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Führung und Erziehung

| 4. Oktober 2017 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 136, Serie »Erfolg braucht Führung«

Parallelen und Unterschiede Ich komm’ mir vor wie eine Kindergarten-Tante«, klagt die Vertriebsleiterin und thematisiert die kindlichen Verhaltenstendenzen ihrer männlichen Mitarbeiter. Führung und der Wunsch nach mütterlicher oder väterlicher Fürsorge liegen oft eng zusammen. Es gibt viele Parallelen, aber jede Intervention soll im richtigen Umfeld angewendet werden. Professionelle Führung und Elternarbeit dressieren keine Zirkuspferde, die brav funktionieren und ihre Leckerli und Anerkennung abholen, sondern schaffen ein Umfeld für das Fördern von Individualität, eigenständigem Denken, Fühlen und Handeln und die Ausrichtung auf gemeinsame Ergebnisse oder Bedürfnisse.

::: Text von Carola Payer
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Ich komm’ mir vor wie eine Kindergarten-Tante«, klagt die Vertriebsleiterin und thematisiert die kindlichen Verhaltenstendenzen ihrer männlichen Mitarbeiter. Führung und der Wunsch nach mütterlicher oder väterlicher Fürsorge liegen oft eng zusammen. Es gibt viele Parallelen, aber jede Intervention soll im richtigen Umfeld angewendet werden. Professionelle Führung und Elternarbeit dressieren keine Zirkuspferde, die brav funktionieren und ihre Leckerli und Anerkennung abholen, sondern schaffen ein Umfeld für das Fördern von Individualität, eigenständigem Denken, Fühlen und Handeln und die Ausrichtung auf gemeinsame Ergebnisse oder Bedürfnisse.

Führung und Elternarbeit sind nicht leicht
Mit Menschen in professionellen und privaten Settings zufriedenstellend zusammenzuleben und produktiv zu sein erfordert eine Menge Know-how. Diese Herausforderung hat jeder. Trotzdem wird man nicht dafür ausgebildet. Vielen fehlt die vorangehende Reflexion. Vater, Mutter, Ehepartner und Führungskraft wird man ohne Diplom und Vorweis von absolvierten Modulen. Die fachlichen und persönlichen Kompetenzen sind nicht genau definiert. Es ist dann einfach einmal irgendwann so weit. Weil das erste Kind da ist, weil man sich eine gemeinsame Wohnung nimmt oder weil man schon lange genug in der Firma seinen Beitrag geleistet hat. Seniorität, Fachkompetenz oder Lebenszufall sind zu wenig. Der Umgang mit Menschen muss gelernt werden. Mancher will sich mit diesen »soft facts« gar nicht auseinandersetzen und staunt, welchen Einfluss diese auf knallharte Ergebnisse haben.

Führung und Elternarbeit brauchen Präsenz, Aufmerksamkeit und Zeit
Sich im »Hier und Jetzt« auf die Führungsaufgabe ein zu lassen und mit voller Aufmerksamkeit für die Mitarbeiter da zu sein ist eine ähnliche Herausforderung wie nach einem arbeitsreichen Tag den Kindern zuzuhören und ihre Anliegen ernst zu nehmen. Während es in der Arbeit viele Fach- und Managementaufgaben sind, sind es im privaten Umfeld oft eine Menge organisatorischer Aufgaben, deren Erledigung viel mehr Raum und Zeit geschenkt werden als der Auseinandersetzung mit den Familienmitgliedern. Auswirkungen von zu wenig Aufmerksamkeit im Team sind fehlender Bezug und Beziehung zu den Mitarbeitern, Demotivation, Dienst nach Vorschrift, Konfliktverdrängung und eventuell auch versteckte oder offene Rebellion. Kinder reagieren mit Aufmüpfigkeit, um endlich wahrgenommen zu werden, oder ziehen sich zurück und werden unzugänglich. Gute Dialogfähigkeiten mit Raum für das Gegenüber und aktives Zuhören sind in beiden Rollen unumgänglich. Wahrgenommen werden beruhigt den Wunsch nach Zugehörigkeit und Sicherheit. In Beziehung sein ist oft wichtiger als Erziehung.

Führung und Eltern managen Erwartungen – definieren
Freiheit und Grenzen und weisen auf Abweichungen hin
Gesunde Systeme in Organisationen und das Umfeld von Kindern leben von definierten Rahmen und Grenzen und dem Raum zur freien Gestaltung. Dies ermöglicht das Entdecken und Einbringen der eigenen Potenziale und der Möglichkeit zur Selbstwirksamkeit. Sind die Grenzen zu eng, nimmt man Kindern und Mitarbeitern die eigene Wirkungsmöglichkeit. Sind die Grenzen zu weit, fehlt es oft an Klarheit über die Erwartungen oder es tritt Überforderung ein. Wieviel Handlungsspielraum und wieviel Unterstützung der einzelne braucht, ist dabei noch sehr unterschiedlich. Zu oft gehen Rahmengeber dabei von den eigenen Bedürfnissen aus. Herausforderung ist vor allem die Rückmeldung, wenn Grenzen überschritten werden. Die Kommunikation soll klar und respektvoll sein. In der Realität ist diese Auseinandersetzung oft gekennzeichnet von einer starken Schuldkultur, ent- und abwertender Kommunikation und Verletzung oder fehlendem Thematisieren der Abweichung. Konstruktive Konfliktfähigkeit und -bereitschaft braucht man in beiden Rollen. Eltern und Führungskräfte, die sich aufgrund des eigenen Bedürfnisses nach »Dauersympathie« davor scheuen, Störungen zu bearbeiten, werden an immer mehr Fronten zu kämpfen haben. Eltern und Führungskräfte müssen es aushalten, Projektionsfläche für die fehlende eigene Durchsetzungskraft oder unerfüllte Sehnsüchte zu sein. Ein Kind bekommt Liebe für das, was es ist, und nicht dafür, was es getan hat. Liebe und Feedback für Leistungen müssen daher getrennt betrachtet werden. »Mama hat dich nicht lieb, wenn« ist ein No-go in der Erziehungsarbeit.

Mitarbeiter haben ihre Existenzberechtigung in einer Organisation, weil sie etwas tun müssen für ihr Entgelt. Sie brauchen sowohl Feedback für ihre Leistungen, aber auch respektvolle Behandlung bei Nichterreichung von Zielen. Wertschätzung der Einzigartigkeit, Respektieren von charakterlichen Eigenheiten, Integration dieses Wissens in den individuellen Führungsstil und Unterstützung, dass Mitarbeiter eigenverantwortlich an ihren Potenzialen und Schwächen arbeiten, zeichnen wesensgerechte Führung aus. Nähe und Distanz sind ein wichtiges Klavier, das Führungskräfte beherrschen müssen.

Rahmen fürs Zusammenleben und Arbeiten –
Prinzipien der Kooperation
Werte an Firmenwände oder Kühlschränke zu pinseln kann unterstützend sein. Wichtiger ist aber, immer wieder in bestimmten Abständen zu reflektieren, was in der Arbeitsbeziehung oder im Familiensetting stimmig war und was nicht. Darüber reden, Verständnis schaffen und Experimentierräume für die Zukunft festlegen ist wirksamer als Strafe oder Denunzierung für Abweichungen. Aushalten von Rebellion, Grenzüberschreitungen, Eigenwilligkeit und ständiges Wiederholen und Erklären von Prinzipien ist mühsam, aber nachhaltig wirksam. Einzuladen, ohne das Wesen des Gegenübers zu brechen, ist in beiden Feldern eine Kunst. Der große Unterschied: Eine Führungskraft soll nicht Mama oder Papa sein. Eine Begegnung auf Augenhöhe und das Respektieren und Fordern der Eigenverantwortung der Mitarbeiter ist eine wesentliche Grundlage für gesunde Führung. Urmütterliche oder patriarchale Verhaltenstendenzen führen dazu, Mitarbeiter einzuladen, kindliche Haltungen einzunehmen. – Und dann braucht man sich nicht wundern, plötzlich Nanny statt Führungskraft zu sein.

Foto: Marija KanizajDr. Carola Payer betreibt in Graz die »Payer und Partner Coaching Company«. Sie ist Businesscoach, Unternehmensberaterin und Autorin. payerundpartner.at

Fazit 136 (Oktober 2017), Fazitserie »Erfolg braucht Führung« (Teil 7)

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