Anzeige
FazitOnline

Keine runde Sache

| 4. Juli 2016 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 124, Fazitthema

Foto: Johann Schwarz

Während die großen europäischen Ligen und die Uefa das große Geld machen, kämpfen die österreichischen Vereine mit finanziellen Problemen, öffentlichen Streitereien und jetzt doch noch mit einer Ligenreform: Der österreichische Klubfußball sucht einen Weg aus einer strukturellen Krise. Text von Michael Fiala

::: Hier können Sie den Text online im Printlayout lesen: LINK

Wenn es so etwas wie einen Knalleffekt im österreichischen Klubfußball im Jahr 2016 gegeben hat, dann ist das wohl der 29. April gewesen. An diesem Tag sagte Bundesligavorstand Christian Ebenbauer im Kurier-Interview auf die Frage nach dem zukünftigen Format der Bundesliga: »Wichtig ist, die richtige Lösung zu finden, da es keine ideale gibt. Unter den derzeitigen Bedingungen ist das realistischerweise eine Profiliga. Österreich verträgt wirtschaftlich nur zwölf Profiklubs, maximal 14. Wenn wir gegen eine geschlossene Liga sind – und das bin ich – kann es nur eine nicht zu große Profiliga geben, für die sich dann auch noch mögliche Aufsteiger anbieten.« Eine Aussage, wie man sie in dieser Form zu diesem Zeitpunkt nicht erwartet hatte. Auch viele Klubpräsidenten wurden davon überrascht, auch wenn die Klubvertreter im Jänner der Ligenführung den Auftrag gaben, nach Alternativen zum aktuellen System zu finden. Denn eigentlich predigte die Ligaspitze rund um Ebenbauer und Bundesligapräsident Hans Rinner in den vergangenen Jahren immer stets das Gegenteil: Die zwei Profiligen mit je zehn Vereinen sind das Beste für Österreich. Im vergangenen Jahr lud man dazu sogar zu einem Pressehintergrundgespräch, um die wichtigsten Journalisten davon zu überzeugen.
Doch die Welt dreht sich weiter und so auch der Fußball. Letztendlich war es dann im April klar, dass es in der aktuellen Form nicht mehr lange weitergehen kann. Rund um die Lizenzierung für die Saison 2016/17 war es sogar einige Zeit fraglich, ob es für die kommende Spielzeit überhaupt genügend Profiklubs geben wird. Schlussendlich ging es sich noch einmal gerade aus.

Der ÖFB im Hoch, die Liga im Tief
Die Liga kann in diesen Wochen auch froh sein, dass es ein anderes, wichtigeres Thema gegeben hat, denn die vergangenen Tage hatten es aus rot-weiß-roter Sicht in sich. Und größer könnten die Widersprüche aktuell nicht sein: Auf der einen Seite das Nationalteam, das sich bis auf Platz zehn der Weltrangliste vorgearbeitet hat, auch wenn die Erwartungen bei der Europameisterschaft in Frankreich nicht erfüllt werden konnten. Die wichtigsten Spieler des Nationalteams haben fette Werbeverträge abgeschlossen, die Sponsoren rennen dem ÖFB die Türen ein. Und auf der anderen Seite: die österreichische Bundesliga, die darum kämpft, den internationalen Anschluss wiederzufinden, den sie in den vergangenen Jahren längst verloren hat.

Dabei mag dieser Vergleich aus sportlicher Sicht ein wenig unfair daherkommen: Rapid hat die Gruppenphase der Europa League souverän gewonnen, um sich dann im Frühjahr jedoch abwatschen zu lassen. Red Bull Salzburg glänzte vor nicht allzu langer Zeit ebenfalls in diesem Bewerb mit begeisterndem Pressing-Fußball. Und die Austria spielte vor zwei Jahren in der Champions League. Im Fünfjahres-Ranking der Uefa liegt Österreich aktuell auf Rang 16, in der aktuellen Saison war es jedoch nur noch Platz 25. Im Jänner 2015 präsentierte die Liga unter dem Motto »Universum Fußball« ihre Visionen: Eines der Ziele der Ligenspitze unter der Führung von Vorstand Christian Ebenbauer und Präsident Hans Rinner ist klar vorgegeben: das Erreichen eines Champions-League-Fixplatzes. Dazu bräuchte es jedoch Platz zwölf. Bis 2020 will man auch wieder im Schnitt rund 10.000 Fans pro Spiel vorweisen können. Aktuell sind es knapp über 6.200 zahlende Zuschauer pro Match. Seit 2008 rennen den Klubs die Fans davon, erst im vergangenen Jahr konnte man sich halbwegs stabilisieren. Als drittes zentrales Ziel hieß es damals: ein Imagewandel hin zum Vorbild im österreichischen Sport. Also so etwas, was das österreichische Nationalteam derzeit geschafft hat: von einer konzeptlosen Mannschaft mit Pleiten, Pech und Pannen hin zum souveränen Gruppensieger in der EM-Qualifikation.

Trend: Die Schere bei den Klubs geht immer weiter auf
Der Trend spiegelt jedenfalls eine Entwicklung im internationalen Fußball wider: Während die Nationalteams von der Leistung her zusammenrücken, geht die Schere im Klubfußball weit auseinander. Österreich profitiert definitiv im Bereich des Nationalteams durch viele hochwertige Legionäre, die sich dauerhaft in guten Ligen festsetzen. Im Gegensatz dazu tun sich Klubs wie Rapid, Austria oder Sturm Graz immer schwerer, den internationalen Anschluss zu halten – sportlich wie finanziell. Und genau die gleiche Entwicklung gibt es innerhalb des österreichischen Profifußballs: Abseits der drei, vier großen Klubs ist Profifußball in Österreich oft mehr ein finanzielles Abenteuer als ein nachhaltiges Geschäftsmodell – Ausnahmen wie Ried oder Altach bestätigen die Regel.

Vier Vereine mit mehr als 10 Millionen Euro Budget
Generell zeigt die Umsatzentwicklung der 20 Profivereine in den vergangenen Jahren ein stagnierendes Bild. Eine nennenswerte positive Entwicklung ist nicht zu beobachten. Mit Red-Bull-Salzburg gibt es einen Verein, der aus finanzieller Sicht außer Konkurrenz spielt. Die Salzburger sind das Paradebeispiel für Mäzenatenfußball. Es gibt zwar eine Fanbasis, die jedoch bei wichtigen Themen dann so gut wie gar nichts mitzureden hat. Erst zuletzt verzichtete der Klub nach dem Erreichen des zehnten Meistertitels auf Geheiß von ganz oben auf den Meisterstern am Trikot. Die Proteste der Fans verhallten in der Weite des Salzburger Landes. Geld schießt vielleicht zwar nicht immer Tore, aber gewinnt meistens die Meisterschaft. Siehe Bayern, siehe eben auch Salzburg.

Und selbst dann, wenn es in diesem Verein alle drei, vier Jahre eine veritable Krise gibt – Salzburg hatte in diesem Jahr drei Trainer – fehlt den anderen Vereinen dann zumeist die Durchschlagskraft. Credo: Platz zwei hinter Salzburg ist das höchste der Gefühle. Anstatt sich nach der Decke zu strecken, hat man sich mit dem aktuellen Szenario, so scheint es, meistens abgefunden, auch wenn es hier – siehe Wien Hütteldorf und das Ende von Zoran Barisic – eine neuartige Entwicklung gibt.

Immerhin: Es gibt ein paar Vereine in Österreich, die in den vergangenen Jahren einen Professionalisierungsschub erfahren haben: So erwirtschaften mittlerweile die beiden Wiener Stadtrivalen positive Geschäftszahlen, bei Rapid hat es ein wenig länger gedauert, aber die Trendwende ist geschafft. Spannend wird auch zu sehen sein, welchen finanziellen Effekt das neue Stadion in Hütteldorf haben wird. Rapid peilt immerhin ab der kommenden Saison ein Budget von 30 Millionen Euro an, die Austria liegt aktuell bei rund 24 Millionen Euro, sofern kein internationaler Bewerb erreicht wird. Doch hinter Rapid und Austria folgt der nächste, große Schritt: Beim SK Sturm Graz etwa kommt man »nur« noch auf ein Budget von 15 Millionen Euro – und damit hat man auch schon die Vereine, die ein zweistelliges Millionenbudget in Österreich aufstellen können.

Aber auch die größeren Klubs sind in Österreich mehr oder wenig von Sponsoren abhängig, die den Kommunen nahestehen. Zwar wird nach außen hin stets betont, dass derartige Sponsorings nach strengen, wirtschaftlichen Kriterien ausgewählt werden. Doch im weitesten Sinn handelt es sich hier um eine konstante, indirekte Quersubventionierung des österreichischen Klubfußballs. Und jene Klubs, die nicht einmal diese Sponsoren an Land ziehen können, sind dort, wo sie gerade sind: am Scheideweg zwischen Amateur- und Profifußball.

Die Ligenreform als (Not-)Lösung
Eine der Konsequenzen, die in den vergangenen Wochen daher gezogen wurden: Die zwei Zehnerligen sind tot, es lebe die neue Zwölferliga, die ab der Saison 2018/19 in Kraft treten wird. Mehr als zwölf finanziell wirklich gesunde Profiklubs gibt es derzeit auch nicht. Die Hoffnung lebt, dass es irgendwann einmal 14 oder 16 Profivereine geben wird.
Die Ligenreform mit künftig nur noch einer Profiliga scheint auch auf den ersten Blick sinnvoll. Kurz gesagt: Derzeit ist zu wenig Geld da, um 20 Profivereine in Österreich zu erhalten. Jene Vereine, die künftig durch die Reform vom Profifußball ausgeschlossen werden, stecken aber aktuell in einem Dilemma: Nach außen hin sehen sie die Reform kritisch und lassen kein gutes Haar an den Plänen. Intern ist ihnen aber wohl auch klar, dass es jederzeit so weit kommen kann, die finanziellen Segel zu streichen. Die zweite Profiliga war daher aus jetziger Sicht nicht mehr zu halten, ohne noch mehr Geld von oben nach unten zu verteilen. Und genau das wollten die Bundesligaklubs nicht mehr.

Doch der Blick abseits der »Großen« zeigt ein düsteres Bild: Viele Profivereine, vor allem jene, die aktuell in der »Sky Go Ersten Liga« spielen, kämpfen ums Überleben. Austria Salzburg hat es nicht überlebt, bei Austria Klagenfurt hat man es auch nicht mehr geschafft, eine Lizenz für den Profifußball zu lösen. Vereine wie Kapfenberg, Wiener Neustadt oder auch der FAC haben ein Minimalbudget von rund 1,6 bis 2,5 Millionen Euro, um sich das Abenteuer Profifußball weiterhin leisten zu können, und pfeifen aus dem letzten finanziellen Loch. Wie groß die finanzielle Not manchmal ist, zeigt das Beispiel Kapfenberg: Vor wenigen Tagen hat der steirische Klub unter der Führung von Bundesligavizepräsident Erwin Fuchs einen bosnischen Investor an Land gezogen, der im nächsten Schritt den eigentlichen Wunschtrainer von Fuchs – Gerald Baumgartner – am Tag der geplanten Unterzeichnung des Vertrags vor die Tür gesetzt und stattdessen den Landsmann Abdulah Ibrakovic und gleich fünf Spieler aus dem Süden mitgebracht hat. Allein die Tatsache, dass Fuchs allem Anschein nach nur noch als Lame Duck fungiert, spricht Bände. Es darf bezweifelt werden, ob diese Form des Invests als nachhaltig bezeichnet werden kann. Wenige Wochen zuvor polterte Fuchs noch kräftig und spielte den starken Mann. Von den Plänen der Ligareform zeigte er sich überrascht: »Man wird aus einem Unternehmen ausgeschlossen, wir sind 20 Klubs und es werden acht per Zweidrittelmehrheit ausgeschlossen. Dann brauche ich aber auch nicht der Vertreter der Liga sein. Das ist eine mir unerklärliche Vorgangsweise.« Vielleicht hat Fuchs aber auch vergessen, dass er im Jänner der Bundesliga-Führung in seiner Funktion als Bundesligaaufsichtsrat unter anderem den Auftrag gegeben hat, die Liga zu reformieren. Ein weiteres Thema sorgte dann in den vergangenen Wochen für Bedenken. Mit 1. Jänner 2017 tritt der Wartungserlass des Finanzministeriums in Kraft. Dieser Erlass sieht vor, dass Profivereine – also nach derzeitigem Stand auch jene der Ersten Liga – ihren Spielbetrieb in eine Kapitalgesellschaft ausgliedern müssen. Zwar wurde diese Frist jetzt noch einmal um ein Jahr verlängert, doch viele Klubs schienen nicht vorbereitet zu sein. Bundesligapräsident Hans Rinner weist jedoch den Vorwurf zurück, dass die Liga selbst diesen Termin verschlafen habe: »Ich kann das nicht beurteilen, ob sie das verschlafen haben. Es gab unzählige Workshops von der Bundesliga zu diesem Thema. Die Gesamtsituation ist aber so, dass einige Klubs erkennen müssen, dass mit zwei Absteigern aus der Ersten Liga in Kombination mit dem Wartungserlass dieser Level nicht mehr gehalten werden kann.«

»Können uns nicht totsparen«
Doch genau für jene Vereine wie Kapfenberg und Co wird es ab 2018/19 vorerst keinen Platz mehr geben im Profifußball. Auch wenn sie sich sportlich für die Elite dieses Landes qualifizieren sollten, ist die infrastrukturelle Hürde zu hoch. Naturgemäß war die Begeisterung, wie etwa bei Wiener-Neustadt-Präsident Hans Reinisch, rund um die Reform enden wollend. Um der Negativspirale zu entkommen, sieht Reinisch alle Protagonisten gefordert: »Das ist ein Thema, das nicht nur von der Liga und dem ÖFB allein gelöst werden kann. Da müssen Gespräche mit dem Sport- und Finanzminister geführt werden, die Liga muss mit öffentlichen Geldern für den Nachwuchssport gezielter unterstützt werden und es muss Erleichterungen im Übergang auf andere Formate langfristig geben. Dazu müssen aber auch wir unsere Hausaufgaben einer verbesserten Vermarktung machen. Die Welt und Medienlandschaft verändern sich, neue Länder entdecken den Fußball. Neue Technologien bringen neue Märkte, also alles in allem besser planen, Entscheidungen international verbessern.«
Dass das Sparpotenzial im österreichischen Fußball erschöpft ist, sieht auch Bundesligavorstand Ebenbauer so. Noch im Jänner meinte er dazu: »Zunächst muss gesagt werden: Noch mehr sparen ist in den Klubs aus meiner Sicht nicht mehr möglich. Hier ist das unterste Limit erreicht. Man hat im letzten halben Jahr gesehen, wie erfolgreich die Erste Liga sein kann, wenn man Medienwerte etc. betrachtet. Allerdings ist auch hier die Infrastruktur ein Schlüssel zum Erfolg. Mehr Erlöse bekommt man dann, wenn der Komfort in den Stadien erhöht wird.« Doch bei dem Plan, den Komfort in den Stadien mit zum Teil hohen Investitionen zu erhöhen, beißt sich die Katze in den Schwanz, denn es fehlt schlichtweg das Geld.

Not- oder Zukunftslösung?
Not- und Zukunftslösung!
Fraglich ist auch, wie sich das neue Ligenformat auf die sportliche Entwicklung niederschlägt. Denn Ebenbauer ist weiterhin davon überzeugt, dass aus sportlicher Sicht die zwei Zehnerligen das beste Format für Österreich (gewesen) sind. Insofern ist die künftige Liga aus diesem Blickwinkel nur die zweite Wahl. Die beschlossene Zwölferligaw, die ab 2018/19 in Kraft treten wird, ist daher nicht nur eine Zukunftsvision, sondern auch eine Notlösung. Einige, wie auch Rieds Manager Stefan Reiter, hätten sich die Umsetzung bereits ein Jahr früher gewünscht, denn es ist nicht auszuschließen, dass die in den vergangenen Jahren erhöhten Lizenzkriterien dazu führen, dass Österreichs Profifußball die Vereine ausgehen und die beiden Zehnerligen möglicherweise ab 2017/18 mit weniger als 20 Klubs auskommen müssen. Der Imageschaden wäre enorm und nachhaltig.

Titelgeschichte Fazit 124 (Juli 2016) – Foto: Johann Schwarz

Kommentare

Antworten