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Politicks Mai 2012

| 10. Mai 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 82, Politicks

Leichtfried für Mehrheitswahlrecht
EU-Parlamentarier Jörg Leichtfried (SPÖ) spricht sich auf Bundesebene für ein Mehrheitswahlrecht mit 183 Einerwahlkreisen aus. Jeder Wahlkreis soll aus etwa 30.000 Wählern bestehen, die nach dem „the winner takes it all“-Prinzip je ein Mandat vergeben. Dieses Modell würde nicht nur die Position der Abgeordneten stärken, sondern auch handlungsfähige Regierungen zulassen, ist Leichtfried überzeugt. Innerhalb der SPÖ – und wohl auch bei den anderen Parteien – hält sich die Freude über Versuche, das Wahlrecht zu ändern, jedoch in Grenzen, denn der Einfluss der Parteien würde sich dramatisch reduzieren, wenn sie keinen Einfluss mehr auf die Gestaltung der Mandatslisten nehmen könnten.
Und so bezeichnete etwa SPÖ-Bundesgeschäftsführer Günther Kräuter Pläne der Jungen ÖVP, die ebenfalls Einerwahlkreise fordert, als demokratiefeindlich und unausgegoren. Kräuter behauptet, dass, falls es zur weiteren Personalisierung des Wahlrechts käme, nur mehr Unternehmer und Millionäre die Möglichkeit hätten, sich in Wahlkämpfen zu behaupten. Außerdem seien die kleineren Parteien massiv benachteiligt. Zumindest diesen Umstand erkennt Kräuter richtig, denn es gehört zum Wesen eines Mehrheitswahlsystems, aus relativen Mehrheiten stabile Regierungsmehrheiten zu formen, bei denen der Sieger fast alles und der Verlierer fast nichts bekommt. Das Ergebnis ist ein Parlament, das man tatsächlich abwählen kann, wenn es mit der Verantwortung anders umgeht, als es der Wähler wünscht. Was Kräuter noch verschweigt: Der ÖGB, aber auch andere Interessenvertretungen, hätten keine Möglichkeit mehr, ferngesteuerte Apparatschiks in die gesetzgebenden Körperschaften zu senden, um dort zu lobbyieren und sogar direkt in den Gesetzgebungsprozess einzugreifen. Stattdessen müssten sich die Mandatare endlich den Menschen in ihrem Wahlkreis verantwortlich fühlen.
Leichtfried ortet jedenfalls auch in der SPÖ eine wachsende Zustimmung für ein Mehrheitswahlsystem – etwa in der Person von Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky oder der Salzburger Landeshauptfrau Gabi Burgstaller. Und für die EU- und die Landesebene tritt Leichtfried ohnehin für den Fortbestand des Verhältniswahlrechts ein.
Was seine Tätigkeit im EU-Parlament betrifft, will Leichtfried die Steirerinnen und Steirer in Zukunft vorab über anstehende Plenarthemen des Europaparlaments informieren. Neben dem Streit um die Krainerwürstel – Leichtfried sieht nur äußerst geringe Chancen, dass Slowenien mit seinem Ansinnen, die Wurst als geschützte Regionalmarke eintragen zu lassen, durchkommt – informierte der einzige steirische EU-Parlamentarier über den Kampf gegen das ACTA-Abkommen. Doch anders als etwa die Piratenpartei will Leichtfried den Diebstahl von geistigem Eigentum nicht legalisieren, sondern über das Urheberrecht verfolgen, anstatt, wie in ACTA vorgesehen, die Provider zu Internetblockwarten zu machen.

Graz: Nagls Herausforderer schwächeln
Glaubt man einer OGM-Umfrage der Kleinen Zeitung, liegt der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl mit 42 Prozent bei der Bürgermeisterpräferenz beinahe uneinholbar in Führung. Seine Partei, die ÖVP, schafft es hingegen nicht, an das Ergebnis von 2008 anzuschließen. Das hat aber kaum mit der Stärke der anderen Rathausparteien zu tun, sondern damit, dass es nicht einmal ein Siegfried Nagl schafft, sich völlig vom Zustand der ÖVP auf Bundesebene abzukoppeln. Außerdem braucht jemand, der siegen will, einen Gegner. Und ein Herausforderer auf Augenhöhe ist weder für Nagl noch für die Grazer ÖVP in Sicht.
So kämpft die Grazer SPÖ-Chefin Martina Schröck nach wie vor mit ihren katastrophalen Bekanntheitswerten und schafft bei der Frage der Bürgermeisterdirektwahl gerade einmal ein Prozent Zustimmung. Auch die grüne Vizebürgermeisterin Lisa Rücker schwächelt und liegt mit zwölf Prozent klar hinter ihrer Partei. Und obwohl die FPÖ mit 16 Prozent bei der Sonntagsfrage Platz zwei hinter der Volkspartei (34 Prozent) schafft, spielt Front-Sunnyboy Mario Eustacchio mit nur sieben Prozent Zustimmung keine ernsthafte Rolle im Kampf um den Bürgermeistersessel. Die KPÖ hält sich hingegen mit hervorragenden zwölf Prozent ähnlich gut wie ihre Spitzenkandidatin Elke Kahr mit zehn Prozent.
Umgemünzt auf den Stadtsenat würde das Umfrageergebnis bedeuten, dass die Volkspartei auf drei Sitze käme und FPÖ, SPÖ, Grüne und KPÖ auf jeweils einen. Durch die Verkleinerung auf sieben Mitglieder verlieren demnach sowohl ÖVP als auch SPÖ einen Sitz in der Stadtregierung.
Ohne außerordentliche Ereignisse scheint die Grazer Gemeinderatswahl also bereits für die ÖVP gelaufen zu sein. Und genau dieser Umstand bereitet den Strategen der Bürgermeisterpartei Sorgen. Denn eine Wahl, von der die sogenannte Basis überzeugt ist, dass sie bereits gewonnen ist, kann leicht danebengehen.

Spindelegger: Wie lange gibt Pröll ihm noch?
Mit ÖVP-Chef Michael Spindelegger möchte derzeit wohl niemand tauschen. Und solange das so bleibt, scheint er als ÖVP-Chef trotz katastrophaler Umfragewerte nicht gefährdet. Doch noch weist nichts darauf hin, dass ein Putsch um den Chefsessel geplant sein könnte. Aber wer die ÖVP kennt, weiß, dass die schwarzen Landesfürsten immer dann besonders nervös sind, wenn die Gefahr besteht, dass die eigene Landesorganisation von der Bundespartei mit in den Abgrund gezogen wird.
Und im Jahr 2013 finden nicht nur die Nationalratswahlen, sondern auch niederösterreichische Landtagswahlen statt. Spindelegger sollte sich mit dem Gedanken vertraut machen, dass „etwas im Busch ist“. Allem Anschein nach versucht Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll diesmal eine leisere Strategie. Pröll muss verhindern, dass die niederösterreichischen Wähler den Misserfolg des glücklosen VP-Bundesobmanns mit dessen Erfinder, ihrem Landeshauptmann, in Verbindung bringen.
Pröll ist längst auf der Suche, diesmal ausnahmsweise nach einem „Nichtniederösterreicher“, den er an die Spitze der Bundes-ÖVP hieven kann. Und sobald dieser Arme gefunden ist, wird der amtierende Bundesobmann wohl aus privaten, gesundheitlichen oder sonst irgendwelchen Gründen, die nichts mit Erwin Pröll und Niederösterreich zu tun haben, zurücktreten und der nächste ÖVP-Chef kann sich auf den mühevollen Weg des Scheiterns machen.

Faymann gegen Strache
In der Zwischenzeit tut Bundeskanzler Werner Faymann so, als gingen ihn weder die aktuellen Korruptionsdiskussionen noch die dramatische Legitimationskrise der österreichischen Parteiendemokratie etwas an. SPÖ-Geschäftsführerin Laura Rudas versucht sogar mit einigen Krokodilstränen darüber, dass die ÖVP bei den im Untersuchungsausschuss behandelten Aspekten der Telekomaffäre unverhältnismäßig hart weggekommen sei, von den Verbindungen zwischen der SPÖ und dem staatsnahen Unternehmen abzulenken.
Und Faymann nutzt den Freiraum, den ihn die Medien derzeit lassen, um seine Position als Erster zu festigen. Er bereitet sich längst auf den Kampf mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache um das Kanzleramt vor. Und wenn es der SPÖ gelingt, dieses Kanzler-Duell zu thematisieren, hat sie bei den Wahlen im nächsten Jahr hervorragende Karten, denn selbst eingefleischte FPÖ-Wähler wollen ihren H.C. nicht als Regierungschef haben.

Reformpartner ebnen Weg für Grazer Umweltzone
Angesichts der Zustimmung zur Umweltzone bei der ÖVP-Bürgerbefragung vor wenigen Wochen haben die Reformpartner den Ball aufgenommen. In einer Aussendung erklären Landeshauptmann Franz Voves und Landeshauptmannstellvertreter Hermann Schützenhöfer: „Wenn das Land Steiermark vom Bund gesetzlich ermächtigt wird, selbständig über Umweltzonen zu entscheiden, stehen wir solchen für Graz und etwaige weitere betroffene Feinstaubgebiete positiv gegenüber.“ Und die Landesspitzen ließen keinen Zweifel aufkommen, dass der Grazer Bürgermeister hinter der Initiative steht: „Bevor konkret zu entscheiden sein wird, sind zunächst die Detailverhandlungen über Dauer und Inhalt mit der Stadt Graz zu führen. Darüber wurde mit Bürgermeister Siegfried Nagl Einvernehmen erzielt.“
Während die grüne Grazer Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Lisa Rücker darauf hinwies, dass in dieser Diskussion schon viele wertvolle Jahre verloren worden seien, begrüßte Bürgermeister Siegfried Nagl die Entscheidung der Reformpartner mit den Worten: „Ich freue mich, dass die Meinung von 60 Prozent der Grazer, die an der Bürgerbefragung teilgenommen haben, nicht überhört wird.“ Doch während die ÖVP-Befragung eine Zustimmung von über 58 Prozent jenes Viertels der Grazer Stimmberechtigten ergab, die daran teilgenommen hatten, liegen inzwischen repräsentativere Umfragen vor. So hat etwa OGM festgestellt, dass die tatsächliche Zustimmung zur Umweltzone nur bei 35 Prozent liegt, während 56 Prozent dagegen und neun Prozent unentschlossen sind.
Und inzwischen formiert sich auch Widerstand. Die Wirtschaft befürchtet Einbußen durch Fahrverbote für ältere Fahrzeuge und die FPÖ wirft sich ebenfalls auf das Thema. Die Facebook-Gruppe „Nein zur Grazer Umweltzone“ hat es inzwischen auf über 4.000 Mitglieder gebracht und der Gewerbe-Spartenobmann Hermann Talowski zieht sogar eine Klage gegen die Umweltzone in Erwägung. Die Umweltzone polarisiert jedenfalls und ihr Nutzen ist höchst umstritten.

Politicks, Fazit 82 (Mai 2012)

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