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Zur Lage (43)

| 18. Dezember 2011 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 78, Zur Lage

Über Kontrolle, über Tarife, wie immer zu wenig über Bildung, kurz über den Kanzler und ein Blick in den Süden.

Das Grazer Personentransportunternehmen formerly known as GVB hat ja ein echtes Händchen bewiesen, als es um die Beauftragung eines Fremdunternehmens zur Fahrscheinkontrolle gegangen ist. Diese umtriebigen Kontrolleure sollen systematisch allen Verwandten wie guten Bekannten ein eigenen Tarifsystem zur Beförderung mit Grazer Bussen und Tramways ermöglicht haben: den Nulltarif nämlich, den nicht einmal der Inder in seinem umfangreichen Portfolio anzubieten weiß. Irgendwie muss dieses Fremdunternehmen damit aber doch sein Auslangen gefunden haben, werden doch 500000 Euro genannt, die zur »Schadenswiedergutmachung« – wohl in Form eines außergerichtlichen Vergleichs – an die Grazer Stadtwerke bezahlt worden sein sollen. 500 Tausend Euro!
Auch wenn der Einzelfahrschein mit 1,90 viel zu teuer ist (regieren die Grünen in Graz eigentlich noch mit?), sind das dann doch plusminus 250 Tausend Fahrten, die niemand wirklich kontrolliert hat. Also, selbst wenn ich jetzt alle meine Bekannten, und ich habe viele Bekannte, da fahren lassen würde, täten die schon ein paar Jahre um den Schloßberg kreisen können. Oder aber, ich will da keinen Teufel nicht an die Wand malen, das Unternehmen wurde zudem, dass es einer eher semilegalen Auffassung dieses Kontrollauftrages nachgekommen ist, schlicht viel zu hoch bezahlt. Aber das wird wohl niemanden Ernstes nicht sein.
Vielleicht kann ja auch nur niemand mehr rechnen in diesem Land, steht es ja mit der Bildung ungemein schlecht. So schlecht, dass Hannes Androsch einspringen musste und sich mit seinem Bildungsvolksbegehren dafür eingesetzt hat, dass Österreich »nicht sitzen bleibt«. Sitzen geblieben sind – vorerst einmal – die ganzen Bürgerinnen und Bürger; nur matte sechs Prozent konnten österreichweit vom Industriekapitän und Steuerschoner dazu bewogen werden, sein Ansinnen für eine bessere Schule zu unterschreiben. Ausreißer war da nur der erste Wiener Gemeindebezirk, wo immerhin 28 Prozent aufgestanden sind. Was auch nur zu gut verständlich ist, immerhin gehen dort die Kinder zu guten 135 Prozent auf Privatschulen. Und deren Eltern werden schon wissen, dass eine Gesamtschule für alle Anderen das Beste ist. Details, wie etwa die Tatsache, dass 20 Prozent unserer Kinder in der »Gesamtschule Volksschule« nicht mehr ordentlich lesen und schreiben lernen, haben die Programmatiker des Guten noch nie interessiert.
Für Philosoph Konrad Paul Liessmann ist »Bildung« überhaupt ein »Mittelstandsphänomen«. Für die Eliten sei sie bedeutungslos, weil selbstverständlich (oder überflüssig), für die sogenannten bildungsfernen Schichten würden andere Werte (Rockstars und Fußballer, die ja auch keiner beim Schreiben kontrolliert) zählen.
Da bin ich sehr bei ihm. Die Schule – und Gott seis gedankt, gibt es immer wieder Modellschulen, neue Unterrichtsformen und weiß der Himmel welche Versuche – hat eine einzige Aufgabe zu erfüllen: unsere jungen Menschen mit den Kulturtechniken vertraut zu machen und darüberhinaus Interesse an weiterer Bildung zu wecken. (Was dann in den verschiedensten Schulformen vertieft werden kann.) Und das kann sie nur, wenn man sie lässt. »Gute Pädagogen«, auch das hat Liessmann gesagt, »vergisst man«. Das ist wie mit den faden Kanzlern.
Oder denken Sie wirklich, dass sich irgendjemand in dreißig oder vierzig Jahren noch der Herren Faymann oder Spindelegger erinnern wird können? Nicht einmal die Tatsache, dass Werner Faymann jetzt für rund 200000 Euro bei Facebook und Twitter mitmacht, wird daran was ändern. Twitter ist übrigens ein Kurznachrichtendienst im Internet, Facebook kennen wir und bei beiden Diensten kann man um den von der GVB bekannten Nulltarif ein Konto anlegen. Der Regierungssprecher der deutschen Bundeskanzlerin, Steffen Seibert, hat es – als er damit konfrontiert wurde, dass für Werner Faymanns »Netzforce« neun Mitarbeiter abgestellt sind – wunderbar auf den Punkt gebracht: »Beeindruckend. Wir haben keine ganze Abteilung dafür, sondern ich mache das alleine«.
Naja, die Damen und Herren bei den Sozialdemokraten werden schon wissen, wozu sie das viele Geld brauchen. Außerdem liegen sie damit im Trend aller wirtschaftswissenschaftlicher Schwergewichte: Ganz egal woher das Geld kommt, Hauptsache, es wird ordentlich was ausgegeben.
Und sonst? Ein schweres, ein wahrhaft fürchterliches Jahr für viele Mittelmeerstaatschefs. Gleich am Anfang erwischte es Zine Ben Ali in Tunesien, dann – etwas langwieriger und unter Einsatz französischer US-Drohnen – kam Oberst Muammar Gaddafi in Libyen an die Reihe und jetzt auch noch der Buhmann Europas, Benito, pardon, Silvio Berlusconi. Der war jetzt eigentlich ziemlich schnell weg, dafür dass er – ganz unitalienisch – recht lange im Amt war. Also mir persönlich wird Bunga-Bunga Berlusconi einigermaßen abgehen. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass eine große Koalition dem Lande nicht nutzen kann.

Zur Lage #43, Fazit 78 (Dezember 2011)

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