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Tandl macht Schluss!

| 20. Juni 2011 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 73, Schlusspunkt

Die Politik tobt, weil Erste-Bank-Chef Andreas Treichl sie in Zusammenhang mit ihrem mangelnden Widerstand gegen Basel III als „zu blöd und zu feig“ bezeichnet hatte. Dennoch finden sich immer mehr Experten, die Treichl inhaltlich zustimmen. Denn mit Basel III wurde ein Wachstumskiller geschaffen, der in kaum einem Land mehr Schaden anrichten wird als in Österreich mit seinen überwiegend kreditfinanzierten KMU.
Basel III bewirkt, dass die Banken ab 2013 ihre Kredite für vorübergehend in Schwierigkeiten steckende, aber dennoch fest in der Realwirtschaft verankerte Betriebe mit wesentlich höheren Eigenmitteln unterlegen müssen als bisher. Außerdem werden die Institute dazu gezwungen, Kunden mit „schlechter Bonität“ Risikoaufschläge aufzubrummen, die das Vielfache des Zinssatzes betragen können. Dass guten, weil verlässlichen Bankkunden Rückzahlungen und Zinsen wie bisher gestundet werden, bis sie wieder Boden unter den Füßen gewinnen, ist bald nicht mehr möglich. Eine vernünftige Banken-Kunden-Beziehung damit wohl auch nicht. Darüber, wie viel Wachstum Basel III kosten wird, streiten die Experten und die Schätzungen liegen zwischen 0,2 und einem Prozent. Klar ist indessen, dass Bundeskanzler Werner Faymann, aber auch sein Außenminister Michael Spindelegger und der damalige Finanzminister Josef Pröll gut daran getan hätten, auf die fest mit der Realwirtschaft verbundenen österreichischen Banken zu hören, bevor sie den Politikern jener EU-Staaten, die ihr Wachstum überwiegend aus Finanzspekulationen generieren, in Bezug auf Basel III nachgaben.
Und Treichl hat natürlich auch recht, wenn er von einer krassen Benachteiligung von Unternehmens- gegenüber Staatskrediten spricht. Dass damit gleichzeitig eine höchst gefährliche Blase im Bereich der Staatsanleihen geschaffen wurde, musste der Erste-Chef ohnehin nicht explizit erwähnen, denn dass es aus heutiger Sicht sicherere Anlageformen als griechische oder portugiesische und damit auch deutsche oder österreichische Staatsanleihen gibt, wurde ohnehin lang und breit diskutiert. Es ist tatsächlich als Politikversagen zu werten, dass Kredite an kleine und mittlere Unternehmen mit höheren Risiken bewertet werden als höchst spekulative Staatsanleihen. Dabei wäre es durchaus immer noch möglich, reparierend einzugreifen, denn vorläufig gibt es nur eine provisorische Endfassung von Basel III aus dem Dezember 2010. Für Politiker mit Herz und Hirn wäre es noch nicht zu spät, Verbesserungen anzuregen. So könnte ein Bundeskanzler, der weiß, was er tut, etwa die Integration einer Mittelstandsklausel, die KMUs um eine oder zwei Ratingklassen vorreiht, in das Regelwerk einfordern. Das würde einerseits die negativen konjunkturellen Folgen von Basel III dämpfen, andererseits könnte so dem geringeren Risiko für Kredite an Klein- und Mittelbetriebe angemessen begegnet werden.
Hat Treichl auch recht, wenn er meint, dass die nächste Krise über die Rohstoffe und nicht über die Immobilien über uns hereinbrechen wird? Meiner Meinung nach nur bedingt, denn wer „Subprime“ genau analysiert, wird darauf stoßen, dass schon die gerade vorübergehende Krise durch uferlos gestiegene Rohstoffpreise ausgelöst wurde: Zuerst ist der Markt jener US-Immobilien zusammengebrochen, die weiter als 50 Meilen von den nächsten Industrie- und Dienstleistungszentren entfernt liegen. Der Grund dafür: Die Bewohner konnten es sich nicht mehr leisten, gleichzeitig ihre Hypotheken und die exorbitant gestiegenen Kosten für den Weg zur Arbeit zu bezahlen. Ein Aspekt, der mich übrigens bereits 2007 an eine fehlerhafte Raumordnungspolitik denken ließ, die mit günstigen Grundstückspreisen weit außerhalb der Städte viel zu lange Pendelstrecken verursacht. So etwas gibt es aber nicht nur in Amerika. Und das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte.

Tandl macht Schluss, Fazit 73 (Juni 2011)

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