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Zum Thema (Fazit 81)

| 21. März 2012 | Keine Kommentare
Kategorie: Fazit 81, Fazitthema

Wirtschaftlich top! Politisch tot. Obwohl die weltwirtschaftliche Situation gut ist, steckt Europa in der Währungskrise. Obwohl die veröffentlichte Meinung etwas ganz anderes sagt, war der Euro eigentlich ein Erfolgsprojekt. Rund 20 Prozent der weltweiten Devisenbestände werden inzwischen in Euro gehalten. Außerdem ist die Eurozone immer noch signifikant niedriger verschuldet als etwa die USA mit ihrem Dollar oder Japan mit seinem Yen. Die EU ist mit ihrer Abkehr vom Prinzip „one state one money“ dennoch politisch gescheitert. Zu groß war die Versuchung für den wirtschaftlich schwächeren europäischen Süden, das niedrigere Euro-Zinsniveau dafür zu nützen, sich über beide Ohren zu verschulden. Das Projekt des Euro hätte in der Form, in der es vor zehn Jahren eingeführt wurde, wohl nur überleben können, wenn auf die Währungsunion eine politische Union gefolgt wäre. Mit dem Fiskalpakt versucht Deutschland nun zwar zu retten, was zu retten ist, doch kein einziges Mitgliedsland war bisher dazu bereit, sich zugunsten eines EU-Staatsgebildes aufzulösen. Dazu kommt, dass EU-Beschlüsse und -Verträge bezüglich ihrer Verbindlichkeit von den Mitgliedsländern völlig unterschiedlich interpretiert werden. Der Euro ist in seiner heutigen Form klinisch tot. Die Politik versucht ihn zwar so lange im Wachkoma zu halten, bis irgendjemand einen Königsweg aus der Krise findet. Doch viel wahrscheinlicher ist, dass es aufgrund von weiteren Staatspleiten zu noch größeren Rettungsschirmen und noch höheren EZB-Interventionen kommt. Und zwar so lange, bis auch Deutschland sich nicht mehr refinanzieren kann.
Eine Währungsreform steht also ins Haus. Neben den Horrorszenarien, die diese einhergehend mit Hyperinflation und Massenarbeitslosigkeit sehen, gibt es aber auch Konzepte, die eine geordnete Neustrukturierung unseres Währungsraumes andenken. Am weitesten vorgewagt hat sich diesbezüglich der ehemalige Präsident des Bundes der Deutschen Industrie Hans-Olaf Henkel mit seinem Konzept des „Nordeuro“, bei dem sich Deutschland, Österreich und die Benelux-Staaten als einigermaßen homogener Wirtschaftsraum aus der Eurozone herauslösen würden. Damit würde für die im alten Euro verbleibenden schwachen Volkswirtschaften der Weg für jene Abwertung frei werden, die sie so dringend brauchen.
Noch ist der politische Widerstand gegen Henkels Ideen groß. Aber bereits am 22. April 2012 könnten die Karten völlig neu gemischt werden. Falls nämlich der Sozialist François Hollande Präsident von Frankreich werden sollte, hätte Angela Merkel keinen Grund mehr, auf die Franzosen Rücksicht zu nehmen. Denn Hollande hat bereits angekündigt, dass er nicht nur die zaghaften Reformen von Nicolas Sarkozy wieder rückgängig machen wird, sondern dass er auch den Fiskalpakt zugunsten Frankreichs neu verhandeln will.

Zum Thema, Fazit 81 (April 2012)

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