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Politicks März 2014

| 19. Februar 2014 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 100, Politicks

Wahl zum Europaparlament. Alles scheint möglich Bei der EU-Wahl am 25. Mai wird es eng, denn glaubt man den jeweiligen Umfragen, könnten sowohl ÖVP, SPÖ als auch die FPÖ die Nase vorne haben. Die Rezepte, mit denen die Parteien in die Wahl ziehen, sind einfach. Die SPÖ verlässt sich auf die Prominenz ihres Spitzenkandidaten, des ehemaligen ORF-Moderators Eugen Freund. Dem halten seine Gegner zwar vor, dass er nicht weiß, wie viel ein durchschnittlicher Arbeiter verdient, aber was interessieren einen österreichischen Sozialdemokraten schon die Werktätigen? In der Zielgruppen-Hierarchie der Bundes-SPÖ dreht sich ohnehin längst alles um die Pensionisten. Denn dort und nur dort kann die SPÖ ihre Wahlen gewinnen, aber auch verlieren. Europathemen werden eigentlich nur von Jörg Leichtfried eingebracht. Es ist anzunehmen, dass der steirische EU-Abgeordnete SPÖ-Delegationsleiter in Brüssel bleibt.
Die ÖVP zieht mit Otmar Karas als Spitzenkandidat in den Wahlkampf. Karas hatte es ja gewagt, sich vor fünf Jahren gegen die Parteispitze aufzulehnen, weil er nicht hinnehmen wollte, dass ihm trotz über 112.000 erreichter Vorzugstimmen der mittlerweile tief gefallene Ernst Strasser vom damaligen VP-Chef Josef Pröll als ÖVP-Delegationsleiters vor die Nase gesetzt wurde. Interessant wird die noch offene weitere Listenerstellung der Volkspartei. Die steirische Volkspartei hat ja für die ehemalige Justizministerin Beatrix Karl einen wählbaren Listenplatz eingefordert. Der arg in Bedrängnis geratene ÖVP-Chef könnte den für Karl geforderten Platz jedoch für andere ÖVP-Kreise benötigen – für jene, die sich im Gegensatz zu den Steirern noch nicht völlig von ihm abgewendet haben. Spitzenkandidat der FPÖ ist wieder der intellektuelle EU-Kritiker Andreas Mölzer. Hinter ihm folgt mit Harald Vilimsky ein weiterer als bundesweit polarisierend bekannter Freiheitlicher. Befeuert wird die FPÖ-Kampagne durch das Ergebnis des Schweizer Zuwanderungsplebiszits. Wie bei uns wurden auch in der Schweiz von der Politik die Probleme der Armutsmigration systematisch verniedlicht. Den Schweizern wurde etwa gesagt, dass jährlich mit maximal 8.000 EU-Migranten zu rechnen sei. Gekommen sind tatsächlich 80.000. Eine stringente Pro-EU-Linie wird von den Grünen verfolgt. Von den Kandidaten hat Brigitte Lunacek zumindest innerhalb der politischen Kaste einen gewissen Bekanntheitsgrad. Interessant wird die Haltung des ehemaligen grünen EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber. Ihm wird zugetraut, eine Wahlempfehlung für Othmar Karas und nicht für Lunacek abgeben zu wollen. Ebenfalls deutlich pro EU sind die NEOS positioniert. Angelika Mlinar – sie war Listenzweite bei der Nationalratswahl – führt die EU-Wahlliste an. Die Umfragen sehen die NEOS bei 11 bis 13 Prozent mit steigender Tendenz. Damit liegen sie nur ganz knapp hinter den Grünen. Interessant wird sein, woher die Stimmen der NEOS kommen, von der ÖVP oder von den Grünen.
Offen ist die Kandidatur von Hans-Peter Martin. Dessen Erfolgschancen hängen von der Unterstützung der Kronenzeitung ab und deren Blattverantwortliche haben sich noch nicht entscheden. Falls das Team Stronach tatsächlich auf eine eigene Kandidatur verzichten sollte, wäre das wohl ein entscheidendes Indiz dafür, dass es diese Partei bald nicht mehr geben wird. Gleiches gilt für die Piraten, die sich mit ihrer Listengemeinschaft mit der KPÖ bereits aus dem Spiel genommen haben.

Steiermark: SPÖ und ÖVP formieren sich neu
Die steirische Reformpartnerschaft neigt sich dem Ende zu. Im Herbst 2015 wird der nächste steirische Landtag gewählt, und ob es eine „Reformpartnerschaft II“ geben wird, hängt wohl weniger vom Wahlergebnis als von den handelnden Personen, also den jeweiligen Spitzenkandidaten von SPÖ und ÖVP ab. Denn die beiden – in der Steiermark immer noch – Großparteien halten derzeit vier Fünftel der Landtagssitze, und selbst wenn sie ihrem Reformeifer bei der nächsten Wahl mit erwartbaren Verlusten Tribut zollen sollten, geht sich wahrscheinlich keine andere Zweierkoalition als eine SP-VP-Regierung aus. Bis heute haben sowohl Landeshauptmann Franz Voves als auch sein Vize Hermann Schützenhöfer offengelassen, ob sie noch einmal kandidieren werden. Die ÖVP scheint mit dem Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl jedenfalls einen geeigneten Nachfolger gefunden zu haben. Ihm wird zugetraut, gegen sämtliche SP-Kandidaten außer gegen Franz Voves zu bestehen und die ÖVP wieder zur Nummer eins im Land zu machen. Da das aber auch die Sozialdemokraten wissen, wird Franz Voves derzeit massiv bekniet, unbedingt weiterzumachen. Mit Bettina Vollath, Gerald Klug, Michael Schickhofer hätte auch die SPÖ geeignete Nachfolgekandidaten. Ohne Voves wird es um einiges schwieriger, den LH-Sessel zu verteidigen. Aus ÖVP-Sicht wiederum kann die Frage des nächsten Spitzenkandidaten erst geregelt werden, nachdem die SPÖ eine Entscheidung getroffen hat.
Neben diesen taktischen Aspekten gibt es aber zahlreiche überparteiliche Interessensverbände bzw. die Sozialpartner, die das Projekt der Reformpartnerschaft auf keinen Fall durch einen übermotivierten Wahlkampf gefährdet sehen wollen. Den sichersten Weg zur Sanierung des Landeshaushalts sehen sie darin, dass sowohl Voves als auch Schützenhöfer weitermachen. Im Vorfeld dieser ausstehenden Personalentscheidung haben sich jedenfalls die beiden Parteien neu aufgestellt.
In der SPÖ folgt der 27-jährige Murauer Max Lercher auf Toni Vukan als Landesgeschäftsführer nach. Lercher gilt seit seiner Tätigkeit als SPÖ-Parteireformkoordinator als inhaltlich unverbrauchte Zukunftshoffnung. Er will die SPÖ öffnen und hat als ehemaliger steirischer JUSO-Chef einen guten Draht zur linken Basis der SPÖ. Lercher muss die Partei neu strukturieren. Obwohl Toni Vukan der SPÖ auch in Zukunft hauptamtlich erhalten bleiben wird, hat die SPÖ-Basis mit Lercher nun ein Gesicht, das nicht direkt mit dem schmerzhaften Reformprogramm in Verbindung gebracht werden kann. Lercher sitzt im Landtag und hat dort seinerzeit für Aufregung gesorgt, als er als SPÖ-Feigenblatt gegen das mittlerweile höchstgerichtlich gekippte Bettelverbot stimmte.

In der ÖVP folgt der ehemalige Grazer Stadtrat Detlev Eisel-Eiselsberg dem in die Theaterholding gewechselten Bernhard Rinner als Landesgeschäftsführer nach. Eisel-Eiselsberg steht vor der Aufgabe, jene Ortsparteien, die sich gegen die Gemeindereform positioniert hatten, zurückzuholen. Er steht im Gegensatz zu Rinner völlig unbelastet da und gilt als enger persönlicher Freund von Siegfried Nagl. Gerüchte, dass diese Personalentscheidung den Auftakt zum großen Sesselrücken innerhalb der Steirischen VP bilden wird, hat Schützenhöfer mit dem Hinweis zu entkräften versucht, dass er Eisel-Eiselsberg deshalb mit der Landesparteigeschäftsführung betraut hat, weil dieser vor Jahren als „sein“ Klubdirektor hervorragende Arbeit geleistet hat und mehrfach unter Beweis gestellt habe, dass er hervorragend mit den kleinen Parteifunktionären umzugehen weiß.

Verwaltungsgericht stoppt Semmeringtunnel
Teilweise recht bekamen einige Anrainer und die Umweltorganisation „Alliance for Nature“ mit einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH). Zwei Jahre nach Baubeginn des Semmeringbasistunnels wurde nun die umweltrechtliche Bewilligung aufgehoben. Die Bauwerber hatten sich nämlich eines gerichtlich nicht zugelassenen, da unbeeideten Sachverständigen bedient. Außerdem sei das Lärmproblem nicht entsprechend geprüft worden. Die Sanierung dieser Verfahrensmängel dürfte nun weitere Millionen kosten. Dass das Gesamtprojekt dadurch scheitern wird, halten Insider dennoch nicht für möglich. Jetzt muss das Verkehrsministerium einen neuen Bescheid erlassen. Dagegen kann dann wieder juristisch vorgegangen werden und weitere Verzögerungen stehen im Raum. So ist mit zahlreichen Wiederaufnahmeanträgen – etwa gegen die bereits vollzogenen Enteignungen – zu rechnen, weil denen nun ebenfalls die Rechtsgrundlage fehlt.

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Politicks, Fazit 100 (März 2014)

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