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Tandl macht Schluss!

| 24. Oktober 2011 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 76, Schlusspunkt

Eines der Formate des von Dietrich Mateschitz finanzierten Salzburger Bildungssenders „ServusTV“, zu denen der öffentlich-rechtliche ORF scheinbar nicht mehr fähig ist, ist die Experten-Diskussion „Talk aus dem Hanger 7“. In der Sendung Mitte September ging es um die unternehmerische Umsetzung von Innovationen bzw. um den Weg von der Invention zur Innovation.
Moderator Fritz Pleitgen verwies in seiner Einleitung auf das vollmundige Lissabon-Ziel der EU aus dem Jahr 2000. Die Staats- und Regierungschefs wollten die EU innerhalb von 10 Jahren zur innovativsten und dynamischsten Wirtschafts- und Wachstumsregion der Erde zu machen. Heute, zwei Krisen später, wissen wir, dass dieses Ziel grandios verfehlt wurde. Die EU erreichte beim Wachstum zwar kurzfristig eine Annäherung an die USA, aber selbst das war nur die Folge der Erweiterung um einige wirtschaftlich rückständige, ehemalige Ostblockländer mit gewaltigem Aufholbedarf.  Ein weiterer Teil des EU-Wachstums beruhte indessen auf Schulden, mit denen der Konsum finanziert wurde, anstatt damit Staat und Wirtschaft zu modernisieren.
Dieser falsche Umgang mit fremdem Geld wurde von den Hanger-7-Diskutanten jedoch nicht als Hauptauslöser für die europäische Wachstumsschwäche festgemacht. Stattdessen stimmten sie  darin überein, dass die europäische Seele grundsätzlich Probleme mit Neuerungen hat und auch, was den Unternehmergeist angeht, nicht gerade gesegnet ist. Neues gilt bei uns immer noch als Häresie und wird daher oft unreflektiert abgelehnt. Während die Amerikaner, aber auch die Chinesen sogar im Scheitern noch etwas Positives erkennen, wird in Europa alles, was sich der gesellschaftlichen Angepasstheit entzieht, als verloren und wertlos gebrandmarkt. Das Bonmot „Europäer sind Amerikaner, die sich nicht auf ein Schiff getraut haben“ trifft diese Mentalitätsunterschiede auf den Punkt. So wurden etwa die meisten Hightech-Unternehmen im kalifornischen Silicon Valley rund um die Stanford University  nicht von Absolventen dieser glorreichen Bildungsinstitution gegründet, sondern von ihren Studienabbrechern, welche die Zeit auf der Universität dazu nutzten, um sich die Impulse für ihre späteren Innovationen zu holen. Wer bei uns sein Studium abbricht, ist ein Verlierer, gilt als unzuverlässig und nicht vertrauensvoll. Selbst in der Steiermark, dem mit großem Abstand innovationsfreudigsten unter den österreichischen Bundesländern, kann sich kaum ein Akademiker dazu entschließen, über eine Unternehmensgründung selbstständig zu werden. Nicht weil unsere Hochschulabsolventen nicht gerne ihre eigenen Herren wären, sondern weil sie einem gesellschaftlichen Umfeld entstammen, für welches eine unternehmerische Tätigkeit jenseits aller Vorstellungen liegt. Aber selbst wenn ein hervorragend ausgebildeter Akademiker  tatsächlich selbstständig werden wollte, bekäme er kaum die Chance, seine Träume zu verwirklichen. Anders als in den wirklich innovativen Regionen gilt Private-Equity bei uns als Schimpfwort und „Venture-Capital“ wird mit „Risikokapital“ übersetzt – Geld, das man genauso gut im Casino verjuxen könnte. Selbst die traditionelle Unternehmensfinanzierung über Bankkredite, die bis etwa 2005 gut funktioniert hatte, wurde mit Basel II und III so gut wie unmöglich gemacht. Junge Menschen, die trotz  vielversprechender innovativer Businesspläne nicht in der Lage sind, eine 130 %ige Bonität für ihren Kredit zu gewährleisten, haben keine Chance auf eine Finanzierung. Sollten sie es ohne genügend Geld dennoch versuchen, selbstständig zu werden, müssen sie wohl oder übel als Ein-Personen-Unternehmen starten, als Leute, die für ihren Job bezahlen, anstatt dafür bezahlt zu bekommen ohne Chancen in kurzer Zeit groß zu werden.
Mein FAZIT: Wenn der Markt infolge gesellschaftlicher Ignoranz versagt, muss es eben der Politik gelingen, trotz leerer Kassen über Haftungen genügend Geld für gute unternehmerische Ideen zur Verfügung zu stellen. Wozu steirische Unternehmen in der Lage sind, hat man ja zuletzt beim „Fast Forward Award“ sehen können. In  diesem Zusammenhang ist der von den steirischen Reformpartnern gewählte Weg, die Wirtschaftsförderung zu kürzen statt sie dramatisch auszuweiten, wahrscheinlich nicht viel klüger als jener, den die Griechen beschritten, als sie ein System etablierten, mit dem sie landesweit auf Pump konsumierten anstatt zu investieren.

Tandl macht Schluss, Fazit 76 (Oktober 2011)

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