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Zur Lage (27)

| 27. April 2010 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 62, Zur Lage

Über das Kabarett und die steirischen Grünen, über FAS, über neue Gesetze und – natürlich – nichts über die Präsidentschaftswahl.

Ich kann ja nicht schon wieder mit dem Ex-Ex-Kabarettisten Jörg-Martin Willnauer anfangen. Obwohl, sein nächstes Programm, etwa unter dem Titel  »Wie einer auszog, Spitzenkandidat einer politischen Partei zu werden, um es dann doch nicht zu sein« recht interessant werden könnte. Bemerkenswert auch die Begründung Willnauers für seinen überraschenden Rückzug, ist er nämlich zu dem Schluss gelangt, dass es extrem schwierig sei, »in der auf rot-schwarz Duelle zugespitzten Auseinandersetzung gehört zu werden«. Ist Willnauer so unbeschwert in die Politik gegangen, damit gerechnet zu haben, um den Landeshauptmannsessel mitzurittern? Aber lassen wir das; den Grünen in diesem Land kann nicht einmal ich mehr helfen.

Ich wollt Ihnen ja sowieso was ganz was anderes erzählen, nämlich die Geschichte der 35-jährigen Sarah Colwill aus dem englischen Plymouth. Die – niemals in China gewesen, keine einzige Stunde Unterricht im Chinesischen je erfahren, also unbefleckt von jedweder sinologischen Thematik – soll dem Vernehmen nach, plötzlich wie unfreiwillig mit chinesischem Akzent sprechen. Sie leidet offenkundig unter der – doch eher seltenen – Krankheit des FAS (Fremdsprachen-Akzent-Syndrom). Na bitte! Wenn das kein verspäteter Aprilscherz europäischer Gazetten war – durch diese flatterte diese Story – dann darf ich Ihnen eigentlich seit dem 20. April dieses Jahres davon gar nicht mehr erzählen.

Da hat der österreichische Nationalrat nämlich ein Terrorismuspräventionsgesetz beschlossen und »damit ein klares Signal gesetzt«, wie es Vizekanzler Pröll so wohlfeilend auf den Punkt gebracht hat. Wenn Sie sich jetzt fragen, was FAS mit Terrorismusprävention zu tun hat, fragen Sie sich das zu recht; der Nationalrat hat sich das offenbar nicht gefragt.

Schon bisher machte man sich strafbar, wenn man Angehörige einer bestimmten Religion, einer Rasse oder eines Volkes (Staates) wegen dieser Zugehörigkeit verächtlich machte. (Dagegen ist im übrigen selbstverständlich wenig einzuwenden!) Nunmehr sind darüber hinaus auch abfällige Bemerkungen, die auf Geschlecht, Alter, sexuelle Ausrichtung, die Weltanschauung oder eine Behinderung abzielen, bei Strafe verboten.

Weiters wurde der Verhetzungsparagraph auch insofern erweitert, dass nicht nur bösartige Reden gegen angeführte Gruppen untersagt sind, sondern auch gegen einen Einzelnen einer solchen Gruppe, wenn dieses böse Reden auf seine Gruppenzugehörigkeit abzielt. Damit ist alles klar. Nie im Leben darf ich Ihnen in Hinkunft von der 35-jährigen Sarah C. aus dem englischen P. erzählen, und schon gar nicht davon, dass sie unter F. leidet. Und damit der F.-Gruppe angehört. Solly, liebe Salah.

Denken wir das jetzt weiter, darf ich Ihnen eigentlich bald gar nichts mehr erzählen. Nicht, dass es meine Art jemals gewesen ist, etwa Blondinenwitze als besonders treffsichere Pointen einzusetzen. Dass ich es jetzt unter Strafandrohung von ein bis zwei Jahren Gefängnis nicht mehr machen darf, erfüllt mich doch mit Befremden. Und erscheint mir ein klein wenig übers Ziel geschossen. Vor allem, wie soll das »operationalisiert« werden? Bekommen dann etwa Kaberettisten eine Ausnahmegenehmigung? Oder Journalisten, die über die Gruppe der Politiker berichten müssen? Wo lässt es sich festmachen, ob etwas ein bloßer Witz oder eine übelste Nachrede ist?

Entscheidet etwa der Abgeordnete Hans-Peter Martin selbst, ob er jetzt einen Hitlergruß macht, wenn er einen Hitlergruß macht, oder ob es nur ein  Witz gewesen ist? (Wobei vor der Novelle hätte ich ja noch frech vermutet, alle die einen Hitlergruß machen, sind sowieso behindert; das untersagt mir jetzt jedenfalls das Recht in diesem Land.) Fragen über Fragen, denen sich Justizministerin Claudia Bandion-Ortner – ich denke ja gerne von ihr als »Richterin Sorgenfrei«, aber ich getrau mich das nicht mehr laut zu sagen – offenbar wenig konfrontiert gesehen hat, als sie diese Novellierungen vorbereitete.

Mein Gott, die Richterin. Was uns in dieser ersten Lage nach dem 20. April 2010 an tiefgründigen Überlegungen, an lauteren dafür  umso billigeren Wortspielereien entgeht, ist nur wenig abzuschätzen. Alleine der eine oder andere ironische Gedanke über die Gruppe der Doppelnamen-tragenden Karrierefrauen. Ja, sag einmal, da könnte uns was einfallen! Oder, genau, die Gruppe der halblustig-auffällige-Brillen-tragenden Mitvierziger(Innen). Das würde uns – meint der Gesetzgeber wohl – nicht guttun, wir würden aus dem Lachen nicht mehr herauskommen. So aber können wir es uns verkneifen und auf die allmächtige Kompetenz der Bundesregierung vertrauen. Alle werden gut. Jedenfalls steht es jetzt so im Gesetz. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass eine große Koalition dem Lande nicht nutzen kann.

Zur Lage, Fazit 62 (Mai 2010)

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