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Politicks Oktober 2015

| 28. September 2015 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 116, Politicks

Das Asylthema überlagert alles andere
Mit dem Beschluss, Flüchtlinge unkontrolliert über Ungarn nach Deutschland und Österreich einreisen zu lassen, haben die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr österreichischer Kollege Werner Faymann die Völkerwanderung aus dem Nahen Osten wohl zusätzlich beschleunigt. Nach nur wenigen Tagen zeigten sich beide Staaten jedenfalls vom unmittelbaren Flüchtlingsansturm völlig überfordert. Und so wurden die im Schengenabkommen geregelten offenen EU-Binnengrenzen ausgesetzt.
Merkel und Faymann forderten nun vor wenigen Tagen in einer gemeinsamen Pressekonferenz einen EU-Sondergipfel der EU-Staats- und Regierungschefs. Zuvor waren sie mit ihrem Ansinnen, wenigstens einen kleinen Teil der Flüchtlinge auf andere EU-Staaten abwälzen zu wollen, beim Rat der EU-Innenminister gescheitert. Widerstände gegen verbindliche Flüchtlingsquoten kommen von den Regierungen aller EU-Länder außer jenen von Deutschland, Österreich und Schweden. Vor allem die Osteuropäer wollen auf keinen Fall die Suppe auslöffeln, die ihnen – ihrer Meinung nach – von Merkel und Faymann mit ihrer »Willkommenspolitik« eingebrockt wurde. Außerdem sind sie davon überzeugt, dass die Flüchtlinge gar nicht bei ihnen im Land bleiben würden, sondern bei erster Gelegenheit nach Deutschland weiterreisen würden. Die meisten EU-Staaten sehen sich außer Stande, den Flüchtlingen und ihren noch nachkommenden Familien eine ähnliche soziale Sicherheit zu bieten, wie sich diese von »Germany« oder »Austria« erwarten.

Oberösterreich- und Wienwahl: Um wie viel legt die FP zu?
In Wien heißt das Match »Häupl gegen Strache«. Die SPÖ ist in den Umfragen auf 36 Prozent abgestürzt. Die FPÖ ruft hingegen zur Oktoberrevolution auf, um Häupl zu besiegen, und liegt in den Umfragen bei 32 Prozent. In diesem »Duell der Giganten« werden alle anderen Parteien an den Rand gedrängt. Die Grünen dürften dennoch auf 14 Prozent knapp zulegen, die NEOS sollten den Einzug locker schaffen und die ÖVP könnte auf unter 10 Prozent fallen. Die Metabotschaft, mit der die SPÖ ihr Klientel zur Wahl bringen will, ist klar: »Nur wer Häupl wählt, kann Strache verhindern.« In Wien dominiert natürlich ebenfalls das Asylthema. Weil dort das Miteinander mit Migranten-Kulturen gut funktioniert, wird es aber nicht jene große Rolle spielen wie etwa vor wenigen Wochen in der Steiermark oder am Sonntag in Oberösterreich.
Dort will die ÖVP die Wähler mit dem Slogan »Unsichere Zeiten. Sichere Wahl« von der nochmaligen Wahl Josef Pühringers zu überzeugen. Die SPÖ wirbt mit dem Slogan »Folge deinem Herzen!« und die Grünen plakatieren Hubert von Goisern als Testimonial und den Sager »Der Hut brennt. Lieber Grün wählen!« FPÖ-Spitzenkandidat Manfred Haimbuchner setzt wie erwartet auf Heinz-Christian Strache. Sein Motto lautet »Sichere Grenzen – sichere Heimat«.
In den Umfragen liegt die oberösterreichische ÖVP zwar mit 40 Prozent deutlich vor der FPÖ mit 26, der SPÖ mit knapp 20 und den Grünen mit 10 Prozent. Sollten die oberösterreichischen Demoskopen in Bezug auf die FPÖ jedoch ähnlich versagen wie ihre steirischen Kollegen, ergäbe sich am Wahlabend aber ein völlig anderes Bild. Die steirischen Freiheitlichen lagen zum Schluss nämlich um sechs Prozentpunkte über dem fünf Tage vor der Wahl abgefragten Ergebnis. Schwarzgrün hätte dann in Oberösterreich keine Mehrheit mehr.

In der Steiermark rief die FPÖ zu Asylchaossonderlandtag
Dass die FPÖ weiß, wie sie die Ängste und Unsicherheit der angestammten österreichischen Bevölkerung wegen des Flüchtlingsansturms für sich zu nutzen kann, hat sie bewiesen. In dringlichen Anfragen an Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer, Soziallandesrätin Doris Kampus und Gesundheitslandesrat Christopher Drexler wollte FPÖ-Chef Mario Kunasek nachlegen. Er hatte aber wohl nicht mit der riesigen Welle an solidarischer Hilfsbereitschaft seitens der steirischen Bevölkerung für die Asylwerber gerechnet. Und so wirkte die FPÖ im Landtag ziemlich verunsichert und agierte entsprechend schaumgebremst.

Mit den Worten »Was wir jetzt brauchen, sind Herz und Verstand« leitete Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP) die Beantwortung einer an ihn gerichteten dringlichen Anfrage zum Durchgriffsrecht des Bundes bei der Erfüllung der Flüchtlingsquoten ein. Das Durchgriffsrecht sei eine absolute Notmaßnahme, falls das Land die Asylquote in Zukunft deutlich verfehlen sollte. Die Steiermark werde aber alles nach bestem Wissen und Gewissen versuchen, um die Unterbringung der Flüchtlinge zu bewerkstelligen, so Schützenhöfer. Mit den Worten »Haben Sie keine Angst, lassen Sie sich nicht in Angst versetzen. Wir werden das schaffen« war Schützenhöfer um Beruhigung bemüht. Die für Flüchtlinge zuständige Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) lud die FPÖ ein, konstruktiv an der Bewältigung des Flüchtlingsthemas mitzuwirken. Der Anteil der in der Steiermark unterzubringenden Asylwerber liegt bei 15 Prozent. Anfang September befanden sich 6.300 Asylwerber in der Steiermark in der Grundversorgung. Der Kostenanteil des Landes beträgt 40 Prozent.

Von Spitalslandesrat Christopher Drexler (ÖVP) forderte die FPÖ im Zuge ihrer dringlichen Anfrage, den medizinischen Leistungskatalog für Asylwerber auf ein Minimum einzugrenzen, weil die Beibehaltung des ASVG-Standards viel zu teuer sei. In seiner Antwort wies Drexler darauf hin, dass diese Kosten wohl das geringste finanzielle Problem für die steirischen Krankenhäuser darstellen würden. Auch den Vorwurf, dass die Ambulanzen wegen des Flüchtlingsansturms zusammenbrechen könnten, wies Drexler entschieden zurück. Drexler bekannte sich zur europäischen Verantwortung der Steiermark bei der Bewältigung der Krise. Zu dieser europäischen Verantwortung gehöre aber auch die Hilfe in der Krisenregion. Dort habe die EU schon viel früher versagt, als es nämlich darum ging, den IS mit Waffengewalt aufzuhalten.

Bauern gehen für gerechte Preise auf die Straße
Die österreichischen Bauern kämpfen um ihr Überleben. Bauernbundobmann Hans Seitinger (ÖVP) – er ist gleichzeitig steirischer Agrarlandesrat – präsentierte kürzlich eine Umfrage, in der jeder zweite steirische Bauer sagt, dass er daran denke, den Betrieb einzustellen. An einem Aktionstag am 12. September nahmen landesweit 7.000 Bäuerinnen und Bauern teil. Dabei versuchten sie die Öffentlichkeit auf ihre existenzbedrohende Situation aufmerksam zu machen. Insgesamt sind die Produzentenpreise in den letzten Monaten um etwa 25 Prozent auf ein Niveau gesunken, mit dem die Bauern ihre Kosten nicht mehr decken können. Die Möglichkeiten der Bauern, höhere Preise durchzusetzen, sind angesichts der offenen Märkte äußerst beschränkt. In Wahrheit können sie nicht viel mehr tun, als an die Handelsketten zu appellieren, für Qualität aus der Region einen fairen Preis zu bezahlen.

Schickhofer denkt über SP-FP-Option nach
Nachdem die burgenländische SPÖ eine Koalition mit der FPÖ eingegangen ist und in Wien mit Michael Häupl der größte parteiinterne Kritiker einer SPÖ-FPÖ-Zusammenarbeit vor seiner Abwahl steht, denkt auch der designierte steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer über die blaue Option nach. Allerdings kommt für ihn eine Zusammenarbeit mit der FPÖ erst nach der nächsten Landtagswahl im Jahr 2020 in Frage. Im Gespräch mit der Tageszeitung »Der Standard« erklärte Schickhofer, dass die Parteibasis immer noch irritiert sei, weil Franz Voves den Landeshauptmannsessel an die ÖVP abgetreten habe. Die Volkspartei hätte nicht einmal ein Angebot gemacht, der SPÖ den Landeshauptmann für fünf Jahre zu überlassen oder sich bei einer Halbzeitlösung auf die erste Hälfte zu beschränken. Der SPÖ seien als weitere Alternativen daher nur der Gang in die Opposition oder eine Koalition mit der FPÖ offengestanden. Die Reformpartnerschaft sei im Grunde von einer ganz normalen SPÖ-ÖVP-Koalition abgelöst worden. Daher wolle er auch die Beziehung zur FPÖ neu definieren. Er werde die FPÖ daher genau in Hinblick auf ihre Regierungsfähigkeit beobachten. Schickhofer sagte, er habe überhaupt keinen Grund, die burgenländische rot-blaue Koalition schlechtzureden. Er werde in fünf Jahren beurteilen, ob die steirische FPÖ eine Option für die Sozialdemokratie sei oder nicht. Grundsätzlich sei 2020 alles möglich.

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Politicks, Fazit 116 (Oktober 2015)

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