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Auskochen aus dem Homeoffice

| 3. August 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 185, Serie »Erfolg braucht Führung«

Ein Gespräch von Carola Payer mit Arnd Hoffmann, Betreiber eines Suppenlokals, über Mut und Fähigkeit zum Minimalismus.

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Das Zeitalter des Postkapitalismus und der Postcorona Zeit hat Weltbilder und Werte des Lebens und Wirtschaftens in Frage gestellt. Umweltthemen, gesellschaftliche Herausforderungen, wie zunehmende psychische Krankheitsbilder, und veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen durch Ressourcenknappheit an Produktions-, Betriebsmitteln und Arbeitskräften erfordern ein neues Nachdenken. Der Trend zur Reduktion erreicht daher immer mehr die Arbeitswelt und auch die Start Up Szene. Unnötige Hierarchien, Prozesse, Anlagen und Ressourcen werden vermieden. Statussymbole haben weniger Bedeutung und lokal Agieren wird zum Fokus. Die Coronakrise hat eine Art Reset-Knopf gedrückt. Man nimmt sich plötzlich wieder mehr Zeit zu hinterfragen, was wirklich wichtig ist, was wir wirklich wollen. Nicht die Gier nach »mehr« steht im Vordergrund, sondern: Was tut uns eigentlich gut? Das Gelernte aus einer Zeit des Wirtschaftswachstums, der Globalisierung und Digitalisierung wird trotzdem genutzt. Auch Arnd Hoffmann nutzt die Erfahrungen, die er in verschiedenen Berufen und beim Reisen durch viele Länder gewonnen hat, und setzt diese an einem minimalistischen Standort in der Josefigasse 11 in Form eines To-Go-Lokales um. Der gelernte Industriekaufmann war lange im sozialen Bereich und in der Umweltbildung für Jugendliche tätig, war als reisender Moderater für Großveranstaltungen unterwegs und bei Frida und Fred im Ausstellungsbau tätig. Er betreut nach wie vor Kinder mit besonderen Bedürfnissen in Schulen und ist extrem viel durch die ganze Welt gereist.

Arnd Hoffmann zu seinem Vorhaben: »Im ersten Lockdown habe ich das Konzept für ein To-Go-Lokal geschrieben, um den Covid- Bestimmungen des Lockdowns gerecht zu werden. Im zweiten Lockdown habe ich das Lokal eigenständig geplant und umgesetzt. Die gesamte Ausstattung wurde von mir gebaut. Nachhaltigkeit ist mir enorm wichtig und Plastik ein No-Go. Regionalität und Saisonalität sind die Eckpfeiler meiner Gerichte. Ich wollte einfach die Vielfalt von Suppen anbieten, die über die Länder der Welt gehen. Rezepte habe ich immer auf den Reisen gesammelt und dann mit Eigenkreationen verfeinert. Mein Lokal ist als Imbiss konzipiert und geführt. Letztendlich ist es die Umsetzung einer Idee, die ich schon lang in meinem Kopf hatte, und ich habe mir mein Hobby und meine Leidenschaft des Kochens in Form dieses kleinen To-Go-Lokals erfüllt und umgesetzt.«

»Enoughness« – »Wieviel ist genug« als Leitbild
Enoughness ist ein Kriterium aus Minimalismusleitbildern und stellt den Menschen und die menschliche Lebensqualität vollkommen in den Mittelpunkt. Dazu gehören nachhaltige Denkweisen, Achtsamkeit, Entschleunigung und Minimalismus. Es bedeutet auch ein Abwenden von Massenkonsum. Arnd Hoffmann, dessen Spitzname Bo die Grundlage für die Marke »BO Suppe« ist, bekocht seine Kunden aus einer Wohnung, die er zum Kreativ- und Küchenstudio umgebaut hat. Serviert wird aus dem Fenster hinaus. Die Fensterläden dienen als Speisekarte. Er aktiviert auch wieder alte Traditionen, wie zum Beispiel das Einrexen im klassischen Rexglas. Arnd Hoffmann: »Man produziert keinen Müll, konserviert Lebensmittel auf natürliche Art und Weise und bedient dadurch die Nachhaltigkeit in einem hohen Ausmaß. Ich glaube, dass die Globalisierung wichtig war, dass diese aber in den Hintergrund gehen sollte. Jetzt kommen wir in ein Zeitalter, wo man sich wieder auf kleinere Versorgungsräume konzentriert, wo wir den Kunden nah sind und ihn besser wahrnehmen. Sich im kleinen Raum als Versorger zu positionieren ist mein Ziel. Jedoch mit reinem Laufgeschäft kann man schwer überleben, daher ist Kreativität gefragt, um die Möglichkeiten zu erweitern. Im Moment ist die Preissteigerung bei Lebensmitteln für uns eine enorme Herausforderung. Es ist nicht möglich, diese 1:1 an die Kunden weiterzugeben. Ich kaufe 90 Prozent im unmittelbaren Umkreis, viel auch direkt am Lendplatz. Das Fleisch, das ich einkaufe, ist zu 100 Prozent Bio. Der Einkauf für BO-Suppe kommt ohne Großmarkt aus.«

Verzicht als Gewinn für Freiheit des Gestaltens
Minimalismus wird meist als Philosophie des Verzichts beschrieben, aber diese Menschen verstehen ihr Handeln nicht als Verzicht. Sie wollen sich dadurch aus Zwängen befreien, die sie einschränken. Minimalisten gewinnen nach ihrem Verständnis die Freiheit, ihr eigenes Leben nach ihren Wünschen zu gestalten, und mehr Zeit und Energie, um sich für soziale Aspekte und Beziehungen in ihrem Leben einzusetzen. Unternehmensgründer entscheiden sich für einen »kleinen Einstieg«, um so auch zu experimentieren, wie ein Traum, eine lange Sehnsucht, eine Mission zu realisieren ist. Man nennt das in der Fachsprache der Strategie auch die Effectuation Methode. Eine der Prinzipien dieses strategischen Zugangs ist es, zu überlegen, wie mit minimalem Einsatz von Ressourcen bzw. vorhandenen Ressourcen Lösungen für den Kunden möglich sind. Große Investitionen werden vermieden, das Risiko geringgehalten. Das Auskochen aus einem selbst gestalteten optimalen kleinen Raum war für Arnd Hoffmann die Möglichkeit, nicht das Risiko einzugehen, ein Lokal anzumieten und eventuell nicht auszulasten. Arnd Hoffmann: »Experimentelle Küche ist mein Credo, und BO Küchen ist mein Projekt. Wichtig war mir, alles allein gemacht zu haben. Das Bauen, das Gründen einer Firma, Neueinsteiger zu sein in der Branche, das war eine große Herausforderung. Jetzt habe ich das Umfeld, um meine Kreationen anzubieten. Ich koche zwei Drittel vegane Speisen und zu einem Drittel Fleisch und Fisch oder Vegetarisches. Die Angebote wechseln immer wieder. Meistens habe ich 10 verschiedene Suppen vorrätig. Auf der Speisekarte findet man zum Beispiel Fenchel-Safran-Dorschsuppe, Mexikanisches Kakaochilli, Westafrikanische Süßkartoffel-Erdnusssuppe, Conejo en Salmorejo-Kaninchengulasch, Marmitako-de-Bonito-Thunfischsuppe oder Mangold-Couscous-Rouladen.«

Digitalisierung macht Lokalisierung möglich
Die fortschreitende Digitalisierung hat die Wettbewerbsfähigkeit für lokale Unternehmen stark erhöht. Die Corona-Zeit hat das Ihrige dazu beigetragen, dass Angebote online recherchiert werden und Unternehmen ihre Marketingstrategie teilweise nur mehr auf Internet und soziale Medien ausrichten. Für lokale Anbieter ist dieser digitale Wandel eine Chance für das Wachstum des eigenen Unternehmens. Auch Arnd Hoffmann setzt auf diesen Weg: »Ich vermarkte BO Suppen über Facebook und Instagram. Mein Ziel ist es, kleine Werkstätten oder Bürogemeinschaften zu versorgen. Bei der Vermarktung gibt es natürlich noch viel Luft nach oben und Mundpropaganda ist das Wichtigste.« Wir können nach erfolgreichem Testen nur sagen: Vor dem Coffee-to-go unbedingt vorher zu BO zu einer Suppe-to-go!

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Foto: Marija KanizajDr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

Fazit 185 (August 2022), Fazitserie »Erfolg braucht Führung« (Teil 52)

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