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Politicks Juli 2014

| 2. Juli 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 104, Politicks

Klug für Intensivierung der gemeinsamen EU-Verteidigungspolitik
Verteidigungsminister Gerald Klug will offenbar darangehen, die Verteidigungspolitik der EU-Staaten weiter zu harmonisieren. Dass dieses Thema gerade im pseudo-neutralen Österreich ein besonders heißes Eisen ist, kann man sich denken. Daher sollte man Gerald Klug zu seinem Mut gratulieren, anstatt ihn als potenziellen Landesverräter niederzumachen.
Derzeit gibt es zwar die gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, doch die existiert eigentlich nur auf dem Papier. Zu viel mehr als etwa zu einer Polizeimission in Bosnien hat es bisher nicht gereicht. Dabei könnte die EU militärisch ganz anders dastehen. Denn die EU-Staaten kommen gemeinsam auf einen Verteidigungsetat von 190 Milliarden Euro. Das entspricht zwar nur etwa einem Drittel der US-Ausgaben, ist aber um einiges höher als das Militärbudget von China, Russland, Brasilien und Indien zusammen.
Gerald Klug kritisierte nun die ineffizienten Strukturen der EU-Verteidigungspolitik. Denn da wird teilweise 28-fach gemoppelt. Derzeit könne die EU, so Klug, die Sicherheit ihrer Mitglieder nur durch den Schutz der USA garantieren. Da sich die sicherheitspolitischen Interessen der USA jedoch zunehmend in Richtung Asien verlagern, sieht der Verteidigungsminister den Zeitpunkt dafür gekommen, an dem Europa endlich Verantwortung für seine eigene Sicherheit übernimmt. Das Geld hierfür ist ja augenscheinlich vorhanden.
Gegenüber der APA folgerte Klug aus den aktuellen Konflikten in der Ukraine und Syrien, dass sich Europa sicherheitspolitisch emanzipieren muss. Als ersten Ansatzpunkt sieht er die mangelnde Ausstattung der europäischen Armeen in den Bereichen Cyberverteidigung, Transport oder Drohnen-Technologie.
An eine Auslagerung der Luftraumverteidigung an die europäischen Nachbarn denkt Klug – anders als der Generalstab – übrigens nicht. Aus seiner Sicht müsse das Bundesheer seine Kernaufgaben auch in Zukunft autonom bewältigen können.

Der Semmeringtunnel wird endlich weiter gebaut.
Solange die Kassen des Bundes so klamm sind und das Verhältnis zwischen der Bundesregierung und der Steiermark so angespannt ist, sind die Steirer gut beraten, keine Gelegenheit auszulassen, um in Wien auf die rasche Umsetzung des Semmeringtunnels zu bestehen. Denn nicht nur die Bundesregierung, sondern auch andere Bundeländer schielen auf die mehr als drei Milliarden Euro, die bis 2024 im Loch unterm Semmering verbaut werden sollen. Nachdem das Verkehrsministerium keinen unanfechtbaren UVP-Bescheid zusammengebracht hatte, war man in der Steiermark natürlich nervös geworden. Doch nun ist der Bau wieder auf Schiene. Die Baugenehmigung ist nun – 31 Jahre nachdem Verkehrsminister Lausecker das Projekt initiierte – endlich rechtsgültig. Dass es solange gedauert hat, hat natürlich politische Gründe. Über einen langen Zeitraum verknüpfte der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll sein »Placet« zum Tunnel mit dem Bau des Semmering-Straßentunnels und danach mit dem Ausbau des niederösterreichischen Personennahverkehrs.
Erst nachdem Pröll seine Landesinteressen befriedigt sah, beendete er den Widerstand gegen den Semmeringtunnel. Trotzdem brachte das Verkehrsministerium jahrelang kein tragfähiges Projekt und danach keine gültigen Bescheide zusammen. Jetzt endlich wurden die ausstehenden Lärmmessungen durchgeführt und das Umweltverträglichkeitsgutachten vervollständigt. Die ÖBB haben neue – auch vor dem VWGH kompetente – Sachverständige beauftragt, was es dem Ministerium ermöglichte, einen neuen Bescheid ohne zusätzliche Auflagen zu erlassen. Die Erleichterung und die Freude des steirischen Wirtschaftslandesrats Christian Buchmann über den neuen Bescheid ist daher nur zu verständlich. »Für die steirische Wirtschaft ist die Erreichbarkeit auf Straße, Schiene und aus der Luft besonders wichtig, denn jeder zweite Arbeitsplatz ist unmittelbar von den Exporterfolgen der heimischen Unternehmen abhängig«, so Buchmann. Für die exportorientierten steirischen Unternehmen ist der Semmeringtunnel daher essenziell. Die Steiermark darf durch den Tunnel zudem auf Impulse für die Mur-Mürzfurche hoffen.

Pflegefinanzierung: Steirisch-niederösterreichischer Schulterschluss
Der steirische Gesundheits- und Pflegelandesrat Christopher Drexler und seine niederösterreichische Ressortkollegin Barbara Schwarz thematisierten in einer gemeinsamen PK die drohende Unfinanzierbarkeit des Pflegebereichs. Die jährlichen 350 Millionen Euro, mit denen der Pflegefonds vom Bund bis 2018 dotiert wurde, seien nicht ausreichend, so Drexler und Schwarz. Die Pflegekosten in den Ländern würden jährlich um 150 Millionen Euro steigen. Die Bundesländer könnten nicht auf Dauer für das Sozialministerium einzuspringen. Notwendig sei ein nachhaltiges Pflege-Finanzierungsmodell, das es gemeinsam mit dem Sozialminister zu entwickeln gelte.

Steuerdebatte: AK-Präsident Pesserl warnt vor Lohnsteuerfalle
Wegen der kalten Progression hätten die Arbeitnehmer in den letzten Jahren echte Reallohnverluste hinnehmen müssen, unterstrich AK-Präsident Josef Pesserl die Arbeitnehmerforderung nach einer raschen Lohnsteuerreform. Die Nettoeinkommen seien seit 2010 zwar deutlich gestiegen, die reale Kaufkraft habe im gleichen Zeitraum jedoch um beinahe vier Prozent abgenommen, so die Arbeiterkammer.
Aus diesem Grund fordert Pesserl nun bis 1. Jänner 2015 die rasche Senkung des Eingangssteuersatzes von 36,5 Prozent auf 25 Prozent. Das würde die österreichischen Steuerzahler um etwa vier Milliarden Euro entlasten. Ein Fünftel dieses Betrages erwartet die AK aus Multiplikatoreffekten infolge eines gestiegenen Konsums. Den Rest will Pesserl aus vermögensbezogenen Steuern lukrieren. Bei der Einschätzung der Vermögenssteuererträge bezieht sich die AK auf eine Studie der Uni Linz.

Landtagswahl 2015: Machen Voves und Schützenhöfer doch weiter?
Dass sie bei der nächsten Landtagswahl für ihre mutigen Reformen abgestraft werden, können sich Landeshauptmann Franz Voves und sein Vize Hermann Schützenhöfer angesichts der letzten Wahlgänge schon heute denken. Vor allem die Gemeindestrukturreform hat viele ehemals treue Parteisoldaten und Stammwähler irritiert. Und obwohl sich in vielen »Fusionsgebieten« bereits eine – dem Vernehmen nach durchaus motivierte – neue Funktionärsgeneration herausgebildet hat, gibt es sowohl bei SPÖ als auch ÖVP nach wie vor »Widerständler«, die nun den Gang zum Verfassungsgericht antreten werden, um die Reform unter großer medialer Anteilnahme für ihre Gemeinden zu kippen. Selbst wenn das nur eine Handvoll der betroffenen Bürgermeister tut, ist ihnen bundesweite Aufmerksamkeit gewiss.  Und natürlich gibt es Verlierer durch die Reformpartnerschaft. Wenn Beamte nicht nachbesetzt werden oder Bezirkshauptmannschaften und Landesabteilungen zusammengelegt werden, fühlen sich die Betroffenen um ihre Karrierechancen gebracht. Und auch die Verringerung der jährlichen Kostenexplosion im Sozialbereich – von Einschnitten kann man diesbezüglich wirklich nicht sprechen – hat die Pläne vieler Organisationen im steirischen Sozialgefüge durchkreuzt. Denn deren systematische Suche nach Ansatzpunkten für neue steuerfinanzierte Sozialdienstleistungen verläuft nun immer öfter im Sand.
Für die Parteistrategen von SPÖ und ÖVP ist das keine einfache Situation. In der SPÖ ist man sich einig, dass der Landeshauptmannsessel nur mit Franz Voves als Spitzenkandidaten verteidigt werden kann. Voves hat unter den Reformbefürwortern ganz sicher einen LH-Bonus. Außerdem könnte dadurch eine ÖVP-Kandidatur von Siegfried Nagl verhindert werden. In diesem Fall würde dann tatsächlich auch Hermann Schützenhöfer noch einmal in den Ring steigen. Für das Land hätte diese Konstellation jedenfalls den Vorteil, dass dann die Reformpartnerschaft mit großer Wahrscheinlichkeit weitergehen würde.

Mitterlehner will Bedingungen für Mittelstand verbessern
Entgegen den ursprünglichen Prognosen wächst Österreich viel zu langsam. Statt 1,7 Prozent sollen es heuer nun laut Wifo nur 1,4 Prozent sein. Nach Jahrzehnten, in denen unsere Wachstumsraten immer um einige Zehntelprozentpunkte über den deutschen lagen, droht uns nun ein schmerzlicher Rückfall, denn Deutschland wird heuer um satte zwei Prozent wachsen. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner will nun mit einer Mittelstands-Offensive den Standort stärken und die Rahmenbedingungen für die Unternehmen verbessern. Als Schwerpunkte nennt der Minister die Bereiche Industrie 4.0, Energiepolitik, Arbeitsmarkt und Qualifikation. „Österreich liegt mit einem Industrieanteil von 18,3 Prozent deutlich über dem EU-Schnitt von 15,2 Prozent, hat aber noch viel Potenzial nach oben“, so Mitterlehner. Mit seiner Standortstrategie will er die Unternehmen in die Lage versetzen, im schärfer werdenden Wettbewerb mit anderen, stärker wachsenden Weltregionen außerhalb der EU bestehen zu können. Als wichtigste Stellschrauben gelten ein klares politisches Bekenntnis für eine Forschungs- und Innovationsoffensive, die Optimierung der Energiepolitik sowie Arbeitsmarkt- und Ausbildungsreformen. Außerdem haben Österreichs Unternehmen große Probleme, sich zu finanzieren. Schon jetzt müssen selbst die großen Leitbetriebe unter den österreichischen Exporteuren aufgrund der Finanzierungssituation massive Nachteile in Bezug auf Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit auf sich nehmen.

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Politicks, Fazit 104 (Juli 2014)

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