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Politicks Jänner 2020

| 20. Januar 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 159, Politicks

Grüne Wachstumskritik verschärft das Klimaproblem
Wie lange es die Grünen wohl noch schaffen, das Klimathema mit ihren wachstums- und wohlstandskritischen Positionen populistisch zu besetzen? Zuletzt wurden sie tatsächlich dafür gewählt, dass sie den Menschen vormachten, es hätte irgendeinen Einfluss auf das Weltklima, ob diese mit dem Auto oder dem Bus in die Arbeit fahren. In die Hände spielt den Grünen inzwischen ein ganzes Netzwerk von NGOs und sogenannten Klimawissenschaftlern, die sehr gut davon leben, ständig irgendwelche »points of no return« zu definieren, die in Bezug auf den CO2-Gehalt der Luft nicht überschritten werden dürfen. Sonst würde der Golfstrom versiegen, die Tundra auftauen oder die Alpen einstürzen. Vielleicht sind die Folgen der Erderwärmung sogar noch schlimmer als prophezeit. Trotzdem geht die Wachstumskritik völlig am Thema vorbei. Ein Bespiel: Der österreichische CO2-Ausstoß pro Kopf ist etwa gleich hoch wie der chinesische.

Das österreichische BIP pro Kopf ist hingegen fünfmal so hoch wie das chinesische. Die steirische Wirtschaft beweist seit vielen Jahren, dass sie ohne zusätzlichen Energiebedarf wachsen kann – seit 2005 waren das 42 Prozentpunkte bei gleichbleibendem Energieeinsatz. Auch weltweit ist inzwischen nachgewiesen, dass mehr Wettbewerb dem Klima nützt. Die Treibhausgasemissionen der USA hatten ihren Höhepunkt im Jahr 2007. Auch in der EU zeigt sich, dass die Emissionen seit zehn Jahren sinken. Auch der gängige grüne Einwand, dass mit der Globalisierung die energieintensiven Produktionen in Drittländer verlagert werden, stimmt nicht. Die EU-Statistikabteilung hat dokumentiert, dass die Emissionen, die auf westlichen Konsum zurückgehen – egal wo die Waren herkommen – gesunken sind. Die Grünen haben die Wirtschaft als ihren Klimaklassenfeind definiert und liegen damit vollkommen falsch. Der Grund für sinkende CO2-Emissionen liegt übrigens im wettbewerbsbedingten technischen Fortschritt. Produkte müssen ständig besser und rohstoffeffizienter werden, um konkurrenzfähig zu bleiben. Vielleicht gibt es tatsächlich Wege, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Ein Wachstumsverzicht ist keiner davon.

FPÖ – Tiefer geht’s nicht mehr
Die Gründe, die dazu führten, dass die FPÖ sowohl bei der Nationalratswahl als auch bei der steirischen Landtagswahl abgestraft wurde, sind bekannt. Das Skandalpotenzial – von Ibiza, der Spesenaffäre und Hunderttausenden Euros, die in Rucksäcken und Sporttaschen durch die Stadt getragen wurden – war für viele jener Wähler, die in den letzten Jahren von anderen Parteien zur FPÖ gewechselt waren, einfach zu groß. Sowohl Norbert Hofer und Herbert Kickl als auch Mario Kunasek sollten daher froh darüber sein, dass ihre Partei der völligen Vernichtung entgangen ist.

Denn es ist erstaunlich, dass der blaue Absturz nicht noch heftiger ausgefallen ist. Das klassische deutschnationale dritte Lager, aus dem die FPÖ bis heute den Großteil ihrer Funktionäre rekrutiert, umfasst nämlich bestenfalls fünf oder sechs Prozent der Bevölkerung. Da liegen die 16,2 Prozent bei der Nationalratswahl und die 17,5 Prozent bei der Landtagswahl deutlich höher. Das Nationalratswahlergebnis scheint demnach die neue Untergrenze für die Freiheitlichen zu sein, die kaum mehr unterschritten werden kann.

Die Abgrenzung der neuen Parteiführung zu HC Strache ist daher parteitaktisch konsequent und richtig. Die Abkehr der ÖVP von ihrer Mitte-Rechts-Politik ermöglicht es der FPÖ außerdem, ihren Markenkern als Partei, die sich gegen die Zuwanderung stellt, zu verdichten. Norbert Hofer und Herbert Kickl verstehen es durchaus geschickt, die FPÖ als letzte verbliebene Partei zu positionieren, die wirkungsvoll gegen illegale Migration auftritt und die bei Asylmissbrauch kein Pardon kennt. Die beiden FPÖ-Frontmänner treten dabei wie der gute und der böse Polizist auf. Angesichts der Zerstrittenheit der EU beim Außengrenzschutz ist absehbar, dass die Zahl der illegalen Grenzübertritte in nächster Zeit weiter steigen wird. Vor diesem Hintergrund kann die FPÖ ihr Wiedererstarken wohl nur durch weitere Skandale selbst verhindern.

Die ÖVP muss ihre Migrationshaltung ändern
Die ÖVP verdankt ihren großen Sieg bei der Nationalratswahl vor allem jenen 258.000 Stimmen, die sie von der FPÖ dazugewonnen hat. Die ehemaligen FPÖ-Wähler sahen in Sebastian Kurz einen Garanten dafür, dass die restriktive Migrationspolitik der letzten beiden Jahre ihre Fortsetzung findet. Das ist jedoch auszuschließen. Denn Österreich benötigt in den nächsten zehn Jahren dringend an die 350.000 neue Arbeitskräfte. Und die gibt der heimische Arbeitsmarkt einfach nicht her. Die Unternehmen müssen die in den nächsten Jahren in Pension gehenden geburtenstarken Jahrgänge ersetzen. Außerdem muss der wirtschaftliche Wachstumspfad seine Fortsetzung finden, weil sonst der Sozialstaat unfinanzierbar wird. Um die eigenen migrationskritischen Anhänger zu halten, sollte die ÖVP das Thema Migration daher »reframen«. Diese Neudeutung kann aber nur gelingen, wenn Kurz es schafft, die Bevölkerung zu überzeugen, dass ihr Wohlstand ohne gezielte Zuwanderung gefährdet ist.
Kurz wurde unter anderem gewählt, weil er zusicherte, dass sich unter seiner Kanzlerschaft eine unkontrollierte Massenzuwanderung wie im Jahr 2015 niemals wiederholen wird. Davon wird er natürlich auch in keiner neuen Regierungskonstellation abrücken.

SPÖ – Wiederaufstieg oder Bedeutungslosigkeit
Die Probleme der SPÖ wünscht sich keiner. Anders als bei der FPÖ begründet sich ihr Niedergang nicht in irgendwelchen aktuellen Skandalen. Er ist das Ergebnis einer jahrzehntelang anhaltenden inhaltlichen Zerfledderung, die augenscheinlich wurde, als Personen an die Parteispitze gelangten, die nicht mehr jene Integrationskraft hatten, die es gebraucht hätte, um sowohl die studentische Jugend als auch die migrationskritischen Pensionisten bei der Stange zu halten. Die Arbeiterschaft hat die SPÖ auch deshalb – vor allem an die FPÖ – verloren, weil sie sich nicht mehr dem Kreisky-Motto »Leistung, Aufstieg, Sicherheit« verpflichtet fühlte. Schon vor fünf Jahren sagte Hannes Androsch in einem Interview: »… Kreisky und Benya war klar, dass erst Leistung und Aufstieg für Sicherheit sorgen – und dass eine gute Wirtschaftspolitik die beste Sozialpolitik ist.« Androsch setzte mit den Worten fort: »In meiner Partei sind Leistung und Aufstieg unterdessen ja schon Hochverratsvokabel geworden.« Vor fünf Jahren, als Androsch diese Sätze von sich gab, waren jene SPÖ-Wähler, die auf Leistung und Aufstieg gesetzt hatten, aber ohnehin längst weg. Also konzentrierte sich die Partei auf die Bobos – die aus der ehemaligen Arbeiterschicht in das urbane Bildungsbürgertum Aufgestiegenen. In Städten wie Wien oder Linz schafften es starke Persönlichkeiten im Bürgermeisteramt trotzdem, die Arbeiter bei der SPÖ zu halten. In Graz ging das vollkommen daneben. Dort teilten sich FPÖ und KPÖ die Arbeiter als Wähler untereinander auf und nach dem Abtreten des letzten SPÖ-Bürgermeisters, Alfred Stingl, gingen selbst die Bobos verloren.

Bei der letzten Nationalratswahl ist die SPÖ erstmals nicht mehr in Richtung FPÖ ausgeronnen. Die enttäuschten Arbeiter wechselten gleich zur türkisen ÖVP. Am stärksten profitierten aber die Grünen von der inhaltlichen Spaltung der Sozialdemokratie und deren mangelnder Glaubwürdigkeit beim Klimathema. Ob die SPÖ ihre inhaltlichen Probleme überwinden kann oder sich selbst zu einer marxistischen Sekte degradiert, hängt einerseits davon ab, ob sie sich auf jene Tugenden rückbesinnt, die sie unter Bruno Kreisky groß gemacht haben. Anderseits ist sie darauf angewiesen, dass die Wähler den Hype um das Klimathema als grünen Populismus erkennen. Außerdem braucht die SPÖ Persönlichkeiten, die in der Lage sind, die Enttäuschten von den anderen Parteien zurückzuholen. Vielleicht wäre ein Hans-Peter Doskozil ja der Richtige für diese Aufgabe. Doch der muss zuerst bei der Burgenlandwahl im Jänner über 40 Prozent bleiben und natürlich seinen LH-Sessel verteidigen. Danach folgen die für die Bundes-SPÖ weniger wichtigen Gemeindewahlen in der Steiermark und in Niederösterreich und schließlich im Herbst die Wien-Wahl. Dabei geht es diesmal tatsächlich um das Wiener Bürgermeisteramt – um die zweitwichtigste österreichische Politfunktion nach dem Bundeskanzler. Es ist zu befürchten, dass die SPÖ bis Oktober auf einschneidende Reformmaßnahmen verzichten wird, um nur ja keine weiteren Wähler zu vergraulen. Solange sich die SPÖ nicht über moderne Inhalte, sondern vor allem über die Ablehnung der FPÖ definiert, wird sie den Turnaround aber wohl nicht schaffen.

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Politicks, Fazit 159 (Jänner 2020)

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