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Politicks August 2023

| 18. August 2023 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 195, Politicks

Drexler als Landeshauptmann neuen Stils
Im letzten Jahr hat die Steiermark einen völlig neuen Christopher Drexler kennengelernt. Von Schützenhöfers ehemaligem »Mann fürs Grobe« durfte man sich eigentlich erwarten, dass er auch als Landeshauptmann keine Gelegenheit auslassen wird, sich am politischen Gegner zu reiben und sich am tagespolitischen Hickhack sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene zu beteiligen. Schließlich war Drexler lange Zeit damit betraut, seine politischen Gegner zu stellen und rhetorisch niederzustrecken. Seit er vor über einem Jahr an die Landesspitze trat, nimmt er sich diesbezüglich jedoch weitgehend aus dem Spiel. So verweigert der steirische LH etwa die Teilnahme an den Fernseh-Polit-Talkshows von ORF, Servus-TV bzw. der einschlägigen Krawallsender. Er reagiert auch meist bestenfalls auf Nachfrage auf die vielen polemischen und sehr oft auch populistischen Aussendungen der steirischen Oppositionsparteien.

Stattdessen beschränkt Drexler sein politisches Handeln darauf, die Steiermark bestmöglich, aber jedenfalls unaufgeregt durch die vielen aktuellen Krisen zu führen und gleichzeitig so viele Termine wie möglich wahrzunehmen. In den Innenpolitikredaktionen sorgt diese biedere, aber wenig aufregende Politik mitunter bereits für Langeweile; schließlich durfte man sich einen steirischen Landeshauptmann Christopher Drexler erwarten, der sein inhaltliches Profil schärft, indem er gegen die äußerst unbeliebte türkisgrüne Bundesregierung ins Feld zieht.

Wer ihm – wegen dieses für einen steirischen Landeshauptmann völlig neuen Stils – mangelnden Einfluss auf die Bundes-ÖVP attestiert, dürfte jedoch völlig falsch liegen. Drexler ist sowohl mit Bundeskanzler Karl Nehammer als auch mit den meisten ÖVP-Regierungsmitgliedern bestens vernetzt. Es ist daher davon auszugehen, dass es keine bundespolitischen Initiativen – etwa beim Ausbau der Infrastruktur – mehr geben wird, bei denen die Steiermark benachteiligt wird. Ob und wie dieser neue Stil bei den Wählerinnen und Wählern ankommen wird, wird sich wohl erst im Landtagswahlkampf zeigen. Die anfangs ziemlich skeptische ÖVP-Basis konnte Drexler jedenfalls längst von sich überzeugen.

Massiver Gegenwind aus Wien
Dass es der Steirischen Volkspartei angesichts des Zustands der Bundes-ÖVP nicht gelingen wird, an ihr 2019er-Landtagswahlergebnis von über 36 Prozent anzuschließen, ist klar. Der ehemalige Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer verdankt diese Zahlen zwar auch auf seinem in viereinhalb Jahren mit großem persönlichen Einsatz aufgebauten Landeshauptmannbonus; einen mindestens ebenso großen Anteil am Erfolg hatte jedoch auch der Rückenwind durch Sebastian Kurz. Dieser konnte die Nationalratswahl im September 2019 – nur wenige Wochen vor der Steirischen Landtagswahl – mit 37,5 Prozent bekanntlich klar für sich entscheiden.

Derzeit liegt die ÖVP auf Bundesebene deutlich hinter der FPÖ. Das gleiche gilt für die SPÖ. Der neue SPÖ-Chef Andreas Babler kommt aufgrund seiner kontroversiellen Äußerungen in den Umfragen kaum vom Fleck. Jedenfalls kann Babler nicht halten, was sich die SPÖ-Landesparteien von Hans Peter Doskozil versprochen hatten. Und selbst wenn Babler in den nächsten Wochen doch noch Tritt fassen sollte, ist abzusehen, dass ihn seine umstrittenen Aussagen immer wieder einholen werden. Spätestens bei den Wahlkonfrontationen wird sich Babler bei Themen wie dem Verbrennen von Kruzifixen, der Freigabe von Haschisch, Tempo 100 auf Autobahnen oder den Folgen einer etwaigen 32-Stundenwoche nicht mehr herauswinden können.

Natürlich ist vor allem die türkisgrüne Bundesregierung dafür verantwortlich, dass die FPÖ die kommende Nationalratswahl wohl gewinnen wird. Mit der seltsamen Performance ihres neuen Vorsitzenden trägt aber auch die SPÖ maßgeblich zum Vorsprung der Freiheitlichen bei. Für den steirischen SPÖ-Vorsitzenden, LHStv. Anton Lang, bedeutet das, dass er wie auch sein schwarzer Koalitionspartner unter die Räder zu geraten droht. Daran ändert auch die gute Performance der Landesregierung wenig. Natürlich versucht die Landesregierung, gegen die größten aktuellen Herausforderungen, wie die Teuerung und die Probleme im Gesundheitsbereich oder in der Pflege, vorzugehen. Gegen globale Megatrends sind die regionalpolitischen Möglichkeiten jedoch sehr beschränkt.

Während es Drexler mit seinem LH-Bonus und einem gelungenen Wahlkampf vielleicht schaffen kann, bei der Landtagswahl vor der FPÖ zu bleiben und damit den Landeshauptmannsessel zu halten, muss sich die SPÖ ernsthaft damit auseinandersetzen, sogar den zweiten Platz zu verfehlen. Denn natürlich zahlen auch die guten Ergebnisse der SPÖ-Regierungsmitglieder, etwa beim Ausbau des steirischen ÖPNV oder beim Teuerungsausgleich für sozial Schwache, beim Ersten, dem Landeshauptmann, ein. Wenn die FPÖ bei der Landtagswahl tatsächlich als Erster oder Zweiter durchs Ziel geht, wäre eine SPÖ-Regierungsbeteiligung wohl für längere Zeit Geschichte.

Auch das Europaparlament wird 2024 neu gewählt
Die kommende Europawahl findet von 6. bis 9. Juni 2024 statt und ist die zehnte Direktwahl zum Europäischen Parlament. Dabei werden voraussichtlich 705 Abgeordnete gewählt. In Österreich wird damit gerechnet, dass die FPÖ massiv dazugewinnen wird. Europaweit ist mit einer Stärkung sowohl des rechten als auch des linken Randes zu Lasten der EVP und der Europäischen Sozialisten zu rechnen.
Noch stehen die Spitzenkandidaten der österreichischen Parteien nicht fest, aber die FPÖ-Liste wird wohl mit großer Wahrscheinlichkeit wieder von Harald Vilimsky als Spitzenkandidat angeführt. ÖVP-Listenführer Othmar Karas ist derzeit Vizepräsident des Europäischen Parlaments und will offenbar wieder antreten. Da er in vielen Fragen jedoch völlig anders abgestimmt hat als seine Fraktion, ist es äußerst fraglich, ob die ÖVP den dann 66-Jährigen noch einmal wählbar aufstellen wird. Im Raum steht daher die eigenständige Kandidatur von Karas oder das Antreten auf der Liste einer anderen Partei. Bei der SPÖ hat der Spitzenkandidat von 2019, Andreas Schieder, bereits den Wunsch deponiert, noch einmal als Listenführer antreten zu wollen. Die Spitzenkandidatur bei den Grünen ist noch offen. Alle drei derzeitigen Abgeordneten wollen jedenfalls noch einmal antreten. 2019 führte der jetzige Vizekanzler Werner Kogler die grüne EU-Liste an. Die einzige NEOS-EU-Abgeordnete, Claudia Gamon, begibt sich gerade in Mutterschutz und plant nach der Babypause den Wechsel in die Vorarlberger Landespolitik.

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Politicks, Fazit 195 (August 2023)

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