Tandl macht Schluss (Fazit 212)
Johannes Tandl | 15. Mai 2025 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 212, Schlusspunkt
Standortschub trotz Sparzwang. Wie soll das gehen? Die Exportindustrie ist das Rückgrat der österreichischen Volkswirtschaft. Sie erbringt mehr als die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung. Doch dieses Rückgrat droht gerade zu brechen. Steigende Energiekosten, hohe Inflation, wachsende Lohnkosten, Fachkräftemangel, überbordende Bürokratie und zunehmender Wettbewerbsdruck aus Asien setzen den Unternehmen zu. Während sich andere Standorte strategisch für die Zukunft rüsten, verlieren wir an Boden. Wenn die Politik nicht endlich erkennt, dass der Sparzwang und die Verbesserungen des Wirtschaftsstandortes Hand in Hand gehen müssen, droht der Verlust von Wohlstand.
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Österreichs Strompreise zählen zu den höchsten Europas – für energieintensive Unternehmen ist das existenzbedrohend. Während Frankreich mit günstigem Atomstrom und Norwegen mit Wasserkraft – fernab des Merit-Order-Preismodells – ihre Industrien absichern, verliert Österreich durch politische Handlungsunfähigkeit an Attraktivität. Die Lösung sind nicht endlose Preisbremsen, sondern ein langfristig geplanter technologieoffener Energiemix. Genehmigungsverfahren für die industrielle Eigenversorgung (PV, Wasserstoff, Geothermie) müssen radikal vereinfacht und die Stromnetze rasch ausgebaut werden. Damit sich das für die in der öffentlichen Hand befindlichen Energieunternehmen lohnt, müssen ihnen verkürzte oder vorzeitige Abschreibungsmöglichkeiten geboten werden, statt sie mit überzogenen Dividenden oder Krisengewinnsteuern zur Budgetsanierung zu schröpfen.
Österreich hat ein demographisches Problem. Ohne qualifizierte Mitarbeiter steht jede Maschine still. Aber die Unternehmen finden keine mehr. Technische Berufe gelten als zweitklassig, die Lehre kämpft mit Imageproblemen, die Arbeitsmigration ist viel zu bürokratisch und zu langsam. Die kostengünstigen Antworten für die Politik können nur lauten, dass die Berufsorientierung neu gedacht, die Mint-Ausbildung massiv gestärkt und Fachkräfte gezielt mit minimaler Bürokratie aus dem Ausland geholt werden können müssen. Außerdem dauert es in Österreich inzwischen fast in jedem Fall länger, eine Anlage zu genehmigen, als sie zu bauen. Das lähmt nicht nur Investitionen, es vergrault die Investoren. Vielleicht braucht das Land ja einen weiteren Papiertiger, wie etwa eine »Nationale Entbürokratisierungskommission« mit dem Ziel, die Melde- und Berichtspflichten in drei Jahren um 30 Prozent abzubauen. Oder mit dem klaren Bekenntnis zu »Digital first«.
China investiert mit einer Langfriststrategie in Infrastruktur, Forschung und Bildung. Europa dagegen agiert kleinteilig, planlos und erratisch. Natürlich kann Österreich seine Probleme nicht im Alleingang lösen – aber es könnte in Brüssel Druck für eine neue europäische Industriepolitik mit klaren Leuchtturmprojekten, strategischer Technologieförderung und dem Schutz vor unfairem Wettbewerb machen.
Damit das auch in Zeiten der unaufschiebbaren Budgetsanierung gelingt, muss die Politik Prioritäten setzen und gezielt in Energie, Bildung, Forschung und Infrastruktur investieren, statt wie bisher Subventionen mit der Gießkanne auszuschütten. Zu nennen wären diesbezüglich die Corona-Hilfen, aber auch pauschalierte Digitalisierungsprogramme oder die meisten EU-Subventionen. Außerdem muss klar sein, dass es besser ist, auf Subventionen zu verzichten als deren Rechtmäßigkeit mit einer enormen Bürokratie für Fördergeber und -nehmer zu überwachen. Wahrscheinlich könnte die Künstliche Intelligenz die Doppelgleisigkeiten in der Förderpolitik wesentlich besser ausräumen als die Politik mit ihren vier Verwaltungsebenen (EU, Bund, Länder, Gemeinden). Es würde sogar Geld sparen, die Verfahren zu beschleunigen, die Berichtspflichten zu reduzieren und die digitale Verwaltung zu forcieren. Aktuell verlagert etwa Volkswagen seine Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen in der E-Mobilität nach China. Dieser Irrsinn für den europäischen Automotivebereich müsste sofort die EU-Kommission auf den Plan rufen. Die EU muss endlich Programme für die gezielte industrielle Transformation, Digitalisierung und Energieeffizienz auflegen.
Ein echter Standortschub braucht keine neuen Milliarden, sondern eine neue Haltung. Damit ist wirtschaftspolitischer Mut, strategisches Denken und der feste Wille gemeint, Österreich als Industrienation abzusichern.
Tandl macht Schluss! Fazit 212 (Mai 2025)
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