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Crowdfundig

| 30. Mai 2016 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 123, Fazitthema

Illustration: Peter Pichler

Immer öfter scheitern Geschäftsideen noch vor dem Start – und zwar an ihrer Finanzierung. Denn deutlich schärfere Regularien, wie etwa »Basel III«, zwingen die Banken dazu, Start-ups, die über keine ausreichenden Sicherheiten verfügen, die Kreditfinanzierung zu verweigern. Finanzierungsformen wie Private Equity und Venture Capital sind auf dem österreichischen Kapitalmarkt wenig ausgeprägt und daher für Kleinunternehmen nicht verfügbar. Mit der Schwarmfinanzierung, dem sogenannten »Crowdfunding«, bei dem viele kleine Anleger mit geringen Summen ein Start-up oder ein Projekt finanzieren, haben finanzschwache Gründer nun trotzdem die Chance, ihre Träume zu realisieren.

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Dabei übernehmen in aller Regel Crowdfunding-Plattformen die Rolle der Finanzierungsanbahnung, indem sie die Gründer mit potenziellen Investoren vernetzen. 2015 wurden über die sechs in Österreich agierenden Plattformen Conda, Ertrag-Reich, Green Rocket, Home Rocket, Innovation Service Network (ISN) und Regionalfunding zwar nur 44 Projekte mit einem im Verhältnis zur Kreditfinanzierung verschwindend kleinen Gesamtvolumen von 8,1 Mio. Euro finanziert. Im Vergleich zu 2014 hat sich diese Summe jedoch mehr als verdreifacht. Außerdem gibt es Unternehmen, die sich bei großen ausländischen Plattformen wie Kickstarter oder Indiegogo zu finanzieren versuchen. Und da die Plattform-Provisionen, die bei erfolgreichen Finanzierungen anfallen, bei stattlichen fünf und zehn Prozent liegen, ist auch klargestellt, dass die alternativen Finanzierungsinstrumente weiter stark wachsen werden.

Dennoch ist das Crowdfunding-Volumen im Vergleich zum klassischen Kreditvolumen verschwindend gering. Den 8,1 Millionen Euro, die im gesamten Vorjahr von den österreichischen Plattformen aufgebracht wurden, stehen nämlich 7,2 Millionen Euro gegenüber, die etwa von den steirischen Raiffeisenkassen täglich für Finanzierungen verwendet werden. Da verwundert es nicht, dass die Banken im Crowdfunding derzeit noch keinen echten Konkurrenten ausmachen. Und folgerichtig betrachtet es auch Raiffeisenlandesbank-General Martin Schaller als sehr gute Idee, wenn viele Menschen durch ihren finanziellen Beitrag – sei er auch noch so klein – zur Verwirklichung von Unternehmensideen beitragen. Das Crowdfunding-Prinzip entspreche, so Schaller, durchaus dem Raiffeisen-Prinzip, mit privaten Einlagen die regionale Wirtschaft zu finanzieren. Insgesamt stellen die steirischen Raiffeisen-Kunden mit ihren Einlagen von 13,6 Milliarden der steirischen Wirtschaft über den Umweg der Bank insgesamt 13,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Der Unterschied zwischen einer Bankfinanzierung und einem Crowdinvestment liegt natürlich beim Risiko. Denn Crowdfunder stellen Risikokapital zur Verfügung, das sie im schlechtesten Fall nicht zurückerhalten. Sparer, welche die Wirtschaft über ihre Bankeinlagen finanzieren, sind hingegen staatlich besichert, erhalten aber für das minimale Risiko naturgemäß deutlich niedrigere Zinserträge.

Da es in Österreich derzeit keine ausgeprägte Kapitalmarktorientierung gibt, sind auch die Risikokapitalgeber rar. Martin Schaller ist jedenfalls davon überzeugt, dass ein investitionsfreudiges Klima und die Förderung des Unternehmergeistes unserer Volkswirtschaft – und damit auch den Banken – gut tun würden. Je mehr Leute sich als Crowdinvestoren betätigen, desto besser ist es auch aus Bankensicht für die Gesamtwirtschaft.

Daher sieht auch die WKO Steiermark im Crowdfunding längst eine Alternative zu klassischen Finanzierungsmodellen, die vor allem für innovative Start-ups interessant ist. Vor allem durch das neue Alternative Finanzierungsgesetz (AltFG) sieht die Wirtschaftskammer Österreich in einer europaweiten Vorreiterrolle. Mit der Erhöhung der Grenzen für die Prospektpflicht auf 1,5 Millionen Euro und dem Abbau bürokratischer Hürden sei ein guter rechtlicher Rahmen geschaffen worden, ist WKO-Direktor Karl-Heinz Dernoscheg überzeugt. Die Wirtschaft ist dennoch nicht ganz zufrieden. Dernoscheg fordert einen jährlichen Beteiligungsfreibetrag für private österreichische Investoren in der Höhe von 20.000 Euro. Am 8. September trifft sich auf Initiative der Kammer übrigens das »Who is who« der europäischen Alternativfinanzierungsszene in Graz zum »Crowd-Dialog Europe«. Dabei werden rund 500 Experten erwartet, die über die unterschiedlichen Formen des Crowdfundings diskutieren.

Die vier Formen des Crowdfunding
Beim »Donation based Crowdfunding« handelt es sich um klassische Spenden, mit denen Kultur- und Charityprojekte ermöglicht werden sollen. Den großen US-Plattformen Kickstarter und Indiegogo liegt das sogenannte »Reward based Crowdfunding« zugrunde. Dabei erhalten die Geldgeber eine materielle oder ideelle Anerkennung für ihr Engagement. Die Belohnungen können aus Ermäßigungen, Gutscheinen oder etwa bei Buchprojekten aus einem Gratisexemplar bestehen.

Als Finanzierungsinstrument wesentlich bedeutender ist das sogenannte »Lending based Crowdfunding« oder »Crowdlending«, bei dem die Plattform Mikrokredite direkt oder indirekt vermittelt. Die Grenzen dieser Finanzierungsform waren bis zum Inkrafttreten des »Alternativen Finanzierungsgesetzes« (AltFG) am 1. September 2015 sehr schnell erreicht. Bekannt geworden ist der Fall des Waldviertler Schuhhändlers Heini Staudinger, der ohne Bankkonzession Freunde und Kunden eingeladen hatte, seinem Unternehmen »GEA« private Kredite zu vergeben. Damit ist er jedoch bei der Finanzmarktaufsicht gescheitert. Inzwischen wurde im AltFG jedoch klargestellt, dass solche Darlehen zulässig sind, solange sie »nachrangig« vereinbart sind. Der Investor kann sein Geld also nicht zurückverlangen, wenn das Unternehmen in Schwierigkeiten gerät. Die mittlerweile klassischste Form des Crowdfundings ist das »Equity based Crowdfunding« oder »Crowdinvesting«. Damit ist die Beteiligungsfinanzierung von Start-ups oder Innovationsideen in der besonders riskanten Frühphase gemeint. Beteiligungen gibt es schon ab 100 Euro – entweder über Genussscheine oder als stille Beteiligungen. Die Investoren können ihr Risiko durch die Streuung ihres Risikokapitals auf mehrere Projekte minimieren. Das Verlustrisiko ist mit der Einlage begrenzt.

Crowdfunding-Community statt Crowdfunding-Plattform
Harald Schenner und seine Lebensgefährtin Maria Ederer haben es geschafft. Obwohl ihnen die Banken die notwendigen Kredite für die Umsetzung ihrer Unternehmensidee verweigerten, ist es dem IT-Profi gelungen, die erforderlichen 85.000 Euro für das Einzelunternehmen seiner Partnerin aufzubringen. Mithilfe eines Crowdfunding-Projektes konnte Schenner genügend Menschen von der Idee begeistern, in bester Gleisdorfer 1b-Lage den schmucken Bioladen »Das Steigerl« samt angeschlossener Biogastronomie zu finanzieren.

Während Start-ups – im Normalfall ziemlich anonym – mithilfe einschlägiger internationaler Crowdfunding-Plattformen wie Indiegogo, Kickstarter oder Startnext versuchen, »Schwarminvestoren« für ihre Ideen zu begeistern, setzten Schenner und Ederer bewusst nicht auf Einwegkommunikation, wohl aber auf jenes gehörige Maß Hoffnung, das erforderlich ist, wenn jemand eine Idee, die keine Bank der Welt zu finanzieren bereit ist, umsetzen will.

»Geholfen hat mir meine Erfahrung als Unternehmer, denn mir war klar, dass nicht nur in eine Idee investiert wird, sondern vor allem in die Personen, die hinter einem Start-up stehen«, so Schenner. Deshalb kam die übliche Einwegkommunikation in Form eines bloßen Präsentationsvideos nicht in Frage. Schenner und Ederer setzten stattdessen auf den Aufbau einer Community, die sie mithilfe von persönlichen Kontakten, von Social Media, aber auch mit mehreren Events für das »Steigerl« zu begeistern suchten. Dabei wurden sie von der Grazer Werberin Andrea Pavlovec-Meixner begleitet. Pavlovec-Meixner ist davon überzeugt, dass jemand, der andere davon überzeugen will, dass sie ihm Geld geben, eine gute Geschichte erzählen muss, mit der er eine Community aufbauen und für sich einnehmen kann. Der IT-Spezialist Schenner programmierte dazu ein Online-Tool für seine eigene Webpage, das den Investoren nicht nur einen tagesaktuellen Überblick über den Projektstand gewährleistete, sondern sie auch mit zahlreichen weiteren Informationen bei Laune hielt.

Schenner versprach seinen Geldgebern eine Verzinsung von vier Prozent und eine Ausstiegsmöglichkeit nach acht bzw. nach zehn Jahren. »Ich dachte anfangs, dass ich nur die ökologisch Interessierten begeistern kann«, sagt Schenner im Gespräch mit Fazit, »und besonders gefreut hab’ ich mich jedes Mal, wenn die Leute ihre Kapitalverzinsung nicht einmal im Jahr bar, sondern in Form von Einkaufs- und Konsumationsgutscheinen für das Steigerl vergütet haben wollten.« Doch als die Community sich mithilfe des geschaffenen Netzwerks verbreiterte, sprangen auf einmal auch ihm völlig unbekannte Leute als Investoren ein, die größere Beträge als die im Crowdfunding meist üblichen paar hundert Euro anlegen wollten. »So sind wir auch auf unseren größten Investor gestoßen, der sich mit 30.000 Euro am Steigerl beteiligt hat.« Als langjährigem Unternehmer ist Schenner natürlich bewusst, dass er nicht nur die tägliche Liquidität, sondern auch den Aufbau entsprechender Rücklagen zur Bedienung der Kapitalrückzahlungen zum Fälligkeitstermin im Auge behalten muss. Doch auch dabei sei er auf einem guten Weg, so der erfolgreiche Crowdfunder.

Inzwischen beraten Schenner – er ist auch Unternehmensberater – und Pavlovec-Meixner auch andere Unternehmen, alternative Finanzierungen mithilfe einer Crowdfunding-Community umzusetzen. Mit »4Crowdfunding« bietet Schenner zudem eine kostengünstige Software an, die auch die Regeln des inzwischen in Kraft getretenen alternativen Finanzierungsgesetzes (AltFG) berücksichtigt.

Das österreichische Alternativfinanzierungsgesetz (AltFG)
Das Alternativfinanzierungsgesetz gilt seit 1. September 2015 und liefert einen längst überfälligen Rechtsrahmen für die Kapitalmarktfinanzierung von KMU. Crowdinvestments, bei denen die Investoren Geld gegen Zinsen verleihen, gelten – anders als Bankdarlehen – als nachrangig und sind im Insolvenzfall Teil der Konkursmasse. Als alternative Finanzierungsinstrumente im Sinne des Gesetzes gelten Aktien, Anleihen, Geschäftsanteile an Kapitalgesellschaften und Genossenschaften, Genussrechte, stille Beteiligungen und Nachrangdarlehen. Klassische Darlehen dürfen weiterhin nur von Banken ausgegeben werden. Das Gesetz sieht auch Mindeststandards für die Betreiber von »Crowdfunding-Plattformen« vor. Vom Anwendungsbereich nicht umfasst sind neben den Banken auch die konzessionierten Wertpapieremittenten.

Erleichterungen sieht das Gesetz vor allem bei den Anlegerinformationspflichten vor. Bei einem Gesamtinvestment von weniger als 100.000 Euro besteht weder eine Prospektpflicht noch eine Informationspflicht. Alternative Investments werden vom Gesetzgeber – nach Intervention der Arbeiterkammer – inzwischen auf 5.000 Euro jährlich eingeschränkt. Diese Grenze kann nur von professionellen Anlegern (alternative Investmentfonds) und von juristischen Personen überschritten werden. Privatanleger dürfen nur dann mehr als 5.000 Euro alternativ anlegen, wenn sie eine entsprechende Auskunft zu ihrem Einkommen und ihrem Finanzanlagevermögen abgeben. Damit sollen normalverdienende Schwarminvestoren geschützt werden. Aber weil niemand seine Eigentumsverhältnisse offenlegen wird, kommen damit in der Realität Investments über 5.000 Euro praktisch nicht vor.
Die Wirtschaftskammer ist grundsätzlich zufrieden mit dem Gesetz. Da viele potentielle Gründer an der Unternehmensfinanzierung scheitern, weil die Bankenregularien hinsichtlich der Bonitätsvoraussetzungen massiv verschärft wurden, will die Kammer Crowdfunding zu einer breiten Kapitalmarktfinanzierung für KMUs ausbauen. Sie fordert daher einen jährlichen Steuerfreibetrag für Privatinvestoren von 20.000 Euro.

Sogar dem neuen Bundeskanzler scheint anders als seinem Vorgänger klar zu sein, dass die Bundesregierung weiterhin jedes noch so zarte Konjunkturpflänzchen ersticken wird, wenn sie nicht endlich bessere Rahmenbedingungen für Investoren schafft. Daher darf die Wirtschaft nun erstmals seit vielen Jahren auf echte Investitionserleichterungen – sogar über das Alternativ-
finanzierungsgesetz hinaus – hoffen. – jot-

Titelgeschichte Fazit 123 (Juni 2016) – Illustration: Peter Pichler

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