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Politicks April 2016

| 25. März 2016 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 121, Politicks

Brüssel: Schickhofer fordert Änderung der Defizitregeln
Landeshauptmannstellvertreter Michael Schickhofer und Landesrat Jörg Leichtfried trafen sich in Brüssel kürzlich mit EU-Parlamentspräsident Martin Schulz. Dabei forderte der Betriebswirt Schickhofer eine andere Bewertung öffentlicher Investitionen in Bezug auf ihre Defizitwirksamkeit. Infrastrukturprojekte sollen über die gesamte Nutzungsdauer abgeschrieben werden können, wobei – wie in der Privatwirtschaft – nur der Abschreibungsbetrag als Aufwand angesetzt werden soll, der den Abgang belastet. »Die europäischen Finanzregeln müssen Länder und Gemeinden gleich behandeln wie Unternehmen und dürfen öffentliche Investitionen nicht mehr als einmalige Aufwendungen behandeln«, so Schickhofer.

Steiermark: Reformen wirken trotz gestiegener Schulden
Die Reformpartnerschaft war ja 2010 angetreten, um den Landeshaushalt nachhaltig zu sanieren. Damals betrugen das Budget fünf Milliarden Euro und der Schuldenstand etwa 1,6 Milliarden. Heute – nach sechs Jahren harten Sparens – hat sich der kumulierte Abgang auf 3,8 Milliarden mehr als verdoppelt. Jetzt könnte man auf den Gedanken kommen, dass die Reformpartner gnadenlos gescheitert sind, doch ohne die Sparmaßnahmen würden die Schulden heute bei über 10 Milliarden liegen.
Aus Sicht der Landesregierung hat das Land daher bereits über sechs Milliarden Euro eingespart. Offensichtlich ist man davon überzeugt, dass die richtigen Weichenstellungen getroffen wurden. So wurden etwa die Abteilungen des Amtes der steirischen Landesregierungen halbiert, mehrere Bezirkshauptmannschaften zusammengelegt und in einem schmerzlichen Prozess die Anzahl der Gemeinden von 542 auf 287 reduziert. Für Schützenhöfer war dieser Weg der einzig richtige und wohl auch der einzige sozial veträgliche. Und zwar weil er langfristig und nicht unmittelbar – in Zeiten der Krise – zu Einsparungen führt.
Erst diese Strukturreformen machen es nämlich möglich, dass nur ein Teil der durch Pensionierungen wegfallenden Dienstnehmerstellen nachbesetzt werden müssen. Dass mit dem Budget 2016 das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts um 200 Millionen Euro deutlich verfehlt wurde, lässt sich vor allem mit dem schwachen Wirtschaftswachstum erklären, das zu deutlich niedrigeren Steuereinnahmen geführt hat. Und die Steuerreform kostet die Steiermark zusätzliche 100 Millionen Euro im Jahr, weil die Ertragsanteile für das Land und die Gemeinden gesunken sind. Nachdem sich bei den Personalkosten vorläufig also nicht mehr viel holen lässt, ist inzwischen klar, dass weitere Sanierungsmaßnahmen beim größten Budgetbrocken, den Spitalskosten, ansetzen müssen.

Die Landesspitäler als Knackpunkt
Als vor etwa eineinhalb Jahren Kristina Edlinger-Ploder von Christopher Drexler abgelöst wurde, hat man das hinter vorgehaltener Hand damit begründet, dass Edlinger-Ploder weder der Bevölkerung noch den Bediensteten vermitteln konnte, dass sich die Sparziele nicht auf die Versorgungsqualität und auch nicht auf die Einkommen der Spitalsbediensteten auswirken würden. Daher nutzten betroffene Regionalpolitiker die Verunsicherung und riefen den »Spitalssupergau« aus. In ihrem politischen Weltbild war es schlicht unvorstellbar, dass »ihr Spital« die eine oder andere Abteilung zugunsten des Nachbarkrankenhauses aufgeben sollte. Trotz vernünftiger und überschaubarer Reformpläne schaffte es Edlinger-Ploder nicht, die Lage zu beruhigen.
Daher hat Schützenhöfer mit Christopher Drexler seinen engsten politischen Vertrauten beauftragt, die Kastanien im Spitalsbereich aus dem Feuer zu holen. Drexler ist als politische Persönlichkeit unumstritten und war bereits in seiner vorigen Funktion als VP-Klubobmann der Stratege der Reformpartnerschaft. Er hat viel zum Reformtempo und zum Eindruck der Geschlossenheit zwischen SPÖ und ÖVP beigetragen und auch dazu, dass zumindest das Grundziel der Reformen von der Öffentlichkeit kaum in Frage gestellt wurde. Drexler übernahm ein Monsterressort. Er ist für die Bereiche Gesundheit, Pflege, Wissenschaft und Forschung und Personal und damit für beinahe die Hälfte des Landesbudgets verantwortlich. Als langjähriger Kenner der steirischen Spitalslandschaft ist ihm die besondere Sensibilität dieses Politikbereiches bewusst; und damit auch der Drahtseilakt, der darin besteht, Versorgungssicherheit, medizinische Spitzenqualität mit einer höheren ökonomischen Effizienz in Einklang zu bringen.  Im Vorjahr startete Drexler damit, die bisherigen Reformschritte zu evaluieren. Er schaffte es, die Ärztearbeitszeiten gemeinsam mit den Betroffenen an die EU-Vorgaben anzupassen. Und er kommuniziert offensichtliche Probleme wie den Ärztemangel sowie die damit einhergehende Herausforderung offen. Drexler startet aber auch den einen oder anderen medialen Versuchsballon und kündigte frühzeitig langfristige Reformpläne »ohne wenn und aber« an, die sich ausschließlich an den angeführten Zielen Versorgungssicherheit, Qualität und Effizienz zu orientieren hätten. Obwohl oftmals zu dringlichen Anfragen der Opposition vor den Landtag zitiert, schaffte es Drexler bisher, die anderen Parteien einigermaßen einzubinden.
Die Kritik etwa der grünen Gesundheitssprecherin Sandra Krautwaschl an den Reformplänen ist zwar heftig, aber durchaus sachlich, indem sie etwa eine bessere Integration der niedergelassenen Ärzte und der Therapeuten in die Gesundheitspläne fordert, um eine niederschwellige Versorgung weiterhin zu gewährleisten. Und auch die freiheitliche Gesundheitssprecherin Hedwig Staller anerkennt die Herausforderungen, vor denen das Gesundheitssystem steht. Dass sie gleichzeitig die Mehrkosten durch die Versorgung der Flüchtlinge in den Spitälern kritisiert, sei ihr in diesem Zusammenhang unbenommen.
Bis jetzt hält sich Drexler mit konkreten Zusperr- und Fusionsplänen für die Krankenhäuser bedeckt. Und es ist auch nicht damit zu rechnen, dass er mit einem medialen Donnerschlag seine Karten auf den Tisch legt. Stattdessen wird er versuchen, die Stakeholder vorab in seine Pläne einzubinden – in internen Runden vor und zurück rudern – und die Öffentlichkeit erst informieren, nachdem Nägel mit Köpfen gemacht sind. Schade nur, dass ihm seine Mammutaufgabe als Gesundheitslandesrat nicht mehr die Zeit lässt, den Landeshauptmann und den Landeshauptmannstellvertreter bei der Gesamtkoordination der Reformen zu unterstützen.

Flüchtlinge – Graz bekommt Verteilzentrum
Anders als der Bund, der betroffene Bürger in aller Regel vor vollendete Tatsachen stellt, setzt die Stadt Graz bei der Unterbringung der Flüchtlinge auf die Einbindung der Bevölkerung. So hat Bürgermeister Siegfried Nagl Mitte März bei einer Informationsveranstaltung zum Thema »Flucht, Asyl und Unterbringung« ein Verteilquartier in Graz Puntigam in Nähe der Brauerei in der Herrgottwiesgasse angekündigt. An der Infoveranstaltung in der Grazer Messe nahmen etwa 300 Bürger teil. Nagl sprach von 2.700 Asylwerbern, die sich derzeit in Graz aufhalten, und einer Höchstzahl von 3.000 Menschen. Konflikte sollen vermieden werden, indem die Asylwerber – die meisten kommen aus Afghanistan, dem Irak und aus Syrien – in Quartieren von überschaubarer Größe untergebracht werden. Auch die Kirchner-Kaserne sei kein Thema mehr als Asylquartier des Bundes.

Taktische Wende von Faymann und Mitterlehner
Es gibt nicht viele Politiker, die eine politische Position gleich überzeugend vertreten können wie deren Gegenteil. Seit dem Soloauftritt unseres Bundeskanzlers bei »Im Zentrum« weiß ganz Österreich, worin das wahre Talent des Bundeskanzlers liegt.
Abgesehen davon, dass völlig klar sein muss, dass Österreich nicht die humanitäre Katastrophe, in die sich die arabische Welt und Afrika manövriert haben, lösen kann und die Regierung daher gar nicht anders konnte, als eine Obergrenze festzusetzen, wie viele Asylwerber untergebracht und versorgt werden können, ist die Chuzpe ziemlich befremdlich, mit der unser Bundeskanzler von seiner bisherigen Meinung abrückte.
Welchen Anteil die Bundespräsidentenwahl am Totalumfaller der Kanzlerpartei hat, bleibt abzuwarten. Zu Gute halten muss man Faymann jedoch, dass auch sein ÖVP-Gegenüber, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner, keine viel bessere Figur gemacht hat. Es dauerte nämlich viel zu lange, bis Mitterlehner den Kurs von Außenminister Sebastian Kurz und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner übernahm. Als diese schon im Spätherbst des Vorjahres eine Grenzschließung für unregistrierte Asylwerber forderten, meinte Mitterlehner noch bis Jahresende, dass man Schutz nicht nach Zahlen definieren kann.
Der Bundesregierung ist es mit dieser taktischen Wende jedenfalls gelungen, geschickt von ihrem totalen Reformversagen abzulenken. Ob es ÖVP und SPÖ mit diesem Manöver jedoch auch gelingt, den Höhenflug der FPÖ zu stoppen, darf angezweifelt werden. Die letzte veröffentlichte Umfrage stammt vom 11. März von Gallup für die Zeitung Österreich. Die 400 Befragten votierten bei der Sonntagsfrage mit 33 Prozent für die FPÖ und mit jeweils 23 Prozent für SPÖ und ÖVP. Die Grünen kämen demnach auf 12 und die Partei NEOS auf 6 Prozent.

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Politicks, Fazit 121 (April 2016)

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