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Politicks Juli 2022

| 15. Juli 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 184, Politicks

Auf den Landesvater 
folgt der Landesmanager
Der Rücktritt von Hermann Schützenhöfer kam wie erwartet völlig unerwartet. Obwohl für die Nachfolge von Hermann Schützenhöfer als steirischer Landeshauptmann – spätestens seit der Wahlniederlage von Siegfried Nagl als Grazer Bürgermeister – nur mehr dessen politischer Ziehsohn Christopher Drexler in Frage kam, war die Ankündigung am Freitag vor Pfingsten dann doch für die meisten sehr überraschend.

Die Geheimhaltung im Büro LH und der ÖVP-Landesparteileitung am Karmeliterplatz hat wieder einmal funktioniert. In Zeiten wie diesen ist das übrigens bereits ein Qualitätskriterium für eine Organisation.
Selbst die meisten Mitglieder des ÖVP-Landesparteivorstands erfuhren den Termin erst eineinhalb Stunden vor Schützenhöfers Pressestatement, das bezeichnenderweise vor der Landesparteivorstandssitzung um 11 Uhr stattgefunden hat. Schützenhöfer leitete seine Abdankungsrede damit ein, dass es nach 52 Jahren in der Politik – 22 davon in der Landesregierung – immer ein großes Ziel von ihm gewesen sei, eine geordnete Amtsübergabe vorzunehmen. Denn die meisten Politikerrücktritte erfolgen bekanntlich nach Wahlniederlagen oder nach Skandalen. Beides ist dem letzten Landesvater unter Österreichs Landeshauptleuten erspart geblieben.

Schützenhöfer hatte seine potenzielle Nachfolge schon früh im Blick. Er folgte dem Vorbild seines einstigen Mentors Franz Wegart, der ihn nach seiner Zeit als JVP-Obmann in den ÖAAB holte und unter seine Fittiche nahm. Schützenhöfer erkannte das politische Talent von Christopher Drexler und dieser folgte ihm nicht nur als ÖAAB-Landessekretär, sondern auch als ÖAAB-Obmann, VP-Klubobmann und in die Landesregierung nach. Insofern war es nur logisch, dass Drexler jetzt Landeshauptmann wird. Doch Schützenhöfer hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Schließlich behauptet er von sich selbst, dass ihm die Leichtigkeit des Seins nicht gegeben ist und er jede wichtige Entscheidung akribisch vorbereitet und intensiv hinterfragt. Und so berichteten Schützenhöfers Weggefährten und Freunde jahrelang, dass sie von ihm regelmäßig zu Drexler und Nagl befragt wurden.
Tatsächlich ist Drexler alles andere als ein Volkstribun. Er ist belesen und gilt daher als intellektuell, was in der Steirischen ÖVP alles andere als ein Kompliment ist. Den Makel »des Städters«, der jedem nicht auf dem Land aufgewachsenen ÖVP-ler entgegenschlägt, versucht er durch Kompetenz und Professionalität – und vielleicht auch durch seinen Wohnsitz in Passail – entgegenzuwirken. Drexler überzeugt sowohl seine Anhänger als auch seine Kritiker mit seiner Kompetenz. Er gilt als bester Klubobmann, den die steirische ÖVP jemals hatte.

Gemeinsam mit seinem langjährigen Freund Werner Amon hat Drexler schon sehr früh – Ende der Achtzigerjahre – erkannt, dass ihm die Politik Freude macht. Sozialisiert im liberalen Umfeld des Josef-Krainer-Hauses und der Modell-Steiermark-ÖVP, fand er hervorragende Möglichkeiten vor, sich selbst zu verwirklichen.  Mit seinen neuen Ideen hat er zuerst der Schülervertretung und danach der Jungen ÖVP und dem ÖAAB einen neuen Geist eingehaucht. Anders als Schützenhöfer steht Drexler der Kirche nicht besonders nahe. Er ist daher ein Beispiel dafür, dass in der Volkspartei das Miteinander des von ihm gelebten urbanen Liberalismus mit dem durch Schützenhöfer vertretenen klerikalen Konservatismus bestens gelingen kann.

Drexler hatte jetzt viele Jahre lang Zeit, sich auf die Funktion des Landeshauptmannes vorzubereiten. Obwohl er eine inhaltliche Neupositionierung des Amtes erst nach seiner Wahl im Landtag in Angriff nehmen wird, hat er bereits angekündigt, sich eher als Landesmanager Landesvater zu verstehen. Man darf gespannt sein, wie ihm das bei all dem Gegenwind, der ihm seitens der unrettbar im Korruptionssumpf versinkenden Bundes-ÖVP gelingen kann.

Keine Experimente –
 Drexler holt Amon
Für Schützenhöfer war klar, dass er sich nicht mehr in die Zusammensetzung der neuen Landesregierung einmischen wird. Deshalb fehlte er auch demonstrativ bei der ÖVP-Vorstandssitzung, in der Werner Amon von Drexler als Landesrat vorgeschlagen wurde.

Amon wird von Drexler das Personal und das Europaressort übernehmen. Von Juliane Bogner-Strauß übernimmt er die Bereiche Bildung und Elementarpädagogik. Bogner-Strauß wiederum übernimmt von Drexler das Sportressort. Drexler behält sich die Kultur und übernimmt von Schützenhöfer die VP-Gemeinden sowie die mit großem Einfluss verbundenen  Landesbeteiligungen. Obwohl Werner Amon für die Opposition als Polit-Dino gilt, dem etwa die Kleine Zeitung mehr politische Funktionen in der Biografie zuschrieb als der Neos-Parlamentsklub gemeinsam innehat, war die einstimmige Zustimmung des VP-Vorstandes reine Formsache. Amon ist gebürtiger Grazer, übersiedelte nach der Volksschule nach Knittelfeld und lebt nun seit 20 Jahren mit seiner Familie im weststeirischen Groß Sankt Florian.

Mit Christopher Drexler verbindet ihn seit seiner Jugend eine tiefe Freundschaft. Beide wissen, dass sie sich zu 100 Prozent aufeinander verlassen können. Amon brauchte die Unterstützung Drexlers immer wieder, um einen sicheren Listenplatz bei Nationalratswahlen zu erlangen. Und er selbst fungierte de facto als Statthalter der Steirischen Volkspartei in Wien. Innerparteilich war Amon JVP-Bundesobmann, ÖAAB-Bundesgeschäftsführer und ÖVP-Generalsekretär unter Reinhold Mitterlehner. Er musste das Generalsekretariat jedoch mit dem Aufstieg von Sebastian Kurz zum ÖVP-Chef verlassen, weil er sich weigerte, seinem Obmann in den Rücken zu fallen. Das brachte ihm die zweifelhafte Ehre ein, in den veröffentlichten Chats zwischen Ex-Minister Gernot Blümel und Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid ziemlich unflätig erwähnt worden zu sein.

Er dürfte es dem Einfluss der steirischen Volkspartei zu verdanken haben, dass er nach seinem Ausscheiden aus dem VP-Generalsekretariat Volksanwalt wurde – eine Tätigkeit, die er, wie er im letzten Fazit klarstellt, mit großer Befriedigung ausübt. Als Volksanwalt wäre Amon mit größter Wahrscheinlichkeit auch um weitere sechs Jahre verlängert worden. Schließlich werden die Volksanwälte von den drei größten Parlamentsfraktionen gestellt. Selbst wenn die Nationalratswahl wegen des Platzens der Bundesregierung auf nächstes Jahr vorverlegt werden sollte, ist doch nicht anzunehmen, dass die Bundes-ÖVP auf den vierten Platz zurückfallen wird.

Daher kann es nur die persönliche Verbundenheit zu Christopher Drexler gewesen sein, die den 53-jährigen Deutschlandsberger ÖVP-Bezirksobmann dazu veranlasste, für vorerst kurze zwei Jahre Landesrat in der Steiermark zu werden. Denn ob die Steirische ÖVP nach der Landtagswahl 2024 wieder den Landeshauptmann stellen wird, ist angesichts des Zustands der Bundes-ÖVP ziemlich ungewiss.

Sieht Anton Lang tatsächlich die Chance, Landeshauptmann zu werden?
Oder ist sein Anspruch auf den Landeshauptmannsessel vor allem den Zuständen innerhalb der SPÖ geschuldet? Anton Lang wurde beim SPÖ-Parteitag im September 2020 nämlich von nur 88,5 Prozent der Delegierten gewählt. Vor allem die Parteijugend hat sich ihm verweigert. Sowohl die Jusos als auch die Junge Generation können mit der Rolle eines Juniorpartners in der VP-dominierten Landesregierung nicht viel anfangen. Beide SP-Jugendorganisationen würden lieber Max Lercher oder Jörg Leichtfried an der Spitze der SPÖ sehen. Für Lang ergeben sich aus dem Wechsel von Schützenhöfer zu Drexler daher gleich aus mehrfacher Hinsicht gute Chancen. Zum einen sind seine innerparteilichen Kritiker praktisch zum Stillschweigen verdammt, weil die steirische SPÖ derzeit einfach keine Personaldiskussion ertragen würde. Zum anderen besteht für Lang tatsächlich die Chance, bei den nächsten Wahlen, die spätestens im Dezember 2024 stattfinden müssen, als Erster über die Ziellinie zu gehen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Nationalratswahl nämlich bereits geschlagen und Pamela Rendi-Wagner steht als Bundeskanzlerin entweder bereits fest oder zumindest knapp davor. Erstmals seit Jahren darf die steirische SPÖ – ähnlich wie die Steirer-VP im Jahr 2019 – mit deutlichem Rückenwind aus Wien rechnen. Und wenn sie wie schon 2005, 2010 und 2015 wieder stärker als die ÖVP wird, ist Toni Lang die Funktion des Landeshauptmannes praktisch nicht zu nehmen.

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Politicks, Fazit 184 (Juli 2022)

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