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Tandl macht Schluss (Fazit 184)

| 15. Juli 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 184, Schlusspunkt

»Murphy’s Law« oder der Weg in die Kriegswirtschaft. So schrecklich die Kriegsverbrechen, die Putins Armee in der Ukraine täglich begeht, auch sein mögen: Darauf emotional mit wenig durchdachten Sanktionen statt mit rationaler Diplomatie und Politik zu reagieren, ist falsch. Denn inzwischen steht fest, dass das Energieembargo gegen Russland überhaupt nicht klappt.

Kennen Sie Murphys Gesetz? Edward Murphy war US-Kampfflieger und arbeitete nach dem zweiten Weltkrieg als Raketenwissenschaftler. Weltbekannt wurde er mit der Formulierung von „Murphy’s Law“. Es besagt Folgendes: Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, etwas zu tun, und eine davon schiefgehen kann, wird immer jemand genau diese Möglichkeit wählen. Mit seinem Gesetz wollte Edward Murphy erreichen, dass die Entscheidungsträger immer sämtliche Eventualitäten durchdenken – vor allem jene, die zur Katastrophe führen können. Hätten die EU-Politiker sich an Murphys Gesetz orientiert, hätten sie in Bezug auf den Ukrainekrieg hoffentlich anders reagiert als mit Sanktionen und damit, die Eskalationsschraube ständig weiter anzuziehen. Bei ihrem Vorgehen haben der EU-Rat, die Kommission und das Europäische Parlament sämtliche Einwände der Experten und Thinktanks in den Wind geschlagen. Diese wurden ebenso wie der wieder einmal unbeugsame ungarische Ministerpräsident Viktor Orban in das Reich rechtspopulistischer Obskuranten abgetan.

Denn wie China inzwischen bestätigt, war es für Putin überhaupt nicht schwierig, andere Abnehmer für sein Öl zu finden. Während sich Europa auf Kosten seiner Bevölkerung zunehmend unabhängig von russischen Energieimporten zu machen versucht, bezieht die Volksrepublik mehr Öl von Moskau als je zuvor. Im Mai hat China ihre russisches Ölimporte im Vergleich zum Vorjahr um 55 Prozent gesteigert. Damit hat Russland Saudi-Arabien als größten chinesischen Energielieferanten abgelöst. Für die Chinesen war das ein Riesengeschäft. Sie ließen sich ihre Zustimmung zum Kauf des zum Teil für die EU vorgesehenen russischen Öls mit deutlichen Abschlägen rabattieren. Und bezog China im Mai knapp zwei Millionen Barrel täglich aus Russland.

Die Befürworter des Embargos argumentieren nun, dass es wegen der Rabatte ja nicht gänzlich wirkungslos geblieben sei. Trotzdem klingelt die russische Staatskassa wegen der stark gestiegenen Weltmarktpreise lauter als je zuvor.

Russland ist – nicht nur was Öl und bald auch Gas betrifft – dabei, seine bescheidene Volkswirtschaft deutlich stärker auf China, aber auch Indien auszurichten. Kurz nach Kriegsbeginn waren die beiden Länder noch sehr diskret mit Informationen zu ihrem neuen besten Freund, weil sie selbst westliche Sanktionen befürchteten. Mittlerweile ist die Verunsicherung aber einem neuen Selbstvertrauen gewichen. Über Indien kursieren sogar Gerüchte, dass es das billige Russen-Öl zu Weltmarktpreisen an den Westen weiterverkauft. Es ist naheliegend, dass sie Russland im Gegenzug mit von Sanktionen betroffenen Technologien beliefern. Jetzt hat Vladimir Putin zum Entsetzen von Politik und Wirtschaft damit begonnen, das Energieembargo umzudrehen. Er macht langsam den Gashahn zu. Und das ist nur möglich, weil er neue Abnehmer gefunden hat und nicht länger auf westliches Geld angewiesen ist.

Daher werden die Menschen bei uns darauf vorbereitet, Energie zu sparen, indem sie kürzer duschen und weniger Auto fahren. Eine Seherbefragung von Puls 4 ergab kürzlich, dass viele Österreicher gerne dazu bereit wären, ihre Wohnungen im kommenden Winter nur auf 20 statt auf die gewohnten 23 Grad aufzuheizen. Schließlich werden sie von der Politik und den Medien darin bestärkt, auch selbst einen Beitrag zum Frieden in der Ukraine zu leisten.

In Russland geschieht übrigens etwas ganz Ähnliches. Auch dort bestärken die Politiker und die Medien die Bevölkerung darin, zum Wohl des Landes auf westliche Artikel und Technologie, aber auch auf 7.000 Tonnen steirische Äpfel und Erdbeeren aus dem Burgenland zu verzichten. Dort wirken sich halt nicht seriöse unabhängige Informationen auf die Einstellung der Leute aus, sondern die böse Propaganda in den Staatsmedien.

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Tandl macht Schluss! Fazit 184 (Juli 2022)

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