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Gemeinwohl versus maximalen Gewinn

| 6. Juli 2020 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 164, Serie »Erfolg braucht Führung«

Ethische und nachhaltige Unternehmensführung. Ein Gespräch von Carola Payer mit Eveline Rabold, Inhaberin der Agentur Rabold und Co.

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Der Begriff »Corporate Social Responsibility« (CSR) oder unternehmerische Gesellschaftsverantwortung ist die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft. Dies umfasst soziale, ökologische und ökonomische Aspekte: faire Geschäftspraktiken, mitarbeiterorientierte Personalpolitik, sparsamen Einsatz von natürlichen Ressourcen, Schutz von Klima und Umwelt, ernst gemeintes Engagement vor Ort, Verantwortung in der Lieferkette. CSR erfordert einen entsprechenden Führungsstil, der ethisch, wertschätzend und nachhaltig ist. In manchen Unternehmen wird CSR nicht gelebt, sondern nur aus Imagegründen in Geschäftsberichten her vor gehoben. »Think before you print« in der E-Mail-Signatur ist ein guter Anfang, aber noch lange keine Nachhaltigkeitsstrategie.

Wertschätzung als Basis ethischer Führung
In der Agentur Rabold und Co., die vor kurzem erst mit dem österreichischen Werbepreis »Austriacus« in Gold und Bronze ausgezeichnet wurde, ist bereits Realität, wovon viele Führungskräfte noch träumen. Nachhaltiges Handeln, Mitbestimmung, Fairness geht Hand in Hand mit wirtschaftlichem Erfolg. Eveline Rabold, Agenturchefin, nimmt CSR ernst, bzw. ist es für sie zu einer selbstverständlichen Haltung des Unternehmertums geworden. Sichtbar wird dies auch in einem »Gemeinwohlbericht«, in dem sie Kunden und anderen Interessengruppen Einblicke in das nachhaltige und ethische Führen ihrer Agentur gibt. Eveline Rabold auf die Frage, was nachhaltiges Führen bei ihr beinhaltet: »Es ist eigentlich ganz einfach. Es geht um Wertschätzung und Respekt gegenüber Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und in Bezug auf Ressourcen und unsere nähere und gesamte Umwelt. Aber nicht nur Wertschätzung geben, sondern auch bekommen. Wenn wir von Kunden keine Wertschätzung oder Respekt erhalten, trennen wir uns von ihnen. Wenn wir bei der Auftragsklärung nicht als Partner, sondern als irgendein Lieferant gesehen und auch so behandelt werden, steigen wir erst gar nicht in ein Arbeitsverhältnis ein. Augenhöhe ist bei uns keine Phrase.«

Regionalität, wo möglich, und schonender Umgang mit Ressourcen
Eveline Rabold: »Wir versuchen, Produkte und Dienstleistungen in der Region oder zumindest in Österreich ein zu kaufen. Produkte wie Computer kommen aus dem Ausland oder werden in Billiglohnländern produziert. Hier versuchen wir, die Nutzung so lange wie möglich zu garantieren. Wir müssen natürlich technologisch am letzten Stand sein. Computer werden daher repariert, an Schulen verschenkt, an Projekte gespendet.« Eveline Rabold: »Es lässt sich leider nicht vermeiden, dass derzeit für die Masse nur der Preis zählt. Bei vielen ist auch das Gespür abhandengekommen, das regional nicht wirklich teuer ist.

Nachhaltigkeit und Ethik – Vorteil am Arbeitsmarkt
Eveline Rabold: »Die nachhaltige Ausrichtung ist für uns ein wesentlicher Wettbewerbsvorteil am Arbeitsmarkt. Wir ziehen dadurch die richtigen Mitarbeiter an. Die Mitarbeiter schätzen den Zugang, sehr viel Offenheit für ihre Perspektive zu haben und die Möglichkeit, sich wirklich einzubringen. Egal wie lang sie im Team sind. Es gibt kein Senioritätsprinzip. Was zählt, ist jede Sichtweise. Wichtig ist für uns, die Themen gemeinsam zu entwickeln, da alle Mitarbeiter verschiedene Schwerpunkte, Erfahrungen, Hintergründe, Ansätze mitbringen. Arbeitszeiten werden individuell geregelt: maximale Stundenanzahl, Flexibilität bei der Arbeit, Einteilung der Mitarbeiter und Terminplanung. Freiheiten sind eher so: ich bin morgen nicht da, weil…, aber alle sind da, wenn es wichtig ist. Wir arbeiten auch an einem Konzept, mittelfristig eine 4 Tage Woche zu realisieren. Die Kultur des bewussten, achtsamen Umgangs innerhalb des Unternehmens schafft ein Vertrauen und ein Teamgefüge, das die Basis für eine nachhaltige Unternehmensführung ist. Jeder kann jederzeit mit jedem Anliegen zu mir kommen. Ich führe vier Mal im Jahr ein geplantes, aufmerksames Mitarbeitergespräch. Wir nehmen uns auch Zeit, miteinander zu essen und uns als Team und Persönlichkeiten weiter zu entwickeln.

Ethische Unternehmensführung. Mehrkosten oder Kostensenkung
Eveline Rabold ist überzeugt, dass ethisches, nachhaltiges Führen sich positiv auf die Bilanz auswirkt. »Ich habe so gut wie keine Krankenstände. Die Mitarbeiter werden gut bezahlt, sind motiviert, werden richtig eingesetzt und haben die Möglichkeit, sich nachhaltig weiterzuentwickeln. Im Gegensatz zur Normalarbeitszeit in Agenturen an die 60 Stunden ist unser Prinzip: Arbeite maximal 35 Stunden. Die restliche Zeit braucht man, um seine Kreativität zu finden. Innovation kann so entstehen und wird nicht unter Voll-Stress »herausgewürgt«. Ein wertschätzendes Unternehmensklima verringert vor allem die hohen Kosten, die durch ständige Fluktuation entstehen. Wir ersparen uns auch Transaktionskosten, weil es, wenn man auf wertschätzende Kundenbeziehungen achtet, kaum Konflikte wegen Vertragsbrüchen oder uneinbringlichen Forderungen gibt.«

Nachhaltigkeit und Wachstum
Eveline Rabold: »Nachhaltiges Wirtschaften achtet nicht nur auf das finanzielle Wachstum. Man darf nicht rein in Euro rechnen. Ich möchte so wachsen, dass es uns allen noch gut geht – körperlich, geistig, seelisch. Es werden alle Konten in Betracht gezogen. Stabilität durch einen guten Mitarbeiterstab und nachhaltige Kooperationen mit Kunden und Lieferanten sind weitaus wesentlicher für eine finanziell stabile Basis als jährliche Wachstumssprünge. Ich habe Kunden, die wir schon seit 20 Jahre betreuen. Wir wachsen mit den Kunden und ihren neuen Anforderungen mit. Der Kunde schätzt unsere handwerkliche Qualität, aber auch die Fähigkeit, uns immer wieder neu auf ihn und seine aktuellen Anforderungen einzustellen. Wir wollen den Kunden auch nachhaltig und tiefsinnig erforschen und haben dazu auch eine eigene Methode der Markenberatung mit dem Markencode. Wir wachsen nicht durch konkurrenzorientierte Preisschlachten, sondern durch eine aufmerksame detaillierte Auftragsklärung und Offerte und Aufträge, die nach Wert für den Kunden berechnet werden.

Vorteile für die Eigentümerin
Eveline Rabold: »Ich habe eine unglaubliche Lebensqualität. Ich vertraue meinem Team zu 100 Prozent. Ich kann in Ruhe auf Urlaub fahren. Jeder weiß, was zu tun ist. Das Team kann Entscheidungen treffen, auch wenn ich nicht da bin, und übernimmt dafür auch die volle Verantwortung. Ich habe Kunden, auf die ich mich jeden Tag freuen kann. Ich kenne die andere Seite der Medaille, da ich aus einer Unternehmerfamilie komme, wo rund um die Uhr verfügbar zu sein und totaler Stress Alltag war. Ich habe selbst in Agenturen miterlebt, mies bezahlt zu werden, Überstunden nicht ausbezahlt zu bekommen und »angemault« zu werden. Ich habe mich entschieden, meinen von mir geliebten Beruf mit andern so auszuüben, dass wir alle uns am Arbeitsplatz wohl fühlen. So erreiche ich auch für unsere Kunden in ihrem Marketing den totalen Ausdruck der Stimmigkeit von Form und Inhalt. Eine nachhaltige Agentur Rabold und Co. ist für mich ein Team in Einklang, das andere Marken nachhaltig zum Wirken bringt.«

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Foto: Marija KanizajDr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

Fazit 164 (Juli 2020), Fazitserie »Erfolg braucht Führung« (Teil 31)

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