegen nicht zu Nationalratswahl gehen, ist anzuzweifeln. Außerdem leben nur etwa fünf Prozent der wahlberechtigten Steirerinnen und Steirer in betroffenen Gemeinden. Selbst ein erfolgreicher Wahlboykott hätte daher nur marginale Auswirkungen auf das steirische Wahlergebnis.
Nach dem 30. September werden die Reformpartner sich daher recht rasch mit jenen Beschlüssen befassen, die notwendig sind, um auch jene Gemeinden zusammenzuführen, die sich nicht „freiwillig“ zur Fusion entschließen konnten. Das Problem der wirtschaftlich starken Speckgürtelgemeinden, in unmittelbarer Nähe der attraktiven, aber in ihren Entwicklungsmöglichkeiten räumlich stark eingeengten Zentralorte, bleibt dennoch virulent. Es kann erst von einer nächsten Reformregierung in Angriff genommen werden und bedarf wohl einer Verfassungsänderung im Bereich der Gemeindeautonomie.

Graz hat’s – die Gratis-Bim
Noch merkt man wenig von ihr. Und doch ist allein ihre Idee, ihre bloße Existenz ein erfreuliches Politikum: die Altstadtbim. Seit Schulbeginn darf jeder und jede in der Grazer Innenstadt kostenlos und ohne Fahrschein fahren. Zwischen Dietrichsteinplatz und Kunsthaus, zwischen Finanzamt und Schloßbergstiege. Was Peter Michael Lingens im Profil noch als Utopie formuliert hat, haben Verkehrsstadtrat Mario Eustacchio und Bürgermeister Siegfried Nagl für Graz zumindest ein bisschen Realität werden lassen.
Eine Gratis-Bim, für alle, zu allen Uhrzeiten, an allen Tagen. Ein mutiger Schritt und doch nur ein zaghafter in die richtige Richtung. Natürlich haben nicht alle etwas von der Gratis-Bim, entweder weil sie bereits eine Langzeitkarte haben oder außerhalb der kostenfreien Zone wohnen und auch in Zukunft so viel wie bisher zahlen.
Was muss als Nächstes passieren, um diesen mutigen Weg erfolgreich weiterzugehen? Der nächste Schritt besteht – das ist einfach – darin, die Verbindung bis zum Hauptbahnhof kostenfrei zu machen. Touristen werden die gesparten zwei Euro umso freudiger in der sich noch wiederbelebenden Annenstraße oder der Innenstadt ausgeben. Pendler hätten einen Grund mehr, das Auto möglichst weit weg von der blauen Zone stehen zu lassen. Das würde langfristig nicht nur die Parkplatzsituation entspannen, sondern auch die allmorgendlich verstopften Zufahrtsstraßen. Mit jeder weiteren kostenlosen Haltestelle werden sich ein paar Autofahrer mehr davon überzeugen lassen, auf den öffentlichen Verkehr umzusteigen. Der entscheidende große Schritt muss irgendwann folgen: Freifahrt zwischen allen Park-and-Ride-Anlagen und der Innenstadt.

Nach OGH-Urteil stehen Schweinefabriken vor dem Aus
Bauern sind keine Gewerbebetriebe. Ein komplexes gewerberechtliches Verfahren ist für große Schweineställe trotz der massiven Geruchsbelästigung, die von ihnen ausgeht nicht vorgesehen. In der Vergangenheit reichte daher ein Baubescheid des Bürgermeisters um eine große Schweinefabrik durchzuwinken.
Mit einem Gerichtsurteil, das ein oststeirischer Wirt vor dem OGH gegen seinen Nachbarn erwirkte, hat sich das nun geändert. Der vom Bürgermeister genehmigte Stall muss entweder geschlossen oder so umgebaut werden muss, dass er nicht mehr stinkt.
Agrarlandesrat Hans Seitinger sprach in Zusammenhang mit diesem Urteil von einem schweren Schlag und sieht in der Folge 6000 Bauern in ihrer Existenz gefährdet, weil die Rechtssicherheit verlorengegangen sei. Tatsächlich sehen inzwischen überall in der Steiermark die geplagten Anrainer von Großställen eine neue Chance, ihre Lebensqualität gerichtlich durchzusetzen. In Zukunft werden rechtssichere Ställe wohl nur noch mit einem gewerberechtlichen Verfahren errichtet werden können. Die Südoststeiermark mit ihren vielen Streusiedlungen scheidet damit als Standort für die herkömmliche Schweinemast aus.

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Politicks, Fazit 96 (Oktober 2013)

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