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Politicks April 2010

| 24. März 2010 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 61, Politicks

Landtagswahl: Die langfristigen Strategien von SPÖ und ÖVP
Die Ausgangslage für die Steirische Landtagswahl ist denkbar spannend. Landeshauptmann Franz Voves geht als Titelverteidiger ins Rennen. Ihm ist nach 60 Jahren ÖVP-Vorherrschaft das unglaubliche Kunststück gelungen, den LH-Sessel für die SPÖ zu erobern. Sein Herausforderer ist LH-Vize Hermann Schützenhöfer. Er übernahm nach der Wahlniederlage von Waltraud Klasnic auch die Führung der Steirischen Volkspartei.
In den Umfragen lagen SPÖ und ÖVP zuletzt gleich auf bei etwa 40 Prozent. Während der gelernte Finanzmanager Franz Voves den viel zitierten „Puchoarbeitabuam“ bemüht, um das klassische SPÖ-Klientel von sich einzunehmen, musste der gelernte Einzelhandelskaufmann und im ÖAAB sozialisierte Schützenhöfer zuerst den VP-Wirtschaftsflügel von sich überzeugen. Dass das beiden gelungen ist, haben die jeweiligen Parteitage mit Ergebnissen an die 100 Prozent eindrucksvoll gezeigt.
Das Kalkül der SPÖ ist dennoch nicht aufgegangen. Sie hatte gehofft, dass sich die ÖVP in den Jahren des Machtverlustes selbst aufreibt und schwächt. Die Volkspartei wiederum wollte Franz Voves keine Gelegenheit geben, einen Amtsbonus aufzubauen. Und wie eine IMAS-Umfrage der Kronenzeitung zeigt,  der zu Folge Schützenhöfer inzwischen auch bei den persönlichen Werten zu Voves aufschließen konnte, scheint diese Strategie funktioniert zu haben.
Mit den Speerspitzen Christopher Drexler und Bernhard Rinner hat es die ÖVP geschickt verstanden, den roten Landeshauptmann in die tagespolitischen Scharmützel zu verstricken. Dass die in diesem Zusammenhang von der SPÖ erhobenen Vorwürfe der Blockadepolitik und Totalopposition dennoch ins Leere gehen, verdankt die Volkspartei wiederum ihrer erfolgreichen Ressortpolitik mit Christian Buchmann, Kristina Edlinger-Ploder und Hans Seitinger und natürlich Hermann Schützenhöfer.
Franz Voves hingegen sah sich gezwungen, sein Regierungsteam zu wechseln und den Technokraten Helmut Hirt sowie den Alt-68er Kurt Flecker durch Elisabeth Großmann und Siegfried Schrittwieser zu ersetzen. Beide decken zwar wesentliche Segmente des SPÖ-Zielpublikums ab, ob sie jedoch auch darüber hinaus wirken, bleibt abzuwarten.

Die Gegner von Franz Voves sitzen auch in der Bundes-SPÖ
Auch aus Wien blies Franz Voves zuletzt Zeit ein beständiger Gegenwind ins Gesicht. Seit seiner Pressekonferenz im Wiener Cafe Landmann, bei der er entgegen der von der Bundes-SPÖ getragenen Koalitionslinie eine höhere Vermögensbesteuerung forderte, ist er auch bei seinem eigenen Parteivorsitzenden nicht besonders gelitten. Die Gerüchte, dass er Werner Faymann die Diskussion über die SPÖ-Stiftung und die damit zusammenhängenden Vorwürfe der Steuertrickserei zu verdanken hat, werden wohl nicht mehr verstummen.
„Da zog einer aus, die Reichen zu suchen und hat sich selbst gefunden“, lautete übrigens der höhnische Kommentar Hermann Schützenhöfers.
Dazu hat Voves alle Hände voll zu tun, verdiente SPÖ-Parteigänger im Landesdienst und im landesnahen Bereich unterzubringen. Dabei macht man sich nicht nur Freunde. So setzte er sich über Parteienübereinkünfte hinweg und beging damit einen Tabubruch, der das persönliche Verhältnis zu Schützenhöfer nachhaltig belastete. Voves wird von der Volkspartei seitdem als Politiker ohne Handschlagqualität stigmatisiert.
Jedenfalls hat die SPÖ die Chance ungenützt verstreichen lassen, einen Amtsbonus für ihren Spitzenmann aufzubauen und eine neue Politik im Land zu machen, die sich von klassischen SP-Populismen unterscheidet. Dabei hat Voves im „Head to Head“ immer noch bessere Voraussetzungen als Hermann Schützenhöfer. Voves wirkt telegener und damit dynamischer, authentischer und auch sympathischer. Die Masse der Wähler, die sich kaum für landespolitische Sachverhalte interessiert und keinen der Akteure persönlich kennt, ist für Franz Voves aufgrund dieser Attribute wesentlich einfacher erreichbar als für Hermann Schützenhöfer. Für den Wahlkampf heißt das, dass Franz Voves wohl die personelle Zuspitzung suchen wird, während die ÖVP eher einen Themen- und Team-Wahlkampf führen wollen wird.

Umfragen: Faymann ist wieder vorne
Bei der Regierungsklausur im Grazer Kongress hatte man den Eindruck, dass da mit Werner Faymann und Josef Pröll zwei gute Freunde nebeneinander sitzen. Und als ein Journalistenkollege meinte, „die haben ja während der PK mehr miteinander gesprochen, als der Voves und der Schützenhöfer in einem ganzen Jahr“, traf das den Nagel auf den Kopf. Die ÖVP hatte bis vor kurzem einen souveränen (Umfrage-) Vorsprung vor der SPÖ. Aber damit könnte es, den Gemeindewahlen zum Trotz, bald vorbei sein: Die Zustimmung zur ÖVP hat durch das Nichtzustandebringen eines Bundespräsidentschaftskandidaten, das Nachgeben bei der SPÖ-Forderung einer Bankensteuer, sowie das Versagen beim Durchsetzen einer ausgabenseitigen Budgetsanierung gelitten. Dazu kommt der Dilettantismus von Innenministerin Maria Fekter in der Eberau-Sache, mit dem sie gleichzeitig die Chancen von ÖVP-Mann Franz Steindl bei der burgenländischen Landtagswahl am 30. Mai 2010 nachhaltig zerstört hat.
Anstatt seinen Versprechen und damit seinen Wählern treu zu bleiben, hat sich Josef Pröll zurückgelehnt und damit Werner Faymann zumindest bis zur Wiener Wahl das politische Überleben ermöglicht. Er hat ihm sogar – wie erste Umfragen zeigen – die Nummer-Eins-Position zurückgegeben. Spüren werden das die Wahlkämpfer in Wien und in der Steiermark. Michael Häupl und auch ein bereits angezählter Franz Voves dürfen auf einmal damit rechnen, dass aus einem bundespolitischen Gegenwind in der entscheidenden Phase doch noch ein Rückenwind wird.

WK-Wahl: Unerwarteter WB-Triumph in Kärnten und der Steiermark
Mit Spannung wurde das Ergebnis der Kärntner und Steirischen Wirtschaftskammerwahlen erwartet. In Kärnten unternahm der freiheitliche RFW mit Matthias Krenn einen Großangriff, um Präsident Franz Pacher zu stürzen. Das Ergebnis: Pacher legte um fast 9% auf rund 62% zu und der RWW stürzte auf 21% ab.
In der Steiermark hatte WB-Chef Christian Buchmann gegen den Willen einiger namhafter WB-Funktionäre, den Grazer Autohändler Ulfried Hainzl als Nachfolger des beliebten Präsidenten Peter Mühlbacher durchgesetzt und damit viel Risiko genommen. Das überzeugende Ergebnis: Hainzl konnte die sensationellen 74% von Mühlbacher auf über 76% ausbauen.
Große Erleichterung herrschte auch bei WKO-Präsident Christoph Leitl, der in einer ersten Stellungnahme zugegeben hatte, sich im Vorfeld vor allem um das Ergebnis in Kärnten und in der Steiermark gesorgt zu haben.

Präsidentschaftswahl – Was tun die ÖVP-Anhänger?
Eine von NEWS in Auftrag gebebene OGM-Umfrage sieht den amtierenden Bundespräsidenten Heinz Fischer bei 81 Prozent und die freiheitliche Kandidatin Barbara Rosenkranz nur bei 19 Prozent.  Möglicherweise hat die Haltung von ÖVP-Obmann Josef Pröll, der indirekt dazu aufgerufen hatte, dem amtierenden Präsidenten Heinz Fischer die Stimme zu geben, zu diesem Meinungsbild beigetragen, denn wenige Wochen zuvor lag Rosenkranz noch bei 26%.

Der Protest gegen Barbara Rosenkranz formiert sich inzwischen vor allem im Internet. Die Facebook-Gruppe „Gegen Barbara Rosenkranz als Bundespräsidentin“ hat inzwischen fast 90.000 Mitglieder, darunter viele ÖVP-Anhänger. Ihre Gegner stoßen sich längst nicht mehr nur an ihrer Kritik am NS-Verbotsgesetz. Rosenkranz hat sich halbherzig und daher unglaubwürdig von ihrer ursprünglichen Meinung distanziert. Allerdings erst nach schriftlicher Aufforderung durch die Kronenzeitung, die ihr mit Liebesentzug gedroht hatte.  Was Rosenkranz aus Sicht der demokratischen Kräfte unwählbar macht, ist ihr, Rückzugsgefecht, was ewig gestrige Positionen anlangt darunter auch die tagelange Weigerung, die Existenz von Gaskammern in denNS-Konzentrationslagern einzuräumen.

Sogar als sie in der Puls-4-Fernsehlive-Diskussion „Talk of Town“ von Grünen-Chefin Eva Glawischnig dazu aufgefordert wurde („Jetzt äußern Sie sich endlich klar zu Gaskammern und den Verbrechen der Nazizeit!“) wich sie noch mit den Worten aus: „Ich stehe für eine Schlammschlacht nicht zur Verfügung“. Erst 24 Stunden später – vielleicht hat ja jemand von der Krone angerufen – kam die Aussage, dass es selbstverständlich Gaskammern gegeben habe.

Das FAZIT: Die aus der katholischen Kirche ausgetretene Rosenkranz scheint tatsächlich eine Politikerin am äußerst rechten Rand zu sein, der es in der Vergangenheit gelungen war, ihre Ideologie hinter der Trivialität der Sachpolitik als niederösterreichische Tierschutz- und Baurechtslandesrätin zu verstecken. Die FPÖ wollte Rosenkranz ursprünglich als bürgerliche Alternative zu Heinz Fischer aufbauen, um den ÖVP-Anhängern eine besseres Angebot zu machen als es Heinz-Christian Strache wohl gewesen wäre. Aus heutiger Sicht, ist das klar misslungen.

Politicks, Fazit 61 (April 2010)

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