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Politicks Mai 2023

| 12. Mai 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 192, Politicks

Dreikampf in der SPÖ
Mit Pamela Rendi-Wagner, Hans Peter Doskozil und Andreas Babler stellen sich drei durchaus prononcierte Kandidaten der Mitgliederbefragung zum SPÖ-Vorsitz. Rendi-Wagner gilt als Kandidatin der Wiener SPÖ – ein Angebot für urbane Wählerschichten, von den Bobos über die vielen Aufsteiger mit und ohne Migrationshintergrund, die aus der Arbeiterklasse hervorgegangen sind, und natürlich für das klassische Wiener SPÖ-Klientel, das der Partei oft sehr viel – vom Job bis zur Gemeindewohnung – zu verdanken hat. Bis zum Sommer hatte Rendi-Wagner die SPÖ in den Umfragen mit annähernd 30 Prozent auf die klare Nummer eins geführt. Doch dann kam ihr der fatale Sager aus, dass es in Österreich kein Migrationsproblem gebe.

Der SPÖ-Führungsstreit spielt FPÖ und ÖVP in die Hände
Der U-Ausschuss-geplagten ÖVP standen auf einmal gute Argumente gegen die eloquente Quereinsteigerin an der SPÖ-Spitze zur Verfügung. Mit ihrer Ignoranz spielte Rendi-Wagner aber vor allem der FPÖ in die Hände. Auf einmal wurde das freiheitliche Lieblingsthema – die Bekämpfung der Migration – von weiten Teilen der Bevölkerung wieder als relevant wahrgenommen. Und Herbert Kickl nützte die Chance, die FPÖ nicht nur mit seinem Corona-Revanchismus, sondern auch mit der Ausländerpolitik zu stärken. Innerhalb weniger Wochen schaffte die FPÖ den Sprung zur klaren Umfrage-Nummer-Eins. Aber die SPÖ stürzte nicht nur wegen der Verharmlosung des Asylproblems durch ihre Vorsitzende ab. Auch der burgenländische Möchtegern-SPÖ-Chef Hans Peter Doskozil trug viel zur Krise der Partei bei. Denn spätestens seit er eine Umfrage präsentierte, die besagt, dass er der mit Abstand beste SPÖ-Kanzlerkandidat wäre, löste der Führungsstreit innerhalb der SPÖ, die Korruptionsdiskussionen um die ÖVP als innenpolitisches Spitzenthema ab.

Doskozil hat gezeigt, dass er gegen die FPÖ gewinnen kann
Hans Peter Doskozil ist der letzte österreichische Landeshauptmann, der eine absolute Mehrheit erringen konnte. Inhaltlich unterscheidet er sich übrigens kaum von Rendi-Wagner. Als in Verantwortung stehender Landeshauptmann ist er jedoch in der Lage, seinen Worten millionenschwere Taten folgen zu lassen. Das gilt sowohl für den Mindestlohn von 2.000 Euro netto als exklusives Privileg für den burgenländische Landesdienst. Und es gilt auch für Doskozils Versuch, den anderen Bundesländern die Spitalsärzte abzuwerben. Er verspricht den Medizinern auf Kosten der Steuerzahler ein Mindestgehalt von 140.000 Euro jährlich, wenn sie in sein Burgenland wechseln.

Bei der letzten Landtagswahl hat der pragmatische Populist Doskozil bewiesen, dass die SPÖ sogar auf Kosten der FPÖ immer noch Wahlen gewinnen kann. Und genau das macht ihn für viele SPÖ-Verantwortungs- und -Mandatsträger im Bund, in den Bundesländern und in den Gemeinden so attraktiv. Viele SPÖ-Funktionäre hoffen auf einen Anführer, der mit einem Mix aus Pragmatismus und sozialistischem Populismus sowohl die SPÖ-Parteibasis als auch die bürgerliche Wählermehrheit für sich einnehmen kann. Die letzten SPÖ-Granden, die das geschafft gehaben, waren Bruno Kreisky und Franz Vranitzky.

Babler bedient die linke Sehnsucht nach Karl Marx
Der spannendste Kandidat um die SPÖ-Führung ist zweifellos der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler. Babler war Bundessekretär der Sozialistischen Jugend und ist damit bestens in alle SPÖ-Landesorganisationen vernetzt. Er galt – so einer seiner SJ-Wegbegleiter – sogar innerhalb der Sozialistischen Jugend als äußerst linker, ideologisch gefestigter Marxist. Babler ist unter anderem Anhänger der marxistisch-leninistischen Staatsmonopolkapitalismus-Theorie. Wenn Babler tatsächlich SPÖ-Chef wird, schafft damit ein ziemlich absurdes, unter anderem von Lenin vertretenes Konzept den Sprung in die Tagespolitik. Beim Staatsmonopolkapitalismus wird – so die Theorie – der Staat von Monopolisten unterwandert und ordnungs- und fiskalpolitisch übernommen. Die Ausbildung von Monopolen ist aus Sicht von Marx das unausweichliche Ergebnis des Wettbewerbs, bei dem nur der Stärkste überleben wird. Aus für Marxisten unerklärlichen und für jeden Marktwirtschaftler völlig logischen Gründen ist die Monopolbildung bisher aber nicht eingetreten. Dank der Wohlstandsgewinne durch die soziale Marktwirtschaft und dank der Innovationskraft unzähliger findiger Unternehmer werden Produkte nämlich durch andere substituiert, wenn ihre Preise infolge einer Verknappung oder durch Monopole steigen. Daher wird es Gott sei Dank auch nie dazu kommen, dass die Konzerne so mächtig wurden, dass sich ihre Eigentümer die ganze Welt zurechtbiegen können. Aber was kratzt das einen echten Marxisten, wenn sich seine Theorie empirisch als unzulänglich herausstellt, nur weil sich der Kapitalismus im demokratischen Umfeld ständig an gesellschaftliche Erfordernisse anpasst. So wurde aus dem ungezügelten Kapitalismus längst die soziale Marktwirtschaft. Und derzeit arbeiten alle intensiv daran, auch die ökologischen Kosten  einzupreisen, um durch die ökosoziale Marktwirtschaft die Klimatransformation von Wirtschaft und Verkehr zu beschleunigen. Der sogenannte »StamoKap« mag sich daher immer noch für Dialektikübungen des SPÖ-Nachwuchses eignen, als nationalökonomisches Konzept ist er hingegen vollkommen widerlegt. Aber was kratzen empirische Fakten einen ideologisch gefestigten Parteisoldaten wie Andreas Babler.

Als Babler kürzlich im überwiegend von Grazer SPÖ-Anhängern frequentierten Grazer Restaurant »Eleven« auftrat, war der Andrang enorm. Der tüchtige, in der Grazer Kommunalpolitik für die SPÖ engagierte Wirt, Arsim Gjergji, musste vor seinem Lokal in der Kaiserfeldgasse sogar Lautsprecher aufstellen, weil die vielen Babler-Anhänger keinen Platz mehr in seinem Lokal fanden. Diese und andere Beobachtungen legen den Schluss nahe, dass sich das Momentum im Dreikampf um die SPÖ-Spitze in Richtung des Traiskirchner Bürgermeisters verlagert.

Wie lange überlebt die schwarzgrüne Koalition noch?
Der Auswahlprozess, mit dem die SPÖ ihren neuen Vorsitzenden kürt, bringt der Partei zwar jede Menge Sendezeit. Der Führungsstreit macht sich in einer von Unique Research für das Nachrichtenmagazin Profil erstellten Umfrage jedoch klar negativ in den Unfragewerten bemerkbar. Die SPÖ rutschte nämlich mit 23 Prozent auf Rang drei ab. Die FPÖ hält mit 28 Prozent weiter Platz eins und die ÖVP kann auf 25 Prozent zulegen. Grüne und Neos erreichen elf bzw. zehn Prozent.

Erstmals seit Ende des ÖVP-Korruptionsuntersuchungsausschusses gewinnt Karl Nehammer auch bei der fiktiven Kanzler-frage dazu. Er liegt nun mit 20 Prozent wieder auf Rang eins, gefolgt von Herbert Kickl mit 18 Prozent und Pamela Rendi-Wagner mit zwölf Prozent. Was mögliche Regierungskoalitionen betrifft, würden sich Blau-Schwarz, Blau-Rot oder Schwarz-Rot, ausgehen. Die elf Prozent Zustimmung für die Grünen reichen zwar noch nicht für eine Ampel, wohl aber um auch Werner Kogler die Angst vor Neuwahlen zu nehmen.

Die ÖVP dürfte die Talsohle beim Zuspruch der Wählerinnen und Wähler tatsächlich durchschritten haben. Das ist gut für das schwarze Selbstvertrauen und äußert sich im härter werdenden Umgang mit dem Koalitionspartner. Statt mit dem Besten zweier Welten beschränkt sich die schwarzgrüne Koalition bekanntlich seit Monaten auf den kleinsten gemeinsamen Nenner. Daher könnte die ÖVP das aktuelle Hoch nutzen, um die ungeliebte Koalition mit den Grünen platzen zu lassen.
Denn ganz egal ob Verbrennerverbot, Mietpreisdeckel, die Stärkung der Beschuldigtenrechte, der Umgang mit Klimaklebern oder mit abgelehnten Asylwerbern: Längst nimmt sich keine der beiden Regierungsparteien dabei zurück, wenn es darum geht, öffentlich gegen die Position der jeweils anderen Stellung zu beziehen. Ist es tatsächlich nur mehr eine Frage der Zeit bis Schwarz oder Grün die Reißleine ziehen?

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Politicks, Fazit 192 (Mai 2023)

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