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Jeder ist einzigartig

| 10. Dezember 2022 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 188, Serie »Erfolg braucht Führung«

Diversität beginnt bei sich selbst. Carola Payer über einen besseren Umgang mit Konflikten, über Diversität und Persönlichkeitsentwicklung.

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Die Zeit ist vorbei, wo Unternehmen und Arbeitsgruppen allein auf Strukturen und Prozesse ihr Augenmerk legten. Wie kann die Produktion verbessert werden, wer muss in welche Entscheidungen eingebunden werden, welche Abteilung ist welcher übergeordnet? Das Ziel all dieser Überlegungen lautet: größtmögliche Effizienz in administrativen und produktiven Abläufen. Worauf jedoch erst in den vergangenen Jahren, in Zeiten stärkerer Dynamik und zunehmender Komplexität, verstärkt geachtet wird, ist die Effizienz und Effektivität im Bereich der Kommunikation und Kooperation. In unserer aktuellen Arbeitswelt, die sich durch einen zunehmenden Verdrängungswettbewerb, aber auch durch neue kommunikative Möglichkeiten rasant verändert, wird von allen Akteuren große Flexibilität verlangt. Egal ob Sie als Führungskraft oder Teammitglied tätig sind – Sie müssen nicht nur handeln, sondern auch bereit sein, Ihr Handeln zu reflektieren, um es neuen Gegebenheiten anzupassen. Damit auf der Klaviatur Ihrer Persönlichkeit harmonische Akkorde erklingen können, sollten Sie über die Einzeltöne und Ihr Zusammenspiel Bescheid wissen. Aber auch, um Teams zusammenzustellen, die ihre Aufgaben optimal erfüllen, ist viel Wissen über Persönlichkeit und große soziale Kompetenz vonnöten. Unternehmen, die sich am Markt durchsetzen, investieren daher in den letzten Jahren vermehrt in die Reflexionsfähigkeit und Persönlichkeitsentwicklung ihrer Belegschaft und nehmen die Verschiedenheit ihrer Beschäftigten zunehmend als wertvollste Ressource wahr.

Diversität beginnt bei dir und mir
Teams, die sich aus sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten zusammensetzen, ermöglichen zahlreiche Perspektiven auf eine Herausforderung und finden vielfältige Lösungsansätze. Derartige Gruppen zu leiten stellt allerdings eine eigene Herausforderung dar. Jeder bringt sich auf eine andere Art und Weise ein und reagiert unterschiedlich auf Veränderungsprozesse, Kritik oder Arbeitsspitzen. Die Reibung, die durch Differenzen zwischen den unterschiedlichen Persönlichkeiten entsteht, muss jedoch nicht gleich zur Überhitzung des Systems führen. Bewusst eingesetzt, bringt sie die Perlen Ihrer Mitarbeiter zum Glänzen. Ein gelungenes Diversity Management nutzt die Stärken jeder Einzelperson und gleicht mögliche Schwächen aus. Wobei unter Diversity beileibe nicht nur kulturelle Eigenheiten fallen, sondern auch die simple Tatsache, dass jeder Mensch anders gestrickt ist und die Welt mit anderen Augen sieht.

Persönlichkeitsentwicklung als Basis für Verständnis von sich selbst und anderen. Ein Beispiel
Max Empathik, ein besonnener Mann mit hoher sozialer Kompetenz, leitet in einem renommierten Unternehmen ein Team von Technikern. Als er ins Coaching kommt, belasten ihn vor allem die Erwartungen seines Chefs an ihn: Er solle sich tatkräftiger durchsetzen, so die Vorgabe, und bildlich gesprochen »einmal so richtig auf den Tisch hauen«. Er müsse die ihm zugeteilten Mitarbeitenden strenger führen und mehr Präsenz als Teamleiter zeigen. Der Führungsstil seines Vorgesetzten widerstrebt Max Empathik jedoch zutiefst. Er ist ein Mensch mit hoher Mitarbeiterorientierung und sein eigener Fokus in der Mitarbeiterführung liegt neben dem Erzielen optimaler fachlicher Ergebnisse auf Mitbestimmung und Kommunikation auf Augenhöhe. Er sieht sich selbst eher als »Vorgenetzter« denn als Vorgesetzter. Er verfügt über die Fähigkeit, als aufmerksamer und respektvoller Kommunikationspartner und mit Empathie Beziehungen zu gestalten. Allerdings findet auch er selbst die Ergebnisse seines Führungsstils nicht ganz zufriedenstellend. Er fühlt sich nicht ausreichend ernst genommen und stellt sich gelegentlich die Frage, ob er nicht zu weich und zu verständnisvoll agiere. Eines weiß er allerdings mit Sicherheit: Wohin auch immer er sich entwickeln wird, den Führungsstil seines Chefs möchte er keinesfalls kopieren. Dieser kritisiert ihn oft auf destruktive Weise und bevormundet ihn. Jene Soft Skills, die Max Empathik in seinem Wesen veranlagt hat, nimmt er zunächst nicht einmal selbst als Ressourcen wahr. Die spezielle Art von Feuer, die sein Vorgesetzter in ihm entfachen möchte, steht im krassen Gegensatz zu Max Empathiks Naturell. Daraus resultiert seine tiefe Abneigung gegenüber dem Führungsstil des Chefs. Aber trotz dieser Aversion reagiert er mit der Zeit in Stresssituationen immer öfter ähnlich wie sein Vorgesetzter. Erschwert wird seine innerbetriebliche Positionsfindung dadurch, dass die Mitarbeiter, die er fachlich anleiten soll, ihm disziplinär nicht unterstehen. Durch die unklare Kompetenzverteilung in der Organisation gerät er zusätzlich unter Druck.

Zunächst lernt er durch die Reflexion nach dem »Self-Agil-Modell« (Informationen dazu unter payerundpartner.at) seine individuellen Stärken kennen, nimmt aber im Gegenzug auch seine Schwächen auf neue Weise wahr. Seine Ressourcen liegen darin, beziehungs- und mitarbeiterorientiert denken zu können und feinste Stimmungsschwankungen in der Gruppe zu registrieren. Dieses Potenzial resultiert aus seinen ausgeprägten empathischen Anteilen, die er jedoch erst als Stärke und nicht als Schwäche wahrnehmen lernen muss. Außerdem führt er – wenn er nicht gerade extrem unter Druck steht – sehr konstruktive Mitarbeitergespräche. Seine Schwäche hingegen besteht in einem unerlösten Zugang zu Macht und einem positiven Egoismus: Das rücksichtslose Verhalten seines Chefs verachtet er. Den eigenen Mangel an Durchsetzung kompensiert er in Stresssituation allerdings durch ein nicht erwachsenes Ausleben dieser Persönlichkeitsanteile. Nach Phasen der Toleranz und schier unerschöpflichen Geduld explodiert er dann ganz plötzlich. In diesen Momenten ähnelt er seinem Vorgesetzten – und verachtet sich selbst dafür. Mit einer erwachsenen, positiven Form von Durchsetzungskraft, die er erst mittels Coaching erlernt und die sich deutlich vom Verhalten seines Chefs unterscheidet, kann er sich schließlich anfreunden. Nun kultiviert er seinen inneren König, der klar eine Richtung vorgibt, aber dabei niemanden unterdrückt. Aus seinem problematischen Umgang mit der Dominanz des Vorgesetzten wird im Laufe seiner Persönlichkeitsentwicklung ein durchaus entspannter: Dessen Wutausbrüchen begegnete er zunehmend mit völlig neutral vorgebrachten Bitten wie »Könnten Sie mir bitte erklären, was Sie konkret an meiner Arbeit gestört hat?« oder Aussagen wie »Es tut mir leid, ich habe übersehen, dass ich hiermit eine Grenze überschritten habe.«

Konflikte besser verstehen
Er fühlt sich bei kritischen Bemerkungen seines Chefs nicht mehr länger wie ein Kind, das von seinem Vater zurechtgewiesen wird. Unter anderem gelingt es ihm sogar, den konstruktiven Anteil im Verhalten des Chefs zu sehen. Im dominanten Auftreten erkennt er Durchsetzungsfähigkeit, Direktheit und Entscheidungsstärke und lernt, diese positiven Aspekte auch in seiner eigenen Persönlichkeit zu fördern. Außerdem hinterfragt er zunehmend, welche unterwürfigen oder trotzigen Verhaltensweisen seinen Chef überhaupt erst dazu gebracht haben, so respektlos mit ihm umzugehen. Diese eigenen Anteile haben schließlich dazu beigetragen, die belastende Situation über die Jahre zu verfestigen. Seit er sich seines eigenen Beitrags zu dieser unglücklichen Konstellation bewusst ist, ändert er sein Verhalten im Konfliktfall und zähmt auf diese Weise auch den aufbrausenden Vorgesetzten. Weiters hat Max Empathik durch die Erkenntnisse über sich selbst, seine Fertigkeiten gefeilt, seine Mitarbeiter individuell zu führen, das Teampotenzial optimal zu nutzen und Konflikte besser zu verstehen und zu durchlaufen. Der Umgang mit der eigenen Diversität hat ihm geholfen, auch die Diversität im Team gut zu erkennen, zu fördern und zu nutzen.

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Das Buch »Die Dosis macht das Gift. Wie Verhalten zum Geschenk oder zur Qual wird« zeigt, wie man die eigene Diversität erkennt und anderen Menschen offener begegnen kann. Wir verlosen anlässlich der Weihnachtszeit drei Exemplare! Um eines von drei Exemplaren dieses Buches zu gewinnen, schicken Sie uns ein Email an office@wmedia.at mit dem Betreff »Die Dosis macht das Gift«.

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Foto: Marija KanizajDr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

Fazit 188 (Dezember 2022), Fazitserie »Erfolg braucht Führung« (Teil 55)

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