Anzeige
FazitOnline

Politicks August 2010

| 5. August 2010 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 65, Politicks

Steuerdiskussion: Wo Reichensteuer drauf steht, ist Mittelstands-Belastung drinnen!

Trotz zahlreicher Nachfragen der Journalisten waren bisher weder  SPÖ-Parteichef Bundeskanzler Werner Faymann noch sein sich bereits im Wahlkampf befindlicher steirischer SPÖ-Vorsitzender Franz Voves bereit, genau darzulegen, was unter Reichensteuern zu verstehen ist, wie eine Vermögenszuwachssteuer beschaffen sein soll und wie die neue Grundsteuer. Auf Nachfrage verweist Landeshauptmann Voves gerne auf sein Konzept der „Neuen Europäischen Wirtschaftspolitik“ (NEW). Doch auch dort findet sich nichts Erhellendes sondern bloß folgender Allgemeinplatz: „Auf nationalstaatlicher Ebene treten wir für die weitere Abgabenentlastung des Faktors Arbeit ein. Hingegen sollen Vermögen und Vermögenseinkommen in stärkerem Ausmaß besteuert werden. Diese Maßnahmen entlasten Leistungseinkommen gegenüber leistungslosen Einkommen und begünstigen die kleinen Leute gegenüber den Vermögenden.“ Wenn es nur so einfach wäre, wie sich das der aus der Wirtschaft kommende steirische Landeshauptmann vorstellt:  Während die Zeitung „Der Standard“ bereits errechnet hat, dass eine „Grundsteuer NEU“ nur dann etwas bringt, wenn es die von der SPÖ in Aussicht gestellten Freigrenzen für Häuslbauer und Wohnungsbesitzer nicht gibt, ist man bei der Vermögenszuwachssteuer auf Vermutungen von Experten angewiesen. Dabei wird immer klarer, dass die SPÖ zwar auf die Reichen zielt, aber wieder nur die Mittelschicht trifft. Denn längst bilden Lebensversicherungen, Pensionsfonds und Pensionsversicherungen die größten Shareholder der auf den heimischen Handelsplätzen gehandelten Wertpapiere. Während die wirklich Reichen ihr Vermögen dort anlegen, wo es ihnen nach Abzug aller Taxen am meisten Ertrag bringt, ist die in Versicherungen veranlagte Mittelschicht weit weniger flexibel und auf die Landes-Bestimmungen für Sondervermögen angewiesen.

Zweifellos würde die von SPÖ und ÖVP geforderte Finanztransaktionssteuer Sinn ergeben, weil die Steuerflucht schwieriger wäre. Doch dieses Match haben Faymann und seine deutsche Amtskollegin Angelika Merkel leider auf EU-Ebene längst verloren.

Schützenhöfer schlägt im Fazitgespräch Rückkehr zur „Wohnbeihilfe Alt“ vor

In einem äußerst lesenswerten Interview für diese FAZIT-Ausgabe (Seite 30) schlägt ÖVP-Chef LHStv. Hermann Schützenhöfer die Rückkehr zur „Wohnbeihilfe Alt“ vor. Das Land könnte sich mit einem treffsichereren System bis zu 30 Millionen Euro jährlich sparen. Für jene Steirerinnen und Steirer, die Unterstützung benötigen, diese durch die „Wohnbeihilfe Alt“ aber nicht erhalten würden, tritt der ÖVP-Chef für eine Mischform aus dem derzeit gültigen System der Wohnbeihilfe und der „Wohnbeihilfe Alt“ ein. Außerdem spricht sich Schützenhöfer klar für die Wiedereinführung  der Studiengebühren an den dem Land Steiermark gehörenden Fachhochschulen aus.

Schafft die FPÖ doch noch den Regierungssitz?

Insgeheim rechnen sowohl die steirische SPÖ als auch die ÖVP längst damit, dass sie ihre Zusammenarbeit nach der Landtagswahl fortsetzen müssen. Dass ist jedenfalls dann der Fall, wenn weder FPÖ noch Grüne einen Sitz in der neunköpfigen Landesregierung erringen können. Sehr wahrscheinlich wird ein solcher Regierungssitz ab fünf Landtagssitzen. Dafür sind etwa neun Prozent der Stimmen erforderlich.  In den aktuellen Umfragen liegen nur SPÖ und ÖVP über dieser Zahl. Das hieße wohl, dass die stärkste Partei wieder den Landeshauptmann stellt, weil sie automatisch auch über eine absolute Regierungsmehrheit verfügt.  Kalkuliert man jedoch die Schwankungsbreiten der aktuellen Umfragen mit, liegt ein Regierungssitz auch für die FPÖ im Bereich des Möglichen.

Damit wären die Karten völlig neu gemischt, denn aller Voraussicht nach hätte bei einem solchen Szenario keine Partei die absolute Mehrheit in der Landesregierung.  Die LH-Partei bräuchte somit einen Regierungspartner für „das Alltagsgeschäft“. SPÖ-Chef Franz Voves hätte auf einmal eine Alternative zur Zusammenarbeit mit der Schützenhöfer-Volkspartei. Und dass sich die FPÖ als Zünglein an der Waage besonders wohl fühlt, hat sie ja schon in der Vergangenheit bewiesen.

Sowohl SPÖ als auch ÖVP haben bereits angekündigt, dass für sie die steirische FPÖ grundsätzlich als Partner für eine Zusammenarbeit in Frage kommt. Möglich wäre ein solches Szenario natürlich auch, wenn die Grünen fünf Mandate erreichen. Doch darauf deutet trotz ihres beflissen wahlkämpfenden Spitzenkandidaten Werner Kogler nicht viel hin.

Intakt scheinen auch die Chancen der KPÖ, zumindest was ein Grundmandat im Wahlkreis 1 (Graz und Graz-Umgebung) und damit den Wiedereinzug in den Steirischen Landtag anlangt. Nur äußerst geringe Hoffnungen auf einen Sitz im steirischen Landesparlament darf sich hingegen das BZÖ mit seinem umtriebigen Landeschef Gerald Grosz machen.

Streit um die Umweltzonen

Einen Riesenwirbel hat der steirische ARBÖ ausgelöst, als er die „Executive Summary“ – die Zusammenfassung – einer im Auftrag der Wirtschaftskammer Steiermark von „Joanneum Research“ erstellten Studie zum Thema „Umweltzonen in Graz“ an die Kronenzeitung weitergab. Die Studienautoren Franz Prettenthaler, Clemens Habsburg-Lothringen und Veronika Richter ließen offenbar diese  Zusammenfassung einer Studie außer Haus gehen, die zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht abgeschlossen war. Das niederschmetternde Studienergebnis – zumindest in der Zusammenfassung – besagt, dass die Einführung der Umweltzonen im Kampf gegen den Feinstaub praktisch nichts bringt und für die Grazer Wirtschaft Umsatzrückgänge von 430 Millionen Euro verursacht. „Joanneum Research“ geht zudem von einem Beschäftigungsverlust von 1500 Jobs und einem Wertschöpfungsverlust von etwa 63 Millionen Euro aus. Dazu kommt einer Aufstellung der WK zufolge eine Abwertung bei den steirischen Fahrzeugen von weiteren 372 Millionen Euro. Die Grazer Umweltzone reduziert den Feinstaub also um 1,26 Prozent und kostet alles zusammen eine halbe Milliarde Euro sowie 1500 Arbeitsplätze. Die gleiche Feinstaubreduktion ließe sich, so „Joanneum Research“, im Bereich des Hausbrandes mit dem Austausch von 356 Heizanlagen bewerkstelligen. Das würde etwa vier Millionen Euro kosten, also rund ein Prozent der Kosten der Umweltzone. Wirtschaftskammerpräsident Ulfried Hainzl weist auf diesen wirtschaftspolitischen Unfug ja schon seit seinen Tagen als Obmann der Grazer WK-Regionalstelle hin. Die beiden politisch Hauptverantwortlichen, Umweltlandesrat Manfred Wegscheider und der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl, kündigten die Ausarbeitung einer fachlichen Stellungnahme zur Studie an. Für die Wirtschaftskammer sagte Vizepräsident Benedikt Bittmann: „Umweltzonen, in welcher Form auch immer, sind der falsche Zugang. Wenn die Befürworter die Bekämpfung des Hausbrandes mit derselben Vehemenz verfolgen würden wie die Umweltzone, könnte viel mehr erreicht werden.“

Diskussion um die Wehrpflicht

Noch wollen weder SPÖ noch ÖVP etwas von der Abschaffung der Wehrpflicht wissen. In der SPÖ gibt es eine immer noch auf die Unruhen im Jahr 1934 zurückgehende Aversion gegen ein demokratisch weniger legitimiertes Berufsheer. Damals hat ja das Heer auf Befehl des Ständestaatkanzlers Engelbert Dollfuß auf Anhänger der zuvor verbotenen Sozialistischen Partei geschossen. Bei der ÖVP sieht man das Thema etwas pragmatischer. Zwar hat die Partei viele Anhänger, die sich dem Milizgedanken verpflichtet fühlen, das größere Problem stellt jedoch der mit dem Wegfall der Wehrpflicht einhergehende Verlust des Zivildienstes dar. Der Staat spart sich jährlich hunderte Millionen Euro, weil die Zivildiener gratis im Gesundheits- und Sozialbereich verpflichtet werden.

Aufhorchen ließ nun Bundespräsident Heinz Fischer mit dem Vorschlag, die allgemeine Wehrpflicht auf Frauen auszudehnen. Fischer verweist in dem Interview für die Vorarlberger Nachrichten darauf, dass in der Vergangenheit geschaffene Ungleichbehandlungen zwischen Männern und Frauen derzeit abgebaut würden – etwa durch die Angleichung des Pensionsantrittsalters bis 2035. Daher wäre es aus seiner Sicht „logisch“, auch einen Ansatz zur Gleichbehandlung bei Landesverteidigung und Sozialdiensten zu finden. Kurz nachdem andere Medien die Fischer-Äußerungen aufgegriffen hatten, dementierte dieser jedoch und meinte, seine Stellungsnahme sei eine rein hypothetische gewesen. Verteidigungsminister Norbert Darabos sprach sich kurzfristig ebenfalls gegen eine Wehrpflicht für Frauen aus, hält sie aber zumindest längerfristig für möglich. Wenn Frauen irgendwann den Männern voll gleichgestellt seien, etwa bei den Löhnen, könne man, so der Verteidigungsminister, über eine Wehrpflicht für Frauen nachdenken.

Politicks, Fazit 65 (August 2010)

Kommentare

Antworten