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Zur Lage (45)

| 22. Februar 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 80, Zur Lage

Wie immer zuviel über den Österreichischen Rundfunk, etwas über ACTA, wenig über Wulff und fast nichts zu A1.

»Österreich wählt den größten Opernballmoment.« So oder so ähnlich hat letzten Freitag eine Unterhaltungsshow im Österreichischen Rundfunk geheißen. Die Show selber habe ich nicht gesehen, aber den rund 940 Ankündigungsspots für diese Sendung in den Tagen davor konnte ich mich nicht ganz entziehen.
Da saßen irgendwelche Pappendeckel und andere Z-Promis in irgendeiner Neunzigerjahre-Privatfernsehenkulisse im Halbkreis herum und haben sich diese großen Momente gemeinsam angeschaut. (Wahrscheinlich war dieses blonde Spartestimonial auch dabei, da kann ich mich aber nicht genau erinnern und es wäre ja auch – gerade in Zeiten der Krise – verantwortungslos, damit Speicherplatz im Gehirn zu verschleudern. Da merk ich mir lieber ihr süßes wie tonloses Lächeln.) Ein, zwei Wochen vorher wurde an einem anderen ORF-Freitag das »größte Weihnachtslied aller Zeiten« eruiert. Auch so ein ganz großer Moment in der Geschichte des österreichischen Fernsehens. Aber der Niko Pelinka, der ist nicht Büroleiter geworden.
Ich sage Ihnen, drei Nikos hätten die im Büro des Generaldirektors unterbringen können, das wäre mir vollkommen egal gewesen. Wären nur die Inhalte dieses sich als öffentlich-rechtlicher Sender tarnenden Vertrottelungsprogrammes einigermaßen von Gehalt.
Aber was solls, ich rege mich neuerdings sowieso immer öfter über Dinge auf, die die veröffentlichte Allgemeinheit kalt lassen. Muss wohl an mir liegen, wahrscheinlich ist es das Alter. Dafür regt mich wenig auf, was im weltweiten österreichischen Internetz Hinz und Kunz für aufregenswert empfinden. Etwa dieses ATTAC, pardon, ACTA meine ich. Gegen dieses ACTA sollen laut Netz die in diesen Monaten berühmt gewordenen 99 Prozent aller Lebewesen sein. Dabei bezweifle ich, dass der Prozentsatz jener, die zumindest einmal das Akronym ACTA auflösen können, eindeutig zweistellig zu beziffern ist. Gut, das ist nur eine Vermutung, ich lass mich gerne eines Besseren belehren. Meinen tut ACTA jedenfalls Anti-Counterfeiting Trade Agreement, was soviel bedeutet wie »Antiproduktpiraterie-Handelsabkommen«.
Grundsätzlich geht es also um Produktpiraterie bzw. um deren Vermeidung. Als einfacher Mensch denk ich mir, na ja, das ist ja gar nicht so schlecht, wenn etwa für Filme oder Musikstücke, die ja irgendwer um ab und an dann doch teures Geld produziert hat, auch was zu bezahlen ist. Weit gefehlt, die Netzgemeinen lehnen das strikt ab und fürchten um die Freiheit im Internet. Dass sich die Gleichen, die grad den neuesten Hollywood-Schinken irgendwo illegal runtergeladen haben, dann aber fürchterlich alterieren, wenn einer ihrer maximal 140 Zeichen langen Sprüche auf Twitter von einem anderen kopiert wird, ist wohl nur ein weiteres Zeichen für diese Internetfreiheit, die die meinen. Aber ich muss mich da ja auch nicht auskennen. Außerdem kommt dieses ACTA ja nicht aus der neuen Superdemokratiezone Naher Osten oder etwa der freien Republik Iran, sondern aus dem Reich des Bösen, aus den Vereinigten Staaten von Amerika nämlich. Und da ist heutzutage wohl automatisch ein Mehr an Vorsicht geboten. (So ändern sich die Zeiten nicht.)
Oder Christian Wulff, dieser bundesdeutsche Präsident mit dem Händchen für günstige Gelegenheiten. Das wars übrigens schon, was man ihm substanziell vorwerfen kann, und trotzdem vergeht seit Wochen keine bundesdeutsche Talkshow, in der nicht der eine Chefredakteur, die andere Politberaterin oder irgendein lächerlicher Spitzname per E-Mail »direkt in die Sendung« große Betroffenheit über diese Ansammlung von Unklarheiten auslassen darf. Besonders gut gefallen hat mir die sich als »Internetaktivistin« bezeichnende namenlose junge Dame, die bei Günther Jauch vollkommen ironiefrei davon radebrach, dass »sie als Souverän« fordere, Wulff möge zurücktreten. (Vielleicht hat sie aber auch gefordert, er möge füsiliert werden; ob ihrer großen Empörung verschwimmt bei mir da die Erinnerung.) Sie werden jetzt erschüttert sein, aber trotzdem muss ich Ihnen gestehen: Als großer Demokrat vor dem Herren ist mir der letzte absolutistische Herrscher lieber, der mit wenigstens etwas Fug solche Reden schwingt (L’État, c’est moi, wir kennen das), als wenn sich jetzt jeder dahergesurfte Internetfuzzi mit »dem Souverän« verwechselt. Egal, jetzt ist er ja eh zurückgetreten.
Abschließend wollte ich mich mit Ihnen noch ein bisschen über unsere Politik unterhalten, da ereilt mich gerade am Schreibtisch eine Nachricht vom Fischer Michi, er bräucht einen Tourbus für den Sohn oder wenigstens ein paar Tausender für die Tochter. Wenns bloß eine Kitzbühelkarte wird, solls auch sein, schreibt er. Und weil ich ja schon seit 1991 so ein Mobiltelefon hab, hat er gedacht, ich könnte da vielleicht was machen. Ich helfe ja gerne, deswegen schließe ich jetzt und schreib was an die Telekom. Irgendwas bleibt immer hängen. Im Übrigen bin ich der Meinung, dass eine große Koalition dem Lande nicht nutzen kann.

Zur Lage #45, Fazit 80 (März 2012)

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